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18 201265. Jg., 38.–39. KW, 28. September 2012ifo SchnelldienstZur Diskussion gestelltCharles B. Blankart, Hans Bernhard Beus, Manfred Gärtner,Norbert Walter-Borjans Kann das Steuerabkommen zwischen Deutschland undder Schweiz zu größerer Steuergerechtigkeit führen?ForschungsergebnisseMarkus Fischer, Christa Hainz, Jörg Rocholl undSascha Steffen Auswirkungen des Wegfalls staatlicher Garantien auf dieRisikoübernahme von BankenDaten und PrognosenAndreas Gontermann Die deutsche Elektroindustrie im globalen VergleichJohanna Plenk und Klaus Wohlrabe Zehn Jahre Hartz-Reformen aus UnternehmenssichtJohann Wackerbauer Die Umweltwirtschaft in DeutschlandIm BlickpunktErich Gluch ifo Architektenumfrage:Weitere Planungen für MehrfamiliengebäudeKlaus Wohlrabe ifo Konjunkturtest September 2012InstitutLeibniz-Institut für Wirtschaftsforschungan der Universität München e.V.
ifo SchnelldienstISSN 0018-974 XHerausgeber: ifo Institut, Poschingerstraße 5, 81679 München, Postfach 86 04 60, 81631 München,Telefon (089) 92 24-0, Telefax (089) 98 53 69, E-Mail: [email protected]: Dr. Marga Jennewein.Redaktionskomitee: Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Werner Sinn, Dr. Christa Hainz, Annette Marquardt, Dr. Chang Woon Nam.Vertrieb: ifo Institut.Erscheinungsweise: zweimal monatlich.Bezugspreis jährlich:Institutionen EUR 225,–Einzelpersonen EUR 96,–Studenten EUR 48,–Preis des Einzelheftes: EUR 10,–jeweils zuzüglich Versandkosten.Layout: Pro Design.Satz: ifo Institut.Druck: Majer & Finckh, Stockdorf.Nachdruck und sonstige Verbreitung (auch auszugsweise):nur mit Quellenangabe und gegen Einsendung eines Belegexemplars.
ifo Schnelldienst 18/2012Zur Diskussion gestelltKann das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweizzu größerer Steuergerechtigkeit führen?3Begünstigt das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und derSchweiz Steuerhinterzieher und sollte besser nachverhandelt werden? Oder führtdas Abkommen zu größerer Steuergerechtigkeit? Charles B. Blankart, HumboldtUniversität zu Berlin und Universität Luzern, zeigt die beiden Prinzipien der Besteuerung auf, einmal das Wohnsitzprinzip, das in Deutschland gilt, und zum anderen das Territorialprinzip, das teilweise in der Schweiz gilt. Anhand der historischen Entwicklung der Besteuerung verdeutlicht er, dass keine Überlegungen zurGerechtigkeit, sondern fiskalische Gründe dem Wohnortprinzip zum Durchbruchverhalfen. Von einer höheren ethischen Weihe des Wohnortsprinzips könne nichtdie Rede sein. Nach Ansicht von Hans Bernhard Beus, Bundesministerium der Finanzen, führt das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz zugrößerer Steuergerechtigkeit, da dadurch deutsche Steueransprüche durchgesetzt werden können. Manfred Gärtner, Universität St. Gallen, ist skeptisch. Fürihn wirft das Steuerabkommen hauptsächlich viele Fragen »bezüglich der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft« auf. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, findet das Deutsch-Schweizer-Abkommen für den Steuerzahler ungerecht und für deutsche Steuerhinterzieher undSchweizer Banken profitabel.ForschungsergebnisseWie wirkt sich der Wegfall staatlicher Garantien auf dieRisikoübernahme von Banken aus?Markus Fischer, Christa Hainz, Jörg Rocholl und Sascha Steffen17Staaten gewähren Banken oft Garantien, um den Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern. Diese Garantien müssen aber sobald wie möglich wiederzurückgenommen werden. Zuvor sollten jedoch die möglichen Auswirkungen derAbschaffung einer Garantie untersucht werden. Die so gewonnenen Erkenntnisseerlauben es den Staaten, wenn nötig, flankierende Maßnahmen zu ergreifen. DerBeitrag untersucht deshalb, wie sich die Abschaffung der Gewährträgerhaftungim Jahr 2001 auf die Risikoübernahme im Kreditgeschäft von Landesbanken ausgewirkt hat.Daten und PrognosenDie deutsche Elektroindustrie im globalen VergleichAndreas Gontermann22Mit einem globalen Produktions- bzw. Marktvolumen von mehr als 3,4 Bill. Euro istdie Elektrobranche mit der größte Industriezweig weltweit. China, Japan, die USA,Südkorea und Deutschland sind die fünf größten Produzentenländer. Trotz desbeispiellosen Aufstiegs Chinas im vergangenen Jahrzehnt hat die deutsche Elektroindustrie ihre Position auf den internationalen Märkten zwischen 2000 und2011 ausbauen können. Andreas Gontermann, Chefvolkswirt und Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, Konjunktur und Märkte dem ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V., gibt hier einen Überblick über die Elektroproduktion und den Weltmarkt für elektrotechnische und elektronische Erzeugnisse. Dieser dürfte seiner Meinung nach 2012 um 5% und 2013 um 6% wachsen.Der deutsche Elektromarkt dürfte 2012 mit einem Volumen von 116 Mrd. Eurostagnieren. 2013 sollte er wieder um 3% wachsen.
