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WORKSHOP 2Kurzinfo: Neue Versorgungsformen (NV)Rolf Wachendorf (Esslingen) (Dipl. Psych., Psychologischer Psychotherapeut, KinderJugendlichenpsychotherapeut in freier Praxis in Esslingen, Verhaltenstherapeut, im MEDI-Verbund, derFreien Liste. Spezialgebiet: Honorierung und neue Versorgungsformen. )Vortrag am 4. Landespsychotherapeutentag der LPK-BW, am 05.07.2008 in StuttgartA) Das übergeordnete Szenario zu Lasten der KVen (verkürzte Darstellung)Die NV sollen lt. BMG die Versorgung verbessern. Dies könnte bei den PP, KJP tatsächlich in einigenBereichen möglich sein. De facto ließ sich das frühere System nicht so weiterfinanzieren. Über denAufbau von neuen Strukturen konnten Rationierungen eingeführt werden, ohne dass die PolitikVerantwortung übernehmen musste.Alle Beteiligten an der GKV erhielten eine neue Finanzierungsstruktur (Kassen, Krankenhäuser,Apotheken, Niedergelassene etc.) und wurden damit gegeneinander in Wettbewerb gebracht. Die neuenStrukturen sollen über finanzielle Anreize (z. B. Koppelung des Risikostrukturausgleichs mit DMP,Anschubfinanzierung der IV) sowie über Pflichten (z. B. Pflicht zu 73b-Verträgen für Kassen) in Ganggebracht werden. Der Patient mit seinen Bedürfnissen steht dabei nicht im Vordergrund. Gleichzeitig sinktdurch politische Vorgaben das Honorar aus den KVen bei zunehmender Bürokratie und Haftungen. Derdadurch erzeugte Drang in die NV soll und geht zu Lasten der Einzelpraxen.Das Ziel des GMG ist: Großen Strukturen und Kooperationen soll die Zukunft gehören.Parallel führt eine Flut von Gesetzen, Verordnungen, Leitlinien dazu, dass nicht mehr die ärztlicheSelbstverwaltung (KVen, KBV), sondern die Politik über Einnahmen und Ausgaben, wie überBehandlungspfade bestimmt. Das entmachtete KV-System soll noch v. a. Kontrollfunktionen derStaatsmedizin umsetzen. Der enorme Bürokratiezuwachs hat die Ärzte, noch nicht die PP, KJP erreicht.Die PP, KJP sind im KV-System angekommen, als es gerade „abgeschafft“ wurde. Da wir für daspolitische Druckszenario unwichtiger sind, leiden die Ärzte bereits mehr als wir. Allerdings sind wir um sogefährdeter: Verlust des Erstzugangsrechts, Abhängigkeit von Überweisungen mit ärztl. Haftungsregelnanalog der Medikamentation bzw. von Kooperationen, Entstehen einer Grundversorgung (ohne PT) undZusatzversicherungen sind realistische Möglichkeiten geworden.Zusammenfassung des Großszenarios: NV werden systematisch finanziell und gesetzgeberisch gefördertParallel wurden die KVen entmachtet und auf ein Kontrollorgan reduziertNV benötigen Kooperationen, große Strukturen. Einzelpraxen. v. a. ärztliche, haben nur in großenVerbünden eine ÜberlebenschanceDeshalb deren Erfolg. Der größte Verbund, MEDI, versucht frühere KV-Funktionen zu ersetzen1

B) Das übergeordnete Szenario in Ba-Wue:Baden-Württ. ist das bundesweit wichtigste Aktionsfeld aus den Folgen der Gesundheitsreformen fürKassen und ärztliche Verbände. Hier werden bundesweite Konzepte getestet. Hier sind die jeweiligenAkteure am weitesten vorbereitet.Die hiesigen Psychotherapeuten sind als erste im Bundesgebiet von den grundsätzlichen Änderungenbetroffen. Diese haben erst begonnen. Die KVBW wurde durch die Folgen des Ausschlusses der RegionNord-Württ. aus den Strukturen der KV bundes- wie landesweit massiv geschwächt. Die sich aus denGesetzesfolgen ergebende notwendige Kooperation zwischen