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Prof. Dr. Volker ErbUniversitätsprofessor für Strafrechtund Strafprozeßrecht an derJohannes Gutenberg-Universität MainzMainz, 26. Januar 2021Strafbarkeit des Unterlassens einer maximalen Beschleunigung derCOVID-19-Impfungen in Deutschland durch die BundesregierungI. Sachlage1. Nach übereinstimmenden Medienberichten wird ein Coronaimpfstoff in den ersten drei Monaten des Jahres in Deutschland nur in unzureichenden Mengen zur Verfügung stehen, die lediglich eine Immunisierung von ca. 7,5 % der Bevölkerung erlauben. Auch im zweiten Quartalwird der Impfstoff voraussichtlich noch so knapp sein, daß er allenfalls für weitere Risikogruppen ausreicht, während mit der Impfung breiter Massen der Bevölkerung erst im dritten Quartalzu rechnen ist. Demgegenüber wird in den U.S.A. für das erste Quartal bereits eine Impfquotevon 25 % angestrebt, und in Israel soll sogar schon eine weitgehende Durchimmunisierung derBevölkerung erreicht werden (ebenso z.B. auf den Seychellen). Ob diese unbefriedigende Situation auf Versäumnisse der EU-Kommission bei der Impfstoffbestellung zurückzuführen ist(und der Bundesregierung, die diese weder von Anfang an zu umfangreicheren Bestellungengedrängt noch die von der EU-Kommission zunächst verschmähten Kontingente im Nachgangunverzüglich selbst bestellt hat), mag hier dahinstehen. Eine auch im zweiten Quartal noch zubefürchtende Impfstoffknappheit wird aber in erheblichem Umfang – wenn nicht sogar vollständig – dadurch bedingt sein, daß anscheinend große Teile der Produktion, die ab Februar inDeutschland selbst anfallen wird (insbesondere im neuen Biontech-Werk in Marburg, aberwohl auch in Halle/Westfalen und – was den Curevac-Impfstoff nach dessen Zulassung betrifft – möglichweise in Wuppertal), nicht für die EU, sondern für anderweitige Kunden derbeteiligten Firmen bestimmt sind. Dies erschließt sich u.a. daraus, daß z.B. im Biontech-WerkMarburg laut Presseberichten noch im Lauf des ersten Halbjahrs 250 Millionen Dosen und später jährlich 750 Millionen Dosen des Impfstoffs produziert werden sollen, d.h. die monatlicheProduktionskapazität beläuft sich auf ca. 60 Millionen Dosen. Wenn die Bundeskanzlerin nacheinem Online-Artikel des „Handelsblatts“ vom 21.1.2021 (Siegfried Hofmann u.a., Gerangelum Liefermengen beim Corona-Impfstoff) aus der Marburger Produktion für das 2. Quartaldemgegenüber für die gesamte EU nur 75 Millionen zusätzliche Dosen erwartet, bedeutet diesumgekehrt, daß anscheinend gut 100 Millionen Dosen und mithin mehr als die Hälfte der Produktion ins Nicht-EU-Ausland exportiert werden sollen. Stünde diese Menge zusätzlich der EU
2zur Verfügung, entfielen davon auf Deutschland mindestens 20 Millionen Dosen, mit denenman hier 10 Millionen Menschen um Monate früher impfen könnte. Tatsächlich wären es vermutlich noch weitaus mehr, da angesichts der besonderen Herausforderungen, die sich bei Lagerung, Transport und Verabreichung des Biontech-Impfstoffs stellen, bekanntlich nicht alleEU-Staaten an diesem in gleichem Umfang interessiert sind. Hinzu kämen weitere Produktionskapazitäten, die im Inland entstehen, aber nach derzeitigem Stand vermutlich ebenfalls nurteilweise Deutschland und der EU zugute kommen sollen.2. Wenn diese Impfstoffkontingente für Deutschland und Europa erst Monate später zur Verfügung stehen, bedeutet dies, daß die Risikogruppen nicht schon im frühen, sondern im späten2. Quartal, und die breite Bevölkerung nicht schon im Frühsommer, sondern erst bis Spätsommer durchgängig eine Impfmöglichkeit erhalten wird. Dies wird zwangsläufig eine Vielzahlzusätzlicher Erkrankungs- und