Zehn Jahre Hartz-Reformen aus UnternehmenssichtJohanna Plenk und Klaus Wohlrabe27Im August dieses Jahres führte das ifo Institut im Auftrag der WirtschaftsWoche eine Umfrage unter mehr als 600 Managern aus den Wirtschaftsbereichen Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen durch über den Einsatz der mit den HartzReformen neu eingeführten Arbeitsmarktinstrumente bei den befragten Firmen.Darüber hinaus wurde die aktuelle Personalpolitik, auch vor dem Hintergrund dernachlassenden Konjunkturdynamik in Deutschland, beleuchtet. Die Umfrage zeigte, dass die Unternehmen die neugestalteten Instrumente mehrheitlich nutzen.Diese Flexibilität wird auch in der aktuellen konjunkturellen Situation mit nachlassender Dynamik deutlich, da die Entlassung der Stammbelegschaft erst weit hinten im Maßnahmenkatalog steht.Die Umweltwirtschaft in DeutschlandJohann Wackerbauer30Das ifo Institut führt im Auftrag des Umweltbundesamts ein Forschungsprojektüber die Lage und Entwicklung der Umweltwirtschaft in Deutschland durch. Einwesentlicher Bestandteil dieses Forschungsprojekts ist eine schriftliche Umfrageunter den Unternehmen der Umweltwirtschaft, mit der neben der Entwicklung vonBeschäftigtenzahlen und Umsatz auch qualitative Informationen, wie z.B. die Einschätzung der Wettbewerbssituation, erfasst werden sollen. Die Umfrageergebnisse zeigen das Bild einer jungen, vor allem von Dienstleistungsunternehmen geprägten Branche, die ihre Schwerpunkte gerade in jenen Bereichen aufweist, diein Zusammenhang mit der Energiewende und der Ressourcenschonung stehen,also mit wichtigen Zukunftsaufgaben.Im Blickpunktifo Architektenumfrage: Planungen für Mehrfamiliengebäudegewinnen weiter an BedeutungErich Gluch35Nach den Umfrageergebnissen des ifo Instituts bei den freischaffenden Architekten hat sich das Geschäftsklima zu Beginn des dritten Quartals 2012 leicht eingetrübt. Es ist jedoch weiterhin freundlich. Die befragten Architekten schätzten ihreaktuelle Geschäftslage nicht mehr so hervorragend wie noch im Vorquartal ein.Und auch bezüglich der Einschätzung ihrer Geschäftsaussichten sind sie befragten Architekten skeptischer geworden.ifo Konjunkturtest September 2012 in KürzeKlaus Wohlrabe37Der ifo Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft Deutschlands gab imSeptember erneut nach. Dies ist bereits der fünfte Rückgang in Folge. Die befragten Unternehmen sind mit ihrer aktuellen Geschäftslage abermals weniger zufrieden. Darüber hinaus blicken sie pessimistischer in die Zukunft. Die bremsendenEinflüsse auf die Konjunktur dominieren weiterhin.
