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ForschungForschungsreihe Band 4Der Mikrozensus im Schnittpunktvon Geschlecht und MigrationMöglichkeiten und Grenzen einer sekundär-analytischenAuswertung des Mikrozensus 2005Berichtszeitraum 01.10.2006–15.12.2007Nomos Verlag
Der Mikrozensus im Schnittpunktvon Geschlecht und MigrationMöglichkeiten und Grenzen einer sekundär-analytischenAuswertung des Mikrozensus 2005Berichtszeitraum 01. 10. 2006–15. 12. 2007Durchgeführt durch die Universität Bremen/Arbeitsbereich Interkulturelle BildungIn Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt, WiesbadenProjektteam:Sonja BandorskiMarius HarringYasemin KarakaşoğluKai KelleterUniversität BremenFachbereich 12 – Erziehungs- und BildungswissenschaftenArbeitsbereich Interkulturelle BildungBibliothekstraße 1–328359 BremenTel.: (04 21) 2 18 - 69122Fax: (04 21) 2 18 - 9743E-Mail: [email protected]: ung.uni-bremen.deNomos Verlag
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.ISBN 978-3-8329-4129-1In der Forschungsreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauenund Jugend werden Forschungsergebnisse, Untersuchungen, Umfragen usw. alsDiskussionsgrundlage veröffentlicht. Die Verantwortung für den Inhalt obliegtder jeweiligen Autorin bzw. dem jeweiligen Autor.Alle Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfältigung des Werkes(Fotokopie/Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zu stim mung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.1. Auflage – Nomos Verlag, Baden-Baden
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InhaltSeite 6InhaltzurückweiterInhaltsverzeichnisI. Einleitung . 10II. Methodisches Vorgehen . 152.1 Zum Mikrozensus . 152.2 Rechtliche Einschränkungen beim Arbeiten mit dem Mikrozensus . 162.3 Auswertungsdesign . 162.4 Konstruktion der Variablen . 19III. Geschlechts- und migrationsspezifische Auswertung des Mikrozensus . 223.1 Der Anteil der Migrantinnen und Migranten an der Bevölkerung derBundesrepublik Deutschland . 223.1.1 Zusammenfassung . 223.1.2 Bevölkerungsstruktur . 233.1.3 Migrantinnen und Migranten nach Altersgruppen . 253.1.4 Das Konzept des nationalen Hintergrunds . 283.1.5 Einreisedatum und bisherige Aufenthaltsdauer . 323.1.6 Migrantinnen und Migranten nach Bundesländern.Ein Ost/West-Vergleich. . 353.1.7 Einbürgerung und Einbürgerungsverhalten vonMigrantinnen und Migranten . 413.1.7.1 Einbürgerungsverhalten nach Geburtsland . 413.1.7.2 Einbürgerungsverhalten nach Geschlecht . 413.1.7.3 Einbürgerungsverhalten nach familiärem Status . 423.1.8 Die doppelte Staatsbürgerschaft . 433.1.8.1 Doppelte Staatsbürgerschaft nach Geburtsland . 443.1.8.2 Doppelte Staatsbürgerschaft nach Alter und Geschlecht . 44
InhaltSeite 7Inhaltzurückweiter3.2 Lebens- und Familienformen von Migrantinnen und Migranten . 453.2.1 Zusammenfassung . 453.2.2 Familie in der amtlichen Statistik – eine thematische Einführung. 473.2.3 D er Unterschied zwischen Familien mit und ohneMigrationshintergrund . 483.2.3.1 Eheschließungen . 483.2.3.2 Heiratsalter . 493.2.3.3 Kinderzahl . 523.2.3.4 Haushaltsgröße . 613.2.3.5 Ehescheidungen . 653.2.4 Pluralisierung von Lebensformen . 663.2.4.1 Ein-Eltern-Familien . . 703.2.4.2 Ehen nach nationalem Hintergrund . 793.2.4.3 Mehrgenerationenhaushalte . 873.2.5 Ausblick zu weiteren Analysemöglichkeiten . 913.3 Bildung – Ausbildung – Beruf von Migrantinnen und Migranten . 923.3.1 Zusammenfassung . 923.3.2 D ie besondere Situation von Migrantinnen und Migranten inSchule, Ausbildung und Beruf – eine thematische Einführung . 943.3.3 M igrantinnen und Migranten im allgemeinbildendenSchulsystem Deutschlands . 983.3.3.1 Besuch der gymnasialen Oberstufe . 1003.3.3.2 Schulabschlüsse . 1043.3.3.3 Bildungsabschlüsse in Deutschland oder im Ausland . 112