Todesfälle zur Folge haben. Diese sind derzeit natürlich nochnicht bezifferbar, weil niemand vorhersagen kann, wie sich das Infektionsgeschehen in denkommenden Monaten mit oder ohne Impfung im einzelnen entwickeln wird. Im Nachhineinwird man aber ziemlich genau berechnen können, um wie viele Menschen es sich mindestenshandelt, indem man von den aufgetretenen Erkrankungs- und Todesfällen einen dem Wirkungsgrad der Impfung entsprechenden Anteil zugrunde legt, der auf diejenigen entfällt, die beischnellerer Verfügbarkeit größerer Impfstoffmengen zum jeweiligen Zeitpunkt bereits geimpftgewesen wären (hinzu kommen weitere, wenn man davon ausgeht, daß schnellere Impfungendas Infektionsgeschehen insgesamt stärker abbremsen würden). Angesichts der leider alles andere als fernliegenden Möglichkeit, daß insbesondere Virusmutanten in den kommenden Monaten für eine weitere und möglicherweise sogar noch schlimmere Erkrankungswelle sorgenkönnten, als wir sie jetzt erlebt haben, steht zu befürchten, daß die Bilanz hier am Ende tausendezusätzliche Todesfälle und zigtausende, wenn nicht sogar hunderttausende zusätzliche Erkrankungsfälle ausweisen wird.3. Die Bundesregierung hätte die faktische Möglichkeit, diese zusätzlichen Todesfälle dadurchzu vermeiden, daß sie den in Deutschland hergestellten Impfstoff für Deutschland und Europasichert, indem sie einen Export in Drittstaaten verbietet (die Schweiz als unmittelbaren Nachbarn sinnvollerweise ausgenommen, ebenfalls ausnehmen könnte man gewisse humanitäreKontingente, solange sie die Gesamtmenge des in Europa verfügbaren Impfstoffs nicht erheblich schmälern). So hat sie im vergangenen Frühjahr ja auch kurzzeitig den Export medizinischer Schutzausrüstung untersagt (damals sogar mit Wirkung gegen unsere europäischen Partner, was von deren Seite freilich ebenso harsche und wie verständliche Kritik ausgelöst hatte).Rechtliche Einwände aller Art gegen eine solche Maßnahme können in der momentanen Situation schwerlich Geltung beanspruchen: Wenn die Grundrechte der Menschen im Land seitFrühjahr 2020 in einem im demokratischen Rechtsstaat einmaligen und bis dahin unvorstellbaren Umfang eingeschränkt wurden und wenn man ganzen Wirtschaftszweigen ihre Tätigkeitmonatelang untersagen kann, dann muß es auch und erst recht möglich sein, einem deutschenUnternehmen ohne Rücksicht auf dessen vertragliche Beziehungen zu ausländischen Unternehmen und zu Regierungen von Drittstaaten zeitweise den Export eines hier produzierten und für
3die einheimische Bevölkerung lebensnotwendigen Impfstoffs zu verbieten. Sollte der Verordnungsweg nicht ausreichen, um dies rechtssicher zu bewerkstelligen, wäre eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung gefordert, um eine entsprechende gesetzliche Grundlage zu schaffen.Unabhängig davon könnte sich die Bundesregierung bemühen, bei der EU die Schaffung eineseuropaweiten Exportverbots der genannten Art zu erreichen.II. Strafrechtliche Betrachtung1. Die durch das Unterlassen einer Maßnahme der vorgenannten Art bedingten zusätzlichenErkrankungs- und Todesfälle bilden den tatbestandsmäßigen Erfolg von § 222 StGB bzw. § 229StGB. Die Strafbarkeit wegen einer Begehung durch Unterlassen knüpft nach § 13 StGB daranan, daß die verantwortlichen Politiker rechtlich dafür einzustehen haben, daß dieser Erfolg nichteintritt. Die hierfür maßgebliche Frage, ob Regierungspolitiker sich zugunsten der Menschenim Land in einer entsprechenden Stellung als „Schutzgaranten“ befinden, war aufgrund derbislang fehlenden Praxisrelevanz zwar noch nicht Gegenstand gerichtlicher Entscheidungenund wissenschaftlicher Abhandlungen. Sie dürfe