Kann das Steuerabkommen zwischen Deutschland undder Schweiz zu größerer Steuergerechtigkeit führen?3Begünstigt das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz Steuerhinterzieher und sollte besser nachverhandelt werden? Oder führt das Abkommen zu größerer Steuergerechtigkeit?Der SteuerstreitDeutschland – Schweizaus ökonomischer Sichtlich. Unter dem Territorialprinzip gibt eskeine ungerechtfertigten Steuerparadiese, die eigens dazu da sind, Steuerschlupflöcher zu gewähren.Die klugen und die törichtenJungfrauenSeine große Zeit hat das Territorialprinzip in Kontinentaleuropa unter der napoleonischen Herrschaft, als die klassischen »quatre vieilles« eingeführt werden: die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, die Mietsteuer und die Tür- und Fenstersteuer. Wie erkenntlich gehorchen diese vier Steuern dem Territorialprinzip.1Die Tür- und Fenstersteuer ist in Frankreich noch bis zum Ersten Weltkrieg eine gängige Steuer, ehe sie allmählichdurch die jüngere Einkommensteuer ersetzt wird.Eines ist klar: Wer in Deutschland seinenWohnsitz hat, ist mit seinem ganzen inund ausländischen Kapitaleinkommen inDeutschland einkommensteuerpflichtig.Es gilt das Wohnsitzprinzip. So steht esim Gesetz, dem obersten Kriterium in einem Rechtsstaat. Da gibt es nichts zu entscheiden. Doch warum steht es im Gesetz? Das Einkommensteuergesetz istkein Naturgesetz, sondern es wurde erstmals 1920 beschlossen. Also gab odergibt es doch etwas zu entscheiden? Wiealso verhalten sich Entscheidungsträger,wenn sie die Steuerpflicht festlegen? Diese Frage lässt sich nicht mit der Steuerrechtslehre, sondern nur mit der politischen Ökonomik beantworten.Mit dem Einkommensteuergesetz von1920 entscheidet sich der Reichstag fürdas Wohnsitzprinzip. Erst mit diesem Gesetz macht sich ein in Deutschland wohnhafter Kapitaleinkommensempfängerstrafbar, wenn er sein in Sachsen erzieltes Kapitaleinkommen dem Finanzamt inPreußen verheimlicht. Unter dem früheren Kaiserreich hat sich der Gesetzgeberanders entschieden. Sachsen und Preußen haben je ihre eigene Einkommensteuer. Es gilt nicht das Wohnort-, sonderndas Territorialprinzip der Besteuerung. Jeder der beiden Staaten partizipiert überSteuern an den in seinem Territorium liegenden Wertschöpfungsquellen – der eine etwas mehr, der andere etwas weniger. Im Steuerwettbewerb der Staatenentsteht ein Gleichgewicht unterschiedlicher Steuerbelastungen, das seinerseitsdie unterschiedlichen Wertschätzungennach öffentlichen Gütern der Infrastrukturwiderspiegelt. Territorialprinzip und Steuerwettbewerb sind miteinander verträg-Charles B. Blankart*Die Einkommensteuer steht aber nichtper se dem Territorialprinzip entgegen.Dies zeigen die ersten Einkommensteuern in Preußen und Sachsen. Allerdingsbegünstigt die damals vom Finanzwissenschaftler Bernhard Fuisting (1907) gebrandmarkte Neigung der preußischenBürokratie, dem Fiskus möglichst vielEinnahmen zu verschaffen, die Gefahr,die Steuerpflichtigen sowohl an der Quelle wie am Wohnsitz zu belasten. Um solchen Auswüchsen einen Riegel vorzuschieben, vereinbaren die Staaten Preußen und Sachsen schon im Jahr 1869im weltweit ersten Doppelbesteuerungsabkommen das sogenannte Freistellungsprinzip.2 Alle Erträge des örtlichenKapitals werden der Standortgebietskörperschaft zum Zweck der Besteuerungzugeordnet. Der preußische Steuerpflichtige muss in Preußen seine Einkünfte* Prof. Dr. Charles B. Blankart lehrt an der HumboldtUniversität zu Berlin und an der Universität Luzern.1 Zu Napoleons Zeiten waren diese vier Steuerndurchaus nicht »alt« (vieilles), sondern modern, weilsie an jedem Individuum unabhängig von dessenStand ansetzten. Hundert Jahre später setzte sichwie oben beschrieben die Einkommensteuer nachdem Wohnort- und Welteinkommensprinzip durch.Aus der Sicht dieser neuen Steuer waren die vieranderen Steuern eben »les quatre vieilles«.2 Homburg schreibt entsprechend von der »Freistellungsmethode« (vgl. Homburg 2010, § 52, 276).ifo Schnelldienst 18/2012 – 65. Jahrgang