InhaltSeite 8Inhaltzurückweiter
InhaltSeite 9Inhaltzurückweiter3.6 Gesundheitliche Situation von Migrantinnen und Migranten . 1753.6.1 Zusammenfassung .1753.6.2 Rauchverhalten .1763.6.3 Gesundheitszustand . 1773.6.4 Body-Mass-Index . 178Literatur . 180Anhang . 187
Kapitel I.Seite 10InhaltzurückweiterI.EinleitungWarum eine Datenauswertung des Mikrozensus 2005 unter dem Aspekt einer Verknüpfung von Geschlecht und Migration?Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die deutsche Gesellschaft einen immeroffenkundiger werdenden Wandlungsprozess durchläuft, der nicht zuletzt durchdie Globalisierung und die damit verbundene Wanderung von Menschen vonund nach Deutschland bewirkt wird. Die Bevölkerung in ihrer Alterszusammensetzung, dem Geschlechterverhältnis und ihrer nationalen Herkunft verändertsich hierdurch nachhaltig und fortwährend. Nationale Bezüge der Bevölkerung inDeutschland sind nicht mehr zutreffend mit der Unterteilung in Ausländerinnenund Ausländer und Deutsche abzubilden. Ein immer größer werdender Teil derGesellschaft hat familiäre Wurzeln außerhalb Deutschlands und ggf. auch eigene,starke wirtschaftliche, familiäre, politische, rechtliche etc. Bezüge zu einem anderen Land, ist aber aufgrund des Lebensmittelpunktes in Deutschland dauerhaftesMitglied dieser Gesellschaft. Daten, die über die strukturelle Integration von Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland seit vielen Jahren vorliegen, verdeutlichen jedoch, dass diese Gruppe in vielen Bereichen des Lebens in Deutschlandgegenüber Deutschen benachteiligt ist (z. B. Repräsentativuntersuchung des BMA2002, Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlingeund Integration 2005). Wenig bekannt ist allerdings über die Personengruppe,die selbst oder deren Eltern eine ausländische Staatsbürgerschaft hatten, inzwischen aber deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. In der Migrationsforschung ist der Begriff des „Menschen mit Migrationsgeschichte“ geprägtworden, um diese Bevölkerungsgruppe zusammen mit den Ausländerinnen undAusländern zu einer Kategorie zusammenzufassen und zu beschreiben. Bildetdies ihre Gruppenzugehörigkeit tatsächlich adäquat ab? Zumindest über ihrenAnteil an der Bevölkerung ist inzwischen Klarheit gewonnen worden. Der Mikrozensus 2005 erhebt als größte amtliche Haushaltsstichprobe in Deutschland erstmalig und differenziert Migrationsmerkmale, die es erlauben, Rückschlüsse aufden Anteil von Personen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerungzu ziehen (zur genauen Konstruktion des Merkmals „Migrationshintergrund“ imMikrozensus siehe Kapitel 2.1). Die Ergebnisse zeigen, dass der Anteil der Wohnbevölkerung in Deutschland mit einem Migrationshintergrund und deutscherStaatsangehörigkeit bei 10 %, der der ausländischen Bevölkerung bei 9 % liegt. DieGruppe der so Erfassten verdoppelt sich also nicht nur, sondern der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit ist mittlerweile sogar höher als der der Ausländerinnen und Ausländer und wird tendenziellsteigen (Statistisches Bundesamt 2006). Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn die Berücksichtigung dieses Kriteriums sich als Standard in amtlichenErhebungen und wissenschaftlicher Forschung etablieren würde.