Vorstand und Verbänden fehlt. Die einststärkste KV ist am weitesten auf die vom Gesetzgeber erwünschten Funktionen reduziert.KV-Fragen stehen allerdings derzeit nicht im Mittelpunkt. Der AOK-MEDI Hausarztvertrag (§ 73b) wirdnach repräsentativen Umfragen ca. ¾ der Hausärzte mit ihren Leistungen dem KV-System entziehen.Somit bleibt das Geld in Ba-Wue und fließt nicht in die bundesweite Verteilung ab 2009. Es entsteht einevöllig neue Vertrags- und Abrechnungsstruktur außerhalb der KVBW.Weitere Verträge, für Fachärzte und Psychotherapeuten, werden folgen.C)Neue Versorgungsformen für PP, KJP- NV bieten ein zweites Standbein oder eine abgesicherte Alternative zum KV-System.- NV erweitern die pragmatische Existenzsicherung: Je nachdem, bei welchem Standbein sich besserewirtschaftliche Rahmenbedingungen entwickeln, kann man dieses verstärken. Angesichts des u. g.gezeigten Ausmaßes des Wegfalles der Vergütung ins KV-System ist es für die einzelne PP-, KJPPraxis sinnvoll das neue System ernst zu nehmen, um sich zeitnah zu positionieren. Zur Erinnerung:Das BSG-Urteil bezieht sich auf den Verdienst unserer Vergleichsgruppe im KV-System. Nicht zumVerdienst außerhalb!!- über NV kann die Berufsgruppe ihre Fähigkeiten erweitert einbringen. Zu möglichen Verbesserungengehört die Akutversorgung mit dem Abbau von Wartezeiten, die Gruppentherapie, der Einbezug in diechronischen Krankheiten und v. a. in die Grundversorgung, die Änderung des GutachterGenehmigungsverfahrens, angemessene Honorierung der Probatorik und v. a. fachübergreifendeZusammenarbeit mit Niedergelassenen und Schnittstellen in die stationäre Versorgung.- eine Ausweitung über die Richtlinienpsychotherapie hinaus bietet vielfältigere Arbeitsmöglichkeiten undUnabhängigkeiten2

Eine Schätzung aus KV-Hessen zeigt das Ausmaß kommender Veränderungen:Wahrscheinlich werden im Testland Ba-Wue die Veränderungen deutlicher ausfallen.3

Unteres Bild zeigt die vermutlich zukünftige Psychotherapiepraxis:Mitte: (vereinfachte Darstellung) seither wurden Gesamtverträge zwischen Kassen und jeweiligen KVenausgehandelt nach Maßgabe des Bundesmantelvertrages KBV-Spitzenverbände. Die einzelnePsychotherapeutenpraxis hatte nur mit der KV zu tun. Evtl. bei Honorarklagen, weil die innerärztlicheVerteilung nicht stimmte. Ab 2009 bundesweiter Fonds.Links: die neuen Versorgungsformen mit Verträgen zw. Kassen und Verbänden.Stationäre Schnittstellen sind möglich. Schnittstelle zu Hausarzt-Facharzt ins KV-System, wie in NVmöglich.Die Darstellung zeigt nicht alle möglichen Variationen auf. Deutlich ist das Nebeneinander zweiervoneinander relativ unabhängiger Systeme.Für Psychotherapeuten relevante NV:1. Besondere ambulante Versorgung § 73 in Ba-WueMit dieser Vertragsform können bis auf die sektorenübergreifenden Verträge (140er) alle denkbarenVertragsformen abgeschlossen werden. Sie sind für Baden-Württ. hoch attraktiv, da dieses Gelder hierbleiben und nicht in den Fonds zur bundesweiten Verteilung fließen. Am sinnvollsten docken sie an 73bVerträge (Hausarztzentrierte V.) an. Die Kassen haben das Initiativrecht.Verträge sind auf zwei Achsen möglich:a) ganze Fachbereiche, wie die gesamten Psychotherapieleistungen, die Verhaltenstherapie, alle KJPLeistungen, alle Kurzzeitleistungen4