4Zur Diskussion gestelltpreußischer Herkunft und in Sachsen seine Einkünfte sächsischer Herkunft versteuern. Gleichzeitig sind sächsischeEinkünfte in Preußen steuerbefreit. Und gleiches gilt füreinen sächsischen Steuerpflichtigen. Der Grund für dieseterritoriale Zuordnung kann, wie erwähnt, darin gesehenwerden, dass jedes Land in der Lage sein soll, die Infrastrukturkosten, die durch Investitionen in dem jeweiligenLand entstehen, zu finanzieren. Das Territorialprinzip entspricht daher in etwa der Besteuerung nach dem Äquivalenzprinzip.Warum aber belässt es die Weimarer Republik im Einkommensteuergesetz von 1920 ff. nicht beim Territorialprinzip? Eine reichseinheitliche Einkommensteuer hätte ebenso wenig wie die früheren Einkommensteuern von Preußen bzw. Sachsen eine Besteuerung nach dem Territorialprinzip (vor Ort) verunmöglicht. In der Fachliteratur findet sich hierzu wenig. Aus ökonomischer Sicht liegt dieErklärung jedoch auf der Hand. Durch die Zusammenfassung aller Einkommen eines Individuums aus allenReichsländern an einem Ort, dem Wohnort, entsteht beiprogressivem Tarif für den Steuerpflichtigen eine höhereSteuerlast als bei dezentraler Besteuerung. Zwei Ländererzielen ceteris paribus mehr Steuern, wenn jedes von ihnen dem Kartell des Wohnsitzprinzips beitritt. Es sind also nicht die höhere Gerechtigkeit (was die auch immersei), sondern die fiskalischen Gründe, die dem Wohnortprinzip zum Durchbruch verhelfen. Von einer höheren ethischen Weihe des Wohnortsprinzips kann nicht die Redesein.Interessanterweise geschieht das, was sich im Reich 1920vollzieht, mit zwei Jahren Vorlauf auf internationaler Ebene zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten.Im Jahr 1918 gehen diese beiden Staaten dazu über, dieKapitaleinkommen nicht mehr vor Ort zu belasten, sondern sie individuell zusammenzuzählen und beim Steuerpflichtigen an dessen Wohnort nach der sogenanntenAnrechnungsmethode anzulasten (zur Anrechnungsmethode vgl. Homburg 2010, § 52). Das Territorialprinzipwird durch das Wohnortsprinzip verdrängt. Der Fiskuskann sich jetzt jedes Individuum herauspicken und eswie ein preisdiskriminierender Monopolist einzeln nachdem progressiven Tarif belasten und so die Steuerkraftsehr viel konsequenter ausschöpfen als unter dem bisherigen Territorialprinzip. Was sich aus ökonomischer Sichtals Steuerdiskriminierung darstellt, erscheint aus ethischerSicht als besonders gerecht; denn es wird ja jedes Individuum einzeln nach dem beliebig dehnbaren Leistungsfähigkeitsprinzip belastet, vorausgesetzt der Gesetzgeber, der dies beschließt, stellt die maßgebende ethischeAutorität dar.Ich bezeichne die Staaten, die zum Wohnortsprinzip übergehen, A-Staaten, diejenigen die beim Territorialprinzip verifo Schnelldienst 18/2012 – 65. Jahrgangbleiben, als B-Staaten. Die A-Staaten bauen darauf, dassdie Steuerpflichtigen immobil sind, was anfänglich auchzutrifft. Unabhängig davon gilt es aber festzuhalten, dassdie A-Staaten durch den Übergang zum Wohnortprinzipden Status quo einseitig verlassen und es infolgedessenihr Problem wird, wenn ihnen die anderen Staaten nichtoder nur teilweise folgen. Denn im internationalen Rechtist kein Staat gezwungen, das Recht eines anderen Staates zu übernehmen.Für diese anderen Staaten – die B-Staaten – ist es sogarbesonders attraktiv, dem Kartell der A-Staaten fernzubleiben und – bei allmählicher zunehmender Kapitalmobilität– Kapital an sich zu ziehen. Einige Staaten, darunter auchdie Schweiz, verbleiben nicht gänzlich, aber doch teilweise beim Territorialprinzip. Sie besteuern Arbeit nach demWohnortprinzip und Kapital durch eine Verrechnungsteuer vor Ort, d.h. dort wo dieses die lokale