Kapitel I.Seite 11InhaltzurückweiterAus der Erkenntnis der zahlenmäßigen Präsenz einer „Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ leiten sich weitere Fragen ab. Inwiefern gibt es (strukturelle)Ähnlichkeiten oder Unterschiede zwischen den deutschen Staatsbürgerinnen undStaatsbürgern mit und ohne Migrationshintergrund sowie den Ausländerinnenund Ausländern? Inwiefern wären die Personen „mit Migrationshintergrund“, dienach der statistischen Erfassung 2005 nun im Rahmen dieser Auswertung erstmals„sichtbar“ werden, dann ähnlich oder anders als „Ausländerinnen/Ausländer“ instaatliche und zivilgesellschaftliche Programme und Konzepte der Integrationeinzubeziehen? Dies sind Fragen, mit denen sich u. a. auch der Integrationsgipfel und der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung auseinandersetzen.Allerdings fehlt bisher eine detaillierte Beschreibung des Istzustandes struktureller Integration der „Menschen mit Migrationshintergrund“, um möglichst gesamtgesellschaftliche Maßnahmen zu entwickeln, die zu einer angemesseneren Partizipation der „Menschen mit Migrationshintergrund“ führen können.Darüber hinaus ist kaum etwas bekannt über die geschlechtsspezifischen Lebenssituationen von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund (etwa bezogenauf die familiäre, berufliche oder gesundheitliche Situation), da in kaum einerUntersuchung konsequent die Merkmale Migrationshintergrund und Geschlechtin gleicher Weise und kombiniert betrachtet werden.Aus der bisherigen Datenlage und vor allem in den derzeit dazu vorliegendenVeröffentlichungen, die mit quantitativen Daten arbeiten, lassen sich nur wenigspezifische geschlechterdifferenzierende Informationen zur Lebenssituation vonFrauen und Männern mit Migrationshintergrund in Deutschland finden. An dieser Stelle soll knapp auf den aktuellen Erkenntnisstand zu dieser Gruppe eingegangen werden. Dazu werden drei Quellen, die sich als umfangreiche und aktuelle Berichte der statistischen Analyse der Lebenslagen in Deutschland anbieten,herangezogen: der vom Deutschen Jugendinstitut in Zusammenarbeit mit demStatistischen Bundesamt erstellte Gender Datenreport aus dem Jahr 2005, der sichdetailliert mit den Lebensverhältnissen von Männern und Frauen in Deutschlandauseinandersetzt, der vom Statistischen Bundesamt in Zusammenarbeit mit demWissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum fürUmfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) herausgegebene Datenreport 2006und die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Mikrozensus„Leben und Arbeiten in Deutschland“ der Jahre 2000–2005.Der im Auftrag des BMFSFJ erstellte Gender Datenreport aus dem Jahr 2005 gibtAuskunft zur geschlechtsspezifischen Situation in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Weiterbildung, Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarktintegrationvon Frauen und Männern, Erwerbseinkommen von Frauen und Männern, Familien- und Lebensformen von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familieund Beruf, politische Partizipation und bürgerschaftliches Engagement, sozialeSicherung, Gesundheitsstatus und Gesundheitsrisiken von Frauen und Männern,Behinderung und Gewalthandlungen und Gewaltbetroffenheit von Frauen undMännern. Dabei wird in allen Kapiteln (in unterschiedlichem Ausmaß) auf die
Kapitel I.Seite 12InhaltzurückweiterSituation von Ausländern und Ausländerinnen eingegangen. Der Bericht arbeitetdabei jedoch zu größten Teilen mit Datensätzen, die eine Unterscheidung nachdem Pass treffen und stellt selbst fest: „Eine Auskunft über den Migrationshintergrund der Personen ergibt sich aus dieser Unterscheidung streng genommennicht. Im Bericht werden die Personen ohne deutschen Pass meist als Ausländerbzw. Ausländerinnen bezeichnet. Daten, die diesen Personenkreis betreffen, können meist nicht sehr differenziert ausgewertet werden, weil der relativ geringeAnteil der Migrantinnen und Migranten an der Gesamtbevölkerung (2003 ca. 9 %)geschlechterdifferenzierte Daten über Teilpopulationen (zum Beispiel Migrantinnen und Migranten mit Behinderung) oft wegen der geringen Fallzahl nichtzulässt“ (ebd., S. 19).Der Gender Datenreport enthält dennoch in seinen Textteilen Aussagen zu Migrantinnen und Migranten. Die über Migrantinnen gemachten Aussagen beziehen sichdabei