im Ergebnis aber ohne weiteres zu bejahensein: Es ist allgemein anerkannt, daß für Amtsträger im Rahmen ihres Aufgabengebiets strafbewehrte Pflichten zur Abwendung von Rechtsgutsverletzungen bestehen (vgl. Bosch in:Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 13 Rn. 31a). Für Regierungspolitiker, die einenAmtseid darauf geleistet haben, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, kann im Angesichteiner existentiellen, Leib und Leben einer Vielzahl von Menschen bedrohenden Katastrophenlage schwerlich etwas anderes gelten.2. Dabei sind die Entscheidungsträger im Staat selbstverständlich nicht verpflichtet, allen denkbaren Lebens- und Gesundheitsgefahren um jeden Preis entgegenzutreten, sondern haben imRahmen ihres politischen Gestaltungsspielraums normalerweise einen weiten Rahmen für dieAbwägung mit gegenläufigen Interessen. Dies gilt allerdings nur, soweit Beeinträchtigungenim Raum stehen, die als Ausfluß des üblichen allgemeinen Lebensrisikos zu veranschlagensind, wie das z.B. bei den Auswirkungen einer normalen Grippewelle der Fall ist. Von einersolchen Situation geht die Bundesregierung bei den Auswirkungen der Coronapandemie aberoffenbar selbst nicht aus, weil sie diese andernfalls nicht zum Anlaß nehmen könnte, Grundrechte über Monate hinweg flächendeckend in einer Weise einzuschränken, wie das diese Republik zuvor nicht einmal ansatzweise erlebt hat. Sie bewertet die vorliegenden Gefahren fürLeib und Leben vielmehr – m.E. völlig zu Recht – als so massiv und konkret, daß ihnen mitextrem einschneidenden Mitteln bis hin zu einer weitgehenden Suspendierung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger begegnet werden darf und muß. Dieser Maßstab hat dann aber konsequenterweise auch bei der Frage zu gelten, inwieweit die Bundesregierung verpflichtet ist, dieihr zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten auszunutzen, um eine maximale Beschleunigung der COVID-19-Impfungen in Deutschland zu erreichen. Hiernach muß die Bundesregierung bei der Beschaffung eines lebensrettenden Impfstoffs notfalls in vergleichbar robuster Weise agieren, wie sie das beim „Lockdown“ tut. Ihr politischer Ermessensspielraum istdabei sogar wesentlich geringer zu veranschlagen, weil hier keine Eingriffe in Grundrechte der
4Bürger im Raum stehen, die gegen die Effizienz des Lebensschutzes abgewogen werden müssen. Es geht vielmehr um die schlichte Versorgung mit lebensrettenden Gütern, bei der Einschränkungen allenfalls dann legitimierbar wären, wenn andernfalls eine totale Überforderungder Leistungsfähigkeit des Staates drohen würde. Das ist jedoch ersichtlich nicht der Fall,weshalb ein evtl. Ermessen, ob die Möglichkeiten zur schnellstmöglichen Versorgung der Menschen in Deutschland mit einem wirksamen COVID-19-Impfstoff maximal ausgeschöpft werden sollen, auf null reduziert ist.3. Die idealistische Überlegung, man dürfe den Impfstoff anderen (und insbesondere ärmeren)Ländern nicht „wegschnappen“, wie es u.a. Bundestagspräsident Dr. Schäuble formuliert hat,und wie es wohl auch der Überzeugung der Bundeskanzlerin entspricht, erscheint im vorliegenden Zusammenhang nicht tragfähig: Die gewählten Vertreter der deutschen Regierung sindSchutzgaranten der Menschen in Deutschland. Angesichts der engen Solidargemeinschaft mitunseren EU-Partnerstaaten, die mittlerweile zu den tragenden Säulen unseres Staatsverständnisses gehört, wird man ihnen auch noch in bezug auf die Menschen in diesen Ländern gewissequalifizierte Schutzpflichten zusprechen können und müssen (im Verhältnis zur Schweiz würdeich das aufgrund der engen nachbarschaftlichen Beziehung auch noch so