Infrastruktur inAnspruch nimmt, und verzichteten für ausländisches Finanzkapital, das rivalisierender Infrastruktur nicht bedarf,konsequenterweise auf eine solche Steuer.3 Es ist offensichtlich, dass dieses System für die B-Staaten besondersattraktiv ist. Es begünstigt die Entwicklung des lokalen Finanzdienstleistungsgewerbes und fördert das Wirtschaftswachstum, das seinerseits Steuern generiert. Diese Marktlücke der Besteuerung fällt den B-Staaten als Folge desVerhaltens der A-Staaten quasi in den Schoß. Weshalbsollten sich die B-Staaten darum scheren, dass es A-Staaten gibt, die vom Territorialprinzip abweichen und für sichdas Wohnsitzprinzip praktizieren und das Kapital in stärkerem Maße belasteten als sie selbst? Ist es da nicht sogar die Pflicht der B-Staaten, die heimische Rechtsordnung durchzusetzen und das bei ihnen geparkte Finanzkapital vor dem Zugriff ausländischer Fisken zu schützen?Und ist dieser Schutz nicht umso mehr angesagt, als ausDeutschland entsandte Fahnder jüdisches Eigentum in derSchweiz aufzuspüren beginnen? Die A-Staaten haben sichalso durch ihr Wohnortprinzip ein Eigentor geleistet. Siesetzen über das Wohnortprinzip höhere Steuern auf Kapital durch und sind erstaunt, dass dieses an Orte wandert,wo es weniger belastet ist.Mit den A- und den B-Staaten verhält es sich wie mit denklugen und den törichten Jungfrauen (Matth. 25, 1–13).Die törichten Jungfrauen gehen mit ihren Ressourcen anÖl unbedacht um und wundern sich dann, dass diese erschöpft sind, wenn das Hochzeitsmahl beginnt. »Als nunder Bräutigam kam, standen die Jungfrauen alle aufund machten ihre Lampen zurecht. . Die Jungfrauen,die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal unddie Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er3Ob am ausländischen Standort tatsächlich eine Steuer erhoben wordenist und in welcher Höhe, ist für den Depotstaat unerheblich.
Zur Diskussion gestelltaber antwortete ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.«Wie Vertrauenskapital zerstört wirdSo schnell wie im Gleichnis werden die Türen nicht geschlossen. Vielmehr bleibt den Verlierern Zeit, durch Drohungenpolitischen Druck auf die Gewinner auszuüben und diesedazu zu bewegen, ihre erwirtschafteten Ressourcen herauszurücken. So kam es auch im Steuerstreit zwischen Deutschland und der Schweiz. Einige markante politische Drohspiele seien in Erinnerung gerufen:Am 7. März 2009 veröffentlicht die OECD (jenseits ihrer Kompetenzen) »graue« und »schwarze Listen« von Mitgliedstaaten, die wegen ihrer Besteuerungsgesetze der so genannten »unfairen Steuerkonkurrenz« bezichtigt werden. Am14. März 2009 droht der deutsche Finanzminister Steinbrückdie Kavallerie von Yuma gegen die Schweizer Indianer ausreiten zu lassen (offenbar unwissend, dass diese Kavallerieam Little Bighorn 25. Juni 1876 von den Indianern vernichtend geschlagen worden ist). Am 21. März 2009 sagt SPDChef Franz Müntefering über die Schweiz: »Früher hätte manda Soldaten hingeschickt.« Am 6. Dezember 2009 drohtFrankreich der Schweiz, die Staatlichkeit zu entziehen undsie zu einer nicht kooperativen Verwaltungseinheit, einem»territoire non-coopératif« herunterzustufen (AFP). Am12. August 2012 wirft SPD-Chef Gabriel der Schweiz »organisierte Kriminalität« vor, während die Schweizer Presseden Behörden in Nordrhein-Westfalen ihrerseits organisierte Kriminalität beim Kauf von Steuer-CDs vorwirft.Drohungen wie diese sind hervorragend dazu geeignet, bestehendes Vertrauenskapital zu zerstören. Offenbar sindmanche Politiker der Meinung, Vertrauen sei ein Konsumgut, das von selbst nachwächst. Das ist aber nicht so. Wokein Vertrauen herrscht, muss in Wirtschaft und Politik Zugum Zug gehandelt werden. Besteht jedoch Vertrauen, sokann eine Partei in Vorleistung gehen, ohne Gefahr zu laufen, von ihrem Partner ausgebeutet zu werden. Es