jedoch auf Daten zu Ausländerinnen und Ausländern1. Der Gender Datenreport bietet somit keine quantitativ repräsentativen Daten zur Lebenssituation vonFrauen mit deutscher Staatsangehörigkeit und einem Migrationshintergrund.In den Fällen, in denen andere Studien und keine amtlichen Statistiken herangezogen werden, ist nicht immer eindeutig nachvollziehbar, ob mit „Migrantinnenoder Migranten“ Personen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit gemeint sind oder Ausländerinnen und Ausländer. Gerade in Erhebungen, die mit eigenen Stichproben arbeiten und insbesondere in qualitativenStudien wird im Gegensatz zu amtlichen Statistiken bereits häufig das Merkmaldes Migrationshintergrundes – allerdings nicht in einheitlicher Operationalisierung – anstatt bzw. als Ergänzung der Staatsangehörigkeit berücksichtigt.Ein Datensatz, der die Unterscheidung nach dem Migrationshintergrund (und nichtnur der Staatsangehörigkeit) erlaubt, ist das Sozio-oekonomische Panel (SOEP).Unter Mitverwendung unter anderem dieses Datensatzes ist vom WZB der Datenreport 2006 erstellt worden. Ein Großteil der Beiträge in Teil II des Datenreportszu objektiven Lebensbedingungen und subjektivem Wohlbefinden im vereintenDeutschland beruht auf den Daten des SOEP. Es wäre also demnach die Möglichkeit gegeben, den Migrationshintergrund im Gegensatz zur bzw. als Erweiterungder Staatsangehörigkeit zu berücksichtigen. Der Datenreport enthält ein Kapitel1Z . B.: „Zu den gesundheitsbewussten versus riskanten Verhaltensweisen von Migrantinnen undMigranten finden sich einige Hinweise in Sonderauswertungen des Mikrozensus. Bezüglich des Rauchverhaltens zeigt sich, dass ausländische Männer im mittleren Alter häufiger angeben, zu rauchen alsdeutsche Männer; von den 20- bis unter 60-Jährigen rauchten im Jahr 2003 46,8 % der ausländischensowie 39,7 % der deutschen Männer. Unter den Frauen sind die Unterschiede nicht so deutlich; deutscheFrauen dieser Altersgruppen rauchten mit 30,1 % aber etwas häufiger als ausländische (27,8 %). Ausländische Frauen sind also die Gruppe mit den wenigsten Raucherinnen.“ (Gender Datenreport 2005,S.520) Dieses Zitat zeigt, wie Ergebnisse zu Ausländerinnen und Ausländern im Hinblick auf die weitergefasste Gruppe der Migrantinnen und Migranten interpretiert werden. Aussagen zum gesundheitsbezogenen Verhalten von Migrantinnen und Migranten, inkl. den Deutschen mit Migrationshintergrund,können sich in Veröffentlichungen aus dem Jahr 2005 auch gar nicht auf konkrete Daten des Mikrozensus für diese Gruppe beziehen, da, wie bereits zuvor erwähnt, das Merkmal Migrationshintergrund erstim Erhebungsjahr 2005 aufgenommen wurde.
Kapitel I.Seite 13Inhaltzurückweiterzu Zuwanderinnen und Zuwanderern und Ausländerinnen und Ausländern inDeutschland. Dort findet sich einleitend der Hinweis darauf, dass die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund deutlich höher liegt als die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer (S. 565). Dennoch geht der Datenreport im Weiteren nuran zwei Stellen (Kapitel 5 [Bildung] und 14 [Zuwanderinnen und Zuwanderer undAusländerinnen und Ausländer] in Teil II) explizit auf die Situation der Personenmit Migrationshintergrund und nicht der Ausländerinnen und Ausländer ein.Kritisch anzumerken ist, dass in dem 679 Seiten umfassenden Bericht der Situation der Gruppe mit Migrationshintergrund ein lediglich acht Seiten umfassendesKapitel gewidmet und sie nur in einem allgemeinen Kapitel explizit berücksich tigt worden ist. In beiden Kapiteln werden keine bzw. kaum geschlechtsspezifischeAussagen gemacht. Darüber hinaus werden im WZB-Bericht auch an mehrerenStellen Aussagen zu Ausländerinnen und Ausländern gemacht. Eigene Unterkapitel zu Ausländerinnen und Ausländern gibt es zur ausländischen Bevölkerung(Teil I, Kapitel 1.8), zu Ausländerinnen und Ausländern und Bildung (Teil I, Kapitel2.3 und 2.4) und zu Ausländerinnen und Ausländern und Arbeitslosigkeit (Teil I,Kapitel 3.9). Im Datenreport finden sich Aussagen zu Frauen mit Migrationshintergrund lediglich zu drei Bereichen: In den Jahren von 1996 bis 2004 ist ein Trendzu höheren Bildungsabschlüssen zu beobachten, der insbesondere die Frauen derzweiten Generation betrifft. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass vor allemtürkische Frauen nicht berufstätig sind und dass Teilzeitarbeit zum Großteil vonFrauen ausgeübt wird.In den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Mikrozensus konnten in den Jahren 2000 bis 2005 keine Aussagen zu Frauen mit Migrationshintergrund gemacht werden, da bis zum Erhebungsjahr 2005 lediglich mit dem Merkmal der Staatsangehörigkeit gearbeitet wurde. Aber auch die Unterscheidungnach Deutschen und Ausländerinnen und Ausländern bzw. unterschiedlichenNationalitäten wurde lediglich in Einzelbereichen berücksichtigt. Die Themen, indenen auf mögliche Unterschiede zwischen der deutschen und der ausländischenBevölkerung eingegangen wurde, waren nicht einheitlich, sondern variiertenvon Jahr zu Jahr. So gab es 2001 und 20052 Aussagen zu Haushalten und Partnerschaften, die die Kategorie der Staatsangehörigkeit berücksichtigt haben (vgl.Statistisches Bundesamt 2002; 2006). Im Jahr 2000 wurde die Staatsangehörigkeitbei befristeten Arbeitsverhältnissen berücksichtigt (vgl. Statistisches Bundesamt2001), 2002 bei besonderen Arbeitszeiten (vgl. Statistisches Bundesamt 2003) und2003 bei geringfügig Beschäftigten (vgl. Statistisches Bundesamt 2004). Im Mikrozensus 2004 gibt es weder im Text- noch im Tabellenband Aussagen, die nach derStaatsangehörigkeit differenzieren (vgl. Statistisches Bundesamt 2005). Entsprechend der geringen Berücksichtigung schon der Staatsangehörigkeit finden sichkeine Aussagen, die gleichzeitig nach Staatsangehörigkeit und Geschlecht trennen, somit sind auch keine spezifischen Aussagen zu ausländischen Frauen undMännern zu finden.2T rotz der starken Betonung der neu aufgenommenen Fragen zum Themenkomplex Migration wirdauch in 2005 außerhalb des Kapitels Migration weiterhin mit dem Unterscheidungsmerkmal derStaatsangehörigkeit gearbeitet.
Kapitel I.Seite 14InhaltzurückweiterZiel des vorliegenden Reports ist es, diese Lücke – so weit es mit den im Berichtszeitraum vorliegenden Daten des Mikrozensus möglich war – zu schließen und inZusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt die Lebenssituation der Frauenund Männer mit Migrationshintergrund in Deutschland möglichst umfassend zubeschreiben. Dies geschieht vor allem mit Blick auf den Anspruch des Mikrozensus, ein Spiegel der deutschen Gesellschaft zu sein. Das Potenzial des Mikrozensusbezüglich des Informationsgewinns in diesem Bereich gilt es somit zu nutzen.Dabei muss berücksichtigt werden, dass viele migrations- und geschlechtsrelevanten Fragestellungen mit dem Datensatz nicht bearbeitet werden können. Erenthält keine Einstellungsfragen und auch keine Fragen, mit denen z. B. kulturelles Kapital, wie etwa die Sprachkenntnisse in Deutsch und den Herkunftssprachen, gemessen werden könnte. Allerdings bietet er die Möglichkeit, über einesehr differenzierte Erhebung des Migrationsstatus, der Herkunftsnationalitäten,der Generationenzugehörigkeit, des sozialen Status, des Geschlechts und derAltersgruppen mit belastbaren Daten die interne Pluralität der Bevölkerung, dieunter dem Allgemeinplatz „mit Migrationshintergrund“ zusammengefasst wird,herauszuarbeiten. Gegebenenfalls lassen sich hieraus neue Gruppen und Fragestellungen entlang der Merkmale Migration, Geschlecht und soziale Schicht (zudiesen Analysekategorien siehe Bednarz-Braun/Heß-Meining 2004) identifizieren,die sowohl in der Forschung als auch in migrationspolitischen Konzepten und Programmen bislang noch nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden.Nach Abschluss der Arbeiten an dem vorliegenden Bericht erschien der 7. Berichtder Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integrationüber die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. In ihm wird aneinigen Stellen Bezug auf den hier detailliert analysierten Datensatz des Mikrozensus 2005 genommen. Die dort enthaltenen Tabellen differenzieren teilweisenach Migrationsstatus und in wenigen Fällen nach aktueller Staatsangehörigkeit.In einigen Fällen werden diese Merkmale nach dem Geschlecht differenziert aufgeführt.Die vorliegende Analyse hingegen will mit ihren detaillierten Angaben zur Kombination von Geschlecht und Migrationsstatus unter der Berücksichtigung vonAlter und – im Bereich Familie – auch sozioökonomischem Status darüber hinausgehende, erweiterte und vertiefte Kenntnisse zur durch Migration pluralisiertenGesellschaft liefern.