b) einzelne Leistungen, wie - die ICD10 Diagnosen von F 32- neue Leistungen z. B. AkutversorgungÜber einen 73c kann die Richtlinienpsychotherapie ergänzt oder ersetzt werden. Ein Ergänzungsmodellist die „Akutversorgung Psychotherapie“. Es wurde in der Eigenschaft des Integrationsbeauftragten derKVNW von H. Wachendorf entwickelt und in Kassenverhandlungen eingebracht. Wartezeiten sollenreduziert werden. Verträge mit der AOK, GEK scheiterten vorerst an der Uneinigkeit derBerufsgruppenvertreter.Vorgesehen war für die neun Sitzungen Akutversorgung von der GEK folgende Honorierung:genehmigter Punktwert 20,- für erste Sitzung (102,- in NW), weitere 8 mit genehmigtem PW 10,- (92,- ).Ein erster Akutversorgungsvertrag wurde im Kinzigtal vereinbart. Das Akutversorgungsmodell wirdlandesweit, mit Variationen, von uns weiterverhandelt.2. Integrierte VersorgungEine Kooperationsversorgung, welche Leistungssektorenübergreifend (z. B. stationär-ambulant) oderfachübergreifend (z. B. Hausarzt-Psychoth.) innerhalb eines Leistungssektors ist. Einebevölkerungsbezogene flächendeckende Versorgung mit Sicherstellung soll seit 1.4.07 denKollektivvertrag substituieren. Die KV darf nicht beteiligt werden. Der Sicherstellungsauftrag liegt bei denKassen.Von bundesweit ca. 5.000 IV-Verträgen gibt es ca. 6 mit Beteiligung der PP, KJP. Hier zeigt sich eine„Pause“ der berufspolitischen Vertretung, welche sich auf Klagen im KV-System reduzierte statt auchärztliche Kooperationen zu fördern. Von diesen bundesweit 6 Verträgen sind 4 in Ba- Wueabgeschlossen: Hörsturz mit MEDI, Depression DAK mit MEDI, Depression BKK-Daimler mit MEDI,Akutversorgung AOK-Gesundheitsnetz Kinzigtal (Freie Liste). Die Freie Liste vertritt die PP, KJP in MEDI.Beispiel eines IV-Vertrages: IV-Depression mit BKK Daimler:Dieser iMarksteinedesVertragswesensfür· eine zeitnahe Versorgung,· eine Psychoedukation,· eine Erfolgsbeteiligung.Je nach Diagnoseschwere im ICD 10 erhält der Klient 6 Sitzungen (leicht) oder 12 (mittel bisschwer). Sind mehr Sitzungen (á 50 min) erforderlich, ist danach (!) eineRichtlinienpsychotherapie zu beginnen.6 Sitzungen werden mit 600,- variabler Anteil honoriert, 12 mit 1200,- variabler Anteil.Die strukturierte Psychoedukation für Patienten und Angehörige besteht aus 9 Treffen á 60 min.Honorierung 180,- /Patient.Der variable Vergütungsanteil liegt bei 150,- für leichte, 300,- für mittel bis schwereDepression, wenn der Gesamtvertrag innerhalb der angestrebten Wirtschaftlichkeitsziele liegt.Ermittelt durch Durchschnittswerte von Vergleichsregionen.Ausschreibungen werden zunehmen. Darunter wird es Verträge geben, welche für alle positive Chancenbieten (IV-Depr., Akutversorgung) und welche, die Nachteile für Nicht-Beteiligte bieten, weil sie von derVersorgung ausgeschlossen werden (z. B. MVZ in Kassel).3. Disease Management Programme (DMP)DMP formulieren für chronische Krankheiten medizinische Qualität und Prozessqualität. Sie sind an dieFinanzierungsebene der Kassen gekoppelt. Je mehr Patienten sich einschreiben, je mehr Geld bekommtdie Kasse über den Risikostrukturausgleich. Dadurch hatten die Ärzte über den Boykott einenerfolgreichen Hebel für bessere Honorarverhandlungen. Siehe AOK-Vertrag.5