lässtsich rascher und besser vorankommen. Hierfür muss Vertrauen als Kapitalgut aber erst aufgebaut werden. Das istein langwieriger Prozess. So sind die deutsch-schweizerischen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg auf einen Tiefpunktgesunken. Danach braucht es viele Jahre, um das Vertrauen wieder herzustellen. Wenig bekannt ist, dass die Schweizin dieser Situation gegenüber Deutschland den ersten Schritttut und sich im Jahr 1946, als es einen deutschen Staat nochgar nicht gibt, treuhänderisch für die Erhaltung der deutschen Vermögen in der Schweiz einsetzt, um diese vor demZugriff der alliierten Siegermächte zu schützen. Das ist derAnfang. Dann folgt wechselweise eine Verbesserung nachder andern, bis das Vertrauen durch den aktuellen Steuerstreit einen herben Rückschlag erleidet.Das deutsch-schweizerische SteuerabkommenDeutschland hat durch solche Drohungen die Schweiz zuVerhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen gezwungen. Im Ergebnis hat die Schweiz zugesagt, in der Schweiz liegendes deutsches Kapitaleinkommen durch eine Abgeltungsteuer genauso zu belasten, wiedeutsches Kapitaleinkommen in Deutschland von deutschen Behörden besteuert wird, ferner auf AltbeständePauschalbesteuerung vorzunehmen, die der deutschen Besteuerung gleichkommt. Konkret gesagt: Schweizer Finanzinstitute buchen von den Konten und Depots ihrer Kunden entsprechende Beträge ab und überweisen sie an diedeutschen Steuerbehörden. Reicht der vorhandene Betragauf einem Konto nicht aus, so wird den deutschen Behörden Meldung erstattet. Die Kunden sind bereits dahingehend informiert worden. Die Schweizer Banken gehen gegenüber ihren Kunden mit der genau gleichen Härte vorwie die deutschen Finanzämter gegenüber ihren deutschenSteuerzahlern.Als widersinnig wird vielfach betrachtet, dass ausländischeStellen dazu herangezogen werden, deutsche Steuern einzuziehen. In der Finanzwissenschaft wird diese Form desSteuereinzugs als »Steuerpacht« bezeichnet. Danach vergibt der berechtigte Staat den Steuereinzug an professionelle Steuereintreiber, sogenannte Steuerpächter. Oft wirddie Dienstleistung der Steuereintreibung auch an den Meistbietenden versteigert. Das sagt gleichzeitig, dass Steuereintreibung nicht unentgeltlich sein kann. Gebräuchlich ist dieSteuerpacht im Römischen Reich, im Ottomanischen Reichund im Alten Deutschen Reich bis 1803. Mit dem Fortschrittdes Rechtsstaates ist die Steuerpacht weitgehend abgeschafft worden.In der EU lebt die Steuerpacht wieder auf, indem die Mitgliedstaaten die der EU zustehenden Zölle an der EU-Außengrenze eintreiben und den Ertrag abzüglich 25% Erhebungskosten an den EU-Haushalt überweisen. Auf dieseWeise werden die Kosten der staatlichen Eintreibung nichtauf einzelne, sondern auf die Allgemeinheit umgelegt. Dasist auch richtig, weil Steuereinnahmen dem Nicht-Affektationsprinzip zufolge zur Finanzierung von grundsätzlich allen Staatsausgaben dienen, also auch ihre Erhebungskosten nicht einzeln angelastet werden sollen.Die im deutsch-schweizerischen Steuerabkommen vorgenommene Eintreibung deutscher Steuern durch schweizerische Finanzinstitute kann als neue Form der alten Steuerpacht verstanden werden. Allerdings hat sich die Schweizverpflichtet, Steuern für Deutschland unentgeltlich, also ohne den der EU üblichen 25%-igen Abzug vorzunehmen.Die tatsächlich entstehenden Kosten werden den Kontoinhabern über höhere Gebühren in Rechnung gestellt. Weil einKunde einer Bank in Deutschland entsprechende Lastenifo Schnelldienst 18/2012 – 65. Jahrgang5