Kapitel I.Seite 15InhaltzurückweiterII.Methodisches Vorgehen2.1 Zum MikrozensusDer Mikrozensus wird jährlich als Fortschreibung der Volkszählung von 1989 erhoben und umfasst ca. 1 % der Bevölkerung. Wer zur Teilnahme ausgewählt wird,ist bei einem Teil der Fragen gesetzlich zur Auskunft verpflichtet. Der Datensatzbeinhaltet Angaben zu ca. 830.000 Personen, die in ca. 380.000 Haushalten erhoben werden. Der Mikrozensus ist damit die größte amtliche Haushaltserhebung inder EU und erhebt belastbare Daten zur Situation der Bevölkerung in Deutschlandbezüglich der Themen Haushalt/Familienform, Erwerbstätigkeit/Arbeitsuche,Schule/Aus- und Weiterbildung, Migration/Staatsangehörigkeit, Gesundheit undim Jahr 2005 die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Themen sind unterschiedlich stark vertreten mit einer deutlichen Konzentration auf den Bereich derErwerbstätigkeit bzw. Arbeitsuche (vgl. Abbildung I).Im Erhebungsjahr 2005 wurde zum ersten Mal das Merkmal Migrationshintergrund in den Mikrozensus aufgenommen. Dadurch ist es möglich geworden,gezielt Aussagen zu der Bevölkerungsgruppe der Deutschen mit Migrationshintergrund zu machen, die sonst statistisch nicht erfassbar war.Abbildung I: Anzahl der Fragen zu einzelnen Themenbereichen im Mikrozensus40gegenwärtige (Haupt-)Erwerbstätigkeit2015105Personen im HaushaltArbeitsmarktbeteiligungfrühere Erwerbstätigkeit25HaushaltAnzahl der Fragen30weitere ErwerbstätigkeitArbeitsuche von itsplatzwahlBesuch von (Hoch-)SchuleBildungs- und Ausbildungsabschlüsseallg./ berufl. eitAngehörige im HerkunftslandStaatsangehörigkeit der ElternAltersvorsorgeLebensversicherungzusätzliche Fragen für Erwerbstätige 2005Unterhalt/EinkommenErwerbsbeteiligung vor einem JahrWohnsitz vor einem JahrGesundheitRauchgewohnheitenBeteiligung bei der BeantwortungBeruf und Familie350Themengebiete
Kapitel II.Seite 16weiterzurückInhalt2.2 Rechtliche Einschränkungen beim Arbeiten mit demMikrozensusVeröffentlichungen, die auf dem Mikrozensus basieren, unterliegen speziellenrechtlichen Bestimmungen, die im Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke(BStatG) festgelegt sind. So ist es aus Gründen des Datenschutzes nicht erlaubt,Gruppen kleiner als 5.000 zu publizieren. Die Tabellen dieser Arbeit enthaltendaher bei Häufigkeiten kleiner 5.000 lediglich einen Schrägstrich als Platzhalter.2.3 AuswertungsdesignBei der vorliegenden Sonderauswertung handelt es sich um eine Sekundäranalysedes Mikrozensus 2005. Auf Basis der vom Statistischen Bundesamt am 19. 12. 2007bereitgestellten Übersichtstabellen und zusätzlich angefertigter Tabellen erfolgteeine explorative Datenanalyse.Im ersten Schritt wurde der Migrationsstatus so differenziert erfasst, wie die Fragen im Mikrozensus 2005 es technisch zulassen (siehe Abbildung II). Weiter wurden alle Tabellen nach dem Geschlecht, der t und dem Alter unterteilt.Abbildung II: Organigramm zur Migrationsstruktur der Befragten imMikrozensus 2005Insgesamt82465,33 tausendBevölkerung ohne MigrationshintergrundBevölkerung mit sonen mit Migrationshintergrund und eigenerMigrationserfahrungPersonen mit Migrationshintergrund ohne eigeneMigrationserfahrung10399,02 / 12,6%4933,25 / 6,0%Ausländerinnen undAusländer mit en undAusländer ohne eigeneMigrationserfahrung1749,332,1%Deutsche mit eigenerMigrationserfahrungSpätaussiedlerinnen undSpätaussiedler1768,992,1%4827,745,9%Deutsche mit Migrationshintergrund ohneeigene Migrationserfahrung3183,92 / 3,9%Eingebürgerte mit eigenerMigrationserfahrungEingebürgerte ohne eigeneMigrationserfahrung3058,763,7%455,09 / 0,6%Deutsche ohne eigene ME,bei denen mind. ein ElternteilSpätaussiedler, Eingebürgerter o. Ausländer ist2728,83 / 3,3%3,3%mit beidseitigemMigrationshintergrundmit 1,9%
Kapitel II.Seite 17InhaltzurückweiterAufgrund dieser ersten deskriptiven Ergebnisse wurde das Auswertungsdesignüberarbeitet. Festgestellt wurde, dass die Zugehörigkeit zu einzelnen Migrationsgruppen stark mit anderen untersuchungsrelevanten Variablen korreliert. So istzum Beispiel das durchschnittliche Alter in der Gruppe der deutschen Zuwanderinnen und Zuwanderer ohne Einbürgerung wesentlich höher als das der Eingebürgerten ohne eigene Migrationserfahrung. Da das Alter aber mit einer Anzahlvon Variablen korreliert, ist es sinnvoll, dieses bei der jeweiligen Analyse zuberücksichtigen.Die Anzahl der Dimensionen zur Beschreibung des Migrationsstatus wurde daherauf vier Untergruppen reduziert:1.2.3.4.Bevölkerung ohne MigrationshintergrundAusländerinnen und AusländerDeutsche mit MigrationshintergrundDeutsche Zuwanderinnen und Zuwanderer ohne EinbürgerungDie „Bevölkerung ohne Migrationshintergrund“ umfasst Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, dies nicht durch Einbürgerung, und die wederselbst noch deren Eltern nach Deutschland zugewandert sind. „Ausländerinnenund Ausländer“ sind Personen, die eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.Die „Deutschen mit Migrationshintergrund“ setzen sich zusammen aus zugewanderten oder in Deutschland geborenen Eingebürgerten, deren Kindern, Ius-soliKindern, also Kindern von Ausländerinnen und Ausländern, die gemäß des neuenStaatsangehörigkeitsrechts aus dem Jahr 2000 bei Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit (zusätzlich zu derjenigen der Eltern, optional bis zum23. Lebensjahr) erhalten und Personen, bei denen lediglich ein Elternteil einenMigrationshintergrund hat (also Personen mit einseitigem Migrationshintergrund).In der Gruppe der „deutschen Zuwanderinnen und Zuwanderer ohne Einbürgerung“ befinden sich die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die seit August1999 nach § 40a StAG eingereist sind oder bis 1993 mit deutscher Staatsangehörigkeit zugewandert sind. Die anderen (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlerkonnten durch den Mikrozensus nicht als solche erfasst werden und fallen in dieGruppe „Deutsche mit Migrationshintergrund“. Dieser Umstand ist bedauerlich,da sich diese Gruppen in zahlreichen Dimensionen unterscheiden und dies somitzu heterogenen Untersuchungsgruppen führt, was in der Folge das Aufdeckenvon Zusammenhängen erschwert.
Kapitel II.Seite 18InhaltzurückweiterAbbildung III stellt die Zuordnung in diese Migrationsgruppen entlang der Merkmale Geburtsland und Staatsangehörigkeit differenziert dar:Abbildung III: Zuordnung der Bevölkerung nach Geburtsland undStaats angehörigkeitdeutschStaatsangehörigkeitnicht deutschGeburtslandAusland(Personen mit eigenerMigrationserfahrung)Inland(Personen ohne eigene Migrationserfahrung)I. Zugewanderte Ausländerinnenund AusländerII. Nicht zugewanderte Ausländerinnen undAusländera) Ausländerinnen und Ausländerder 1. Generation [2]a) Ausländerinnen und Ausländer der2. Generation (Eltern gehören zu I.) [2]b) Ausländerinnen und Ausländer der3. Generation (Eltern gehören zu II.) [2