DMP sind für Psychotherapeuten wichtig, um in der Grundversorgung anzukommen. Auch umHonorarhebel zu erhalten. In Nord-Württ. gelang uns der Einbezug der Psychotherapeuten in alle dortigenDMP-Orientierungshilfen. Dies wurde bundesweit aufgegriffen. Dieser Wunsch der Ärzte auftherapeutische Selbstbestimmung wurde von der Politik nicht aufgegriffen und ein bürokratischesMachwerk geschaffen, welches den DMP-Boykott förderte. Derzeit ist nicht absehbar wie die Entwicklungmit den Psychotherapeuten und den DMP weitergeht. Über die Akutversorgung versuchen wir eineAbrechnungsbasis zu etablieren.4. Medizinische Versorgungszentren MVZDiese bieten für Niedergelassene im Vergleich zu fachübergreifenden Gemeinschaftspraxen wenigVorteile. Von einem gezielten Verkauf des Praxissitzes abgesehen. In erster Linie können damitKrankenhäuser ambulante Leistungen abrechnen.Ärzteverbünde versuchen erfolgreich MVZ zu verhindern, es sei denn, es werden Friedensgrenzenvereinbart. D.h.: Nicht auf Kosten der Niedergelassenen. Derzeit gibt es 60 MVZ in Ba-Wue. Davon sind 9mit Psych. besetzt, v. a. mit ärztl. Pt. Bedeutung für Psychotherapeuten könnte die Tendenz derambulanten Psychiatrie werden, in welcher PP, KJP als Angestellte arbeiten sollen.5. TeilgemeinschaftspraxenDies sind Kooperations-Überweisungsstrukturen mit Mitbeteiligung an den Leistungen der Partner. Derzeitsinnvoll für Igel-Privatleistungen, später für GKV vorgesehen. Die Kooperation bietet eine koordinierteBehandlung und eine Erweiterung des eigenen Praxisangebotes auf die Leistungen der Partner.Psychotherapeuten können so z.B. Eheberatung, alltagsorientierte Reha, Führerscheinwiedererlangungetc. anbieten oder die fachübergreifende Mitbehandlung von Klienten.Wie funktioniert es?: Behandler gründen eine Partnergesellschaft. Ein gemeinsamer Leistungskatalogwird festgelegt. Bei Bedarf wird die Leistung dem Patienten angeboten. Die Honorierung der Behandlerübernimmt die PVS. Aufteilung nach Vereinbarung z. B. 90/10. Steuerrechtliche Abklärung gemeinsam.Die Lage der Psychotherapeuten in NV und KVBWTheoretisch könnte die KVBW in 73er Verträge als Vertragspartner einbezogen werden. Es gibt dazujedoch drei Gründe die lebenspraktisch dagegen sprechen:1. Maßgebliche Vertreter der PP, KJP hatten darauf verzichtet, in den oberen Strukturen der KVBWpräsent zu sein. Die Dankbarkeit ist begrenzt. Der Einfluss schwindet.2. Der Honorarabfluss in den Fonds kann nur mit Verträgen ohne KV verhindert werden. Möglich wäreallerdings eine Beteiligung in der Abrechnung oder andere Konstruktionen.3. Nach der Blockade eines Akutversorgungsvertrages durch die Uneinigkeit der Berufsgruppenvertreterhaben letztere die Option mit KV-Verträgen entsorgt. Die Vertreterversammlung der KVBW untersagtespäter dem Vorstand ein Engagement zu 73er- Verträgen. De facto hat die Berufsgruppe nicht nurzusätzliches Honorar und eine Versorgungsverbesserung versäumt. Vorausschauend (?) haben einigeAkteure die Berufsgruppe in eine Position gebracht, Verträge ausschließlich außerhalb der KVBWetablieren zu können. Eine Gesprächsbereitschaft scheint sich nun zu entwickeln. Verträge zu den NVbenötigen fachgruppenübergreifende Kooperationen. Für die psych. Verbände ist der Zugang zu MEDIund ärztlichen Verbänden über uns möglich und wurde angeboten.Es besteht in der Versorgungslandschaft eine Dynamik in welcher es unklug für die Berufsgruppe wäre,gespalten aufzutreten.Mit freundlichen GrüßenRolf Wachendorf6

Versorgung ausgeschlossen werden (z. B. MVZ in Kassel). 3. Disease Management Programme (DMP) DMP formulieren für chronische Krankheiten medizinische Qualität und Prozessqualität. Sie sind an die Finanzierungsebene der Kassen gekoppelt. Je mehr Patienten sich einschreiben, je mehr