6Zur Diskussion gestelltnicht tragen muss, findet hier eine erhebliche Verzerrung desKapitalverkehrs statt, die den Grundsätzen des freien Binnenmarkts (deretwegen das Steuerabkommen geschlossenwird) widerspricht.Ein neues Abkommen?Bekanntlich ist das Steuerabkommen für die SPD-regierten Länder unakzeptabel. Jahrelange Steuerhinterzieherkönnten anonym bleiben, und der Großteil der Fälle werdenicht mit dem Höchststeuersatz von 41% des Kapitals, sondern nur mit dem Mindeststeuersatz von 21% belastet. Derdeutsche Fiskus habe keine Kontrollmöglichkeiten. Auchkönne Schwarzgeld bis zum Inkrafttreten des Abkommensbeiseitegeschafft werden, und es gebe zu viele Schlupflöcher. Offenbar erwartet die SPD, dass ein neu ausgehandeltes Abkommen auf dem Erreichten aufbauen und alleihre Kritikpunkte zusätzlich berücksichtigen wird. Dass siehierfür einen Verhandlungspartner braucht, der »ja« sagt,wird offenbar nicht in Rechnung gestellt. Doch von Seitender Schweiz erklärte Bundespräsidentin Eveline WidmerSchlumpf am 20. August 2012: »Es gibt keine Nachverhandlungen.« Im Falle einer Ablehnung des Abkommens durchden deutschen Bundesrat werde man beim Status quo bleiben. »Damit müssten wir dann leben.«LiteraturFuisting, B. (1907), Die Preußischen direkten Steuern, I. Bd.: Kommentar zumEinkommensteuergesetz in der Fassung vom 19. Juni 1906, 7. Aufl., Berlin.Hans Bernhard Beus*Deutsch-schweizerischesSteuerabkommenKann das Steuerabkommen zwischen Deutschland und derSchweiz zu größerer Steuergerechtigkeit führen? Diese Frage ist uneingeschränkt mit ja zu beantworten. Gerne möchte ich dies nachfolgend begründen:Wohl kein Steuerabkommen, das Deutschland je geschlossen hat, ist politisch so heftig umstritten, wie das deutschschweizerische Steuerabkommen.Kern der Kritik an diesem Steuerabkommen ist der Vorwurf, dass es gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerungverstoße, weil es in Deutschland ansässige Steuerpflichtigebegünstige, die ihren deutschen steuerlichen Pflichten hinsichtlich ihrer Vermögensanlagen in der Schweiz in der Vergangenheit nicht nachgekommen sind.Homburg, S. (2010), Allgemeine Steuerlehre, 6. Aufl., Vahlen, München.Diese Kritik ist verfehlt.Zu betrachten ist dazu erst einmal der Status quo im steuerlichen Verhältnis zur Schweiz. Jahrzehnte war dieses Verhältnis dadurch geprägt, dass nur in engen Fallkonstellationen – und zwar beim Steuerbetrug aufgrund eines seit 1959bestehenden Rechtshilfeabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz – Rechtshilfe von der Schweiz geleistet wurde. Diese wurde nur äußerst selten erfolgreichpraktiziert.Jahrzehntelang nahm kaum jemand Anstoß an dieser Situation. Steuerhinterziehung galt als Kavaliersdelikt. Erst seitMitte der 1990er Jahre, einhergehend mit der stärkerenDurchsetzung von Steueransprüchen im Inland, wurde mehrund mehr die Nichtdurchsetzung von Steueransprüchenim Ausland als Ärgernis empfunden.Die tatsächliche Durchsetzung von Steueransprüchen imBlick zu haben, wurde auch von der Rechtsprechung des* Dr. Hans Bernhard Beus ist Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.ifo Schnelldienst 18/2012 – 65. Jahrgang
Zur Diskussion gestelltBundesverfassungsgerichts unterstrichen; zuletzt z.B. imHinblick auf die Besteuerung von Kapitaleinkünften und Gewinnen aus Wertpapiergeschäften. Insbesondere stellte dasGericht in seiner Entscheidung zum Kontenabruf fest, dasses auf die Herstellung der Gleichmäßigkeit im Belastungserfolg ankomme.eransprüche in diesem Land zu verzichten und damit letztendlich zu kapitulieren.Die Politik der Bundesregierung ist seither von diesem Auftrag geprägt.Vor diesem Hintergrund ist das deutsch-schweizerischeSteuerabkommen zu sehen.Im Inland wurde durch verschiedene rechtliche Maßnahmen,wie z.B. die Einführung des Kontenabrufs und der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, deren Durchführung der Kontrolle verschiedener staatlicher Stellen unterliegt, das vomBundesverfassungsgericht festgestellte Vollzugsdefizit in diesem Bereich beseitigt.Der Ausgangspunkt der Verhandlungen mit der Schweiz wareine für Deutschland und die Schweiz unbefriedigende Situation. Deutschland sah tatsächlich und rechtlich kaumMöglichkeiten, seine berechtigten Steueransprüche gegenüber deutschen Steuerpflichtigen mit Vermögensanlagenin der Schweiz durchzusetzen.Vollzugsdefizite bei steuerlichen Sachverhalten im Auslandsind deutlich schwieriger zu beseitigen. Diesem Umstandträgt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, die diese Vollzugsdefizite dem nationalen Gesetzgeber nicht zurechnet. Gleichwohl bleibt es Zielder Bundesregierung, die tatsächliche Durchsetzung deutscher Besteuerungsansprüche – soweit es eben möglich ist– auch im Ausland zu gewährleisten.Zur Durchsetzung seiner Besteuerungsansprüche hatDeutschland deshalb vereinzelt zu der ungewöhnlichen Maßnahme gegriffen, steuererhebliche Daten, die angebotenwurden, zu erwerben. Die Schweiz sah darin von Anfangan eine Missachtung ihrer Rechtsordnung durch deutscheBehörden. Macht man sich mit dem schweizerischen Rechtvertraut, ist dieser Eindruck nicht unberechtigt.Dazu müssen zunächst die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden. Dies kann nur auf der Basis völkerrechtlicherVerträge – bilateraler oder multilateraler Art – geschehen.Hinzukommen muss die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Verträge. Der hier zu beschreitendeWeg ist mühsam, da mit einer Vielzahl von Verhandlungspartnern, die jeweils eigene Interessen und damit unterschiedliche Verhandlungsziele verfolgen, eine Einigung erzielt werden muss.Die Bundesregierung hat dabei schon wesentliche Erfolgeerzielt. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang nichtnur auf die zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen mitAuskunftsklauseln – möglichst in Anlehnung an den aktuellen OECD-Standard –, sondern auch auf viele TIEAs (TaxInformation Exchange Agreements), insbesondere mit densog. Steueroasen.Da es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf eine bestimmte Art der Durchsetzung derdeutschen Steueransprüche ankommt, sondern darauf, dasssie tatsächlich durchgesetzt werden, kann die Bundesregierung es nicht dabei bewenden lassen, nur mit Staaten zuverhandeln, die Steueransprüche nur auf eine bestimmte Artdurchsetzen wollen, und zwar in der Form eines automatischen Informationsaustauschs. Das Argument, ein Staatweigere sich, dieser Art der Durchsetzung von deutschenSteueransprüchen zu entsprechen, kann keine Rechtfertigung dafür sein, auf die Durchsetzung der deutschen Steu-Um es noch einmal deutlich zu sagen: Rechtlich entscheidend ist die Durchsetzung der Steueransprüche, aber nichtdie Art und Weise der Durchsetzung.Alle Bemühungen, zu einer vertraglichen Lösung auf der Basis eines automatischen Informationsaustausches zu kommen, waren in der Vergangenheit erfolglos. Die Schweizhat dies entschieden abgelehnt, zumal ja auch in der EUselbst der automatische Informationsaustausch keineswegsvollständig verwirklicht ist. Auch die Europäische Kommission hat sich mit der Schweiz auf eine Quellensteuer stattdes Informationsaustausches als dauerhaft gleichwertigeForm der Besteuerung geeinigt.Die Bundesregierung sah es deshalb im Interesse der gleichmäßigen, nicht nur punktuellen (CD-Käufe) Realisierung deutscher Steueransprüche rechtlich und politisch als notwendig an, eine vertragliche Lösung mit der Schweiz anzustreben, die im Ergebnis die gleichmäßige Durchsetzung derdeutschen Steueransprüche ermöglicht.Hierdurch soll ein Neuanfang in den steuerlichen Beziehungen mit der Schweiz eingeleitet werden. Bei Verhandlungen müssen naturgemäß beide Seiten Kompromisseeingehen.Das deutsch-sc
Schweizer Banken profitabel. Wie wirkt sich der Wegfall staatlicher Garantien auf die Risikoübernahme von Banken aus? Markus Fischer, Christa Hainz, Jörg Rocholl und Sascha Steffen Staaten gewähren Banken oft Garantien, um den Zusammenbruch des Finanz-systems zu verhinde