sehen), weshalb esmir denn auch fernliegt, ein Exportverbot zu deren Nachteil zu verlangen. Menschen im Restder Welt hingegen schulden wir hingegen zwar Solidarität, aber nicht dergestalt, daß wir zuihren Gunsten in einer existentiellen Notlage der hiesigen Bevölkerung lebensnotwendige Ressourcen aus der Hand geben müßten. Die Stunde der Solidarität insbesondere mit ärmeren Ländern schlägt vielmehr in dem Moment, in dem die Impfstoffknappheit in unserem eigenen Landüberwunden ist und wir gehalten sind, dann nach besten Kräften zu einer möglichst reichlichen(und für arme Länder ggf. auch stark vergünstigten oder gar unentgeltlichen) Impfstoffversorgung beizutragen. Solange im eigenen Land die Gefahr besteht, daß Menschen wegen Impfstoffmangel sterben, haben deutsche Politiker hingegen kein Recht, von der gebotenen Optimierung der inländischen Impfstoffversorgung irgendwelche Abstriche zu machen. In bezugauf einen Impfstoff, der mit Förderung durch deutsche Steuergelder im Inland entwickelt wurdeund hier demnächst auch in großen Mengen produziert wird, gilt dies umso mehr. Ausnahmenwären allenfalls für kleinere Kontingente im Zuge humanitärer Gesten akzeptabel, wenn diesesich in einem Rahmen halten, durch den die Verfügbarkeit des Impfstoffs in Europa nicht nennenswert geschmälert wird.4. Der „Shitstorm“, der der Bundesregierung von ausländischen Regierungen und Medien, internationalen Organisationen und ggf. auch aus bestimmten Richtungen im Inland unter dem(m.E. völlig deplazierten, weil es nicht darum geht, uns über andere Länder zu erheben, sondernnur um die Erhaltung lebensnotwendiger Ressourcen für die eigene Bevölkerung) Schlagwort„Impfnationalismus“ entgegenschlagen wird, kann kein ernsthaftes Hindernis sein, die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Er wird im übrigen dadurch abgemildert werden, daß sich dasExportverbot (was ich aus den oben 3. angesprochenen Gründen für notwendig und vertretbarhalte) ja nicht gegen europäische Partnerländer (einschließlich der Schweiz) richten soll. DieMaßnahme läge im Gegenteil sogar im positiven Interesse der EU, indem alle Partnerstaatendavon in gleichem Maße profitieren würde; idealerweise sollte eine entsprechende Regelung
5mit der EU-Kommission als europaweites Vorgehen vereinbart werden. Jedenfalls steht es derBundesregierung nicht zu, mit Rücksicht auf ihr (weltweites) internationales Ansehen oder auseiner sonstigen politischen Opportunität heraus tatenlos zuzusehen, wie der lebensrettendeImpfstoff von hier in ferne Weltgegenden verschickt wird, während in Deutschland weiterhinmassenhaft Menschen erkranken und sterben, weil sie nicht rechtzeitig geimpft werden können.Hier gilt aus strafrechtlicher Perspektive ganz eindeutig: Garantenpflichten gehen vor Solidaritätspflichten, und deshalb darf die Bundesregierung dort, wo es für viele Menschen im Inlandum Leben und Tod geht, deren Belange nicht nur über die Belange von Menschen in Drittstaaten stellen, sondern muß das das sogar tun. Andernfalls verhielte sie sich wie Eltern, die dasLeben ihres eigenen Kindes opfern, indem sie das lebensrettende Medikament lieber einemFremden überlassen. An deren Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts durch Unterlassen bestünde indessen nicht der geringste Zweifel!5. Was die subjektive Tatseite betrifft, so wird man angesichts der nunmehr evidenten Relevanz,die jedem Tag für die Vermeidung zusätzlicher Erkrankungs- und Todesfälle zukommt, nichternsthaft bezweifeln können, daß die Bundesregierung im Falle ihrer Untätigkeit die Konsequenzen der Verzögerung bei der Immunisierung der Bevölkerung wissentlich hinnehmenwürde. So hat Herr Spahn kürzlich in einer Talkshow ja auch – wenn auch etwas gequält –eingeräumt, daß „schnelleres Impfen Leben rettet“. Dieses Wissen würde einen Körperverletzungs- bzw. Tötungsvorsatz begründen.6. Damit sähen sich die verantwortlichen Politiker hinsichtlich der zusätzlichen Erkrankungsund Todesfälle dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223,224 Abs. 1 Nr. 5, 13 StGB) und des Totschlags durch Unterlassen (§§ 212, 13 StGB) ausgesetzt. Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang auch die Versuchsstrafbarkeit. Für einesolche würde es nämlich schon genügen, wenn die verantwortlichen Politiker mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der verfügbaren Impfstoffmenge im Bewußtsein der drohenden Folgenfür Leib und Leben von Menschen im Land unterlassen, ohne daß ein Nachweis des (die Deliktsvollendung begründenden) tatsächlichen Eintritts zusätzlicher Erkrankungs- und Todesfälle notwendig wäre. Sie könnten sich beim Unterlassen von Maßnahmen, die auf ein Exportverbot abzielen, dessen Zustandekommen sie nicht vollständig der Hand hat (bei Erforderlichkeit eines formellen Gesetzes notwendiger Beschluß des Bundestags; für ein idealerweise anzustrebendes europaweit einheitlich geltendes Exportverbot erforderliches Handeln der zuständigen EU-Gremien), insoweit auch nicht auf Unsicherheiten darüber berufen, ob die von ihr zuverlangende Initiative im Ergebnis tatsächlich Erfolg hätte.III. Zur erforderlichen Beschleunigung der Verabreichung des ImpfstoffsNun wird mancher vielleicht noch einwenden, eine in eine in drei oder vier Monaten erfolgendeBeschaffung der für eine Durchimpfung der Bevölkerung erforderlichen Impfstoffmengen lösenicht das Problem, wie die Impfungen so schnell verabreicht werden können. Diesen Einwandkann man schwerlich gelten lassen: Der gegenwärtige Aufbau der Impfzentren stellt zweifellos
6einen gewaltigen Kraftakt dar, ist aber sicherlich bei weitem noch nicht das äußerste, was möglich wäre, wenn man einer maximal beschleunigten Impfkampagne unter allen Aufgaben desStaates in den kommenden Monaten die gebotene allerhöchste Priorität einräumt. Warum beiBedarf z.B. nicht die komplette Bundeswehr mit ihrem Sanitätswesen unter Einberufung vonReservisten zur Errichtung weiterer Impfzentren abstellen, warum zur Entlastung der Ärztekeine Medizinstudenten in fortgeschrittenen Semestern mit der Durchführung von Impfberatungen in unkritischen Konstellationen betrauen und kurzfristig Impfhelfer ausbilden, die unterAufsicht intramuskuläre Injektionen verabreichen können? Soweit gegenüber solchen Vereinfachungen rechtliche Hürden bestehen, müssen sie eben ausgeräumt werden, und man sage bittenicht, das sei nicht möglich: Wenn die Politik den Bürgern zur Pandemiebekämpfung zentralegrundrechtlich geschützte Freiheiten mit einem Federstrich auf unabsehbare Zeit entziehenkonnte, dann muß das bei einer notstandsgerechten Vereinfachung formaler Regularien zurDurchführung von Impfungen erst recht möglich sein. Wie schnell man eine Bevölkerungdurchimpfen kann, wenn man nur die Prioritäten entsprechend setzt, zeigt nicht nur das BeipielIsraels. Vielmehr kann man z.B. auch den Berichten von den Seychellen (www.seychellesnewsagency.com) entnehmen, daß die tägliche (!) Corona-Impfquote nach einer kurzen Anlaufzeit auf ca. 2 % der Bevölkerung angestiegen ist. Wenn so etwas in einem kleinen Schwellenland gelingt, kann es keine Ausrede dafür geben, warum das in jedem einzelnen Landkreisin Deutschland nicht ebenfalls möglich sein sollte.Prof. Dr. Volker Erb
Prof. Dr. Volker Erb Universitätsprofessor für Strafrecht und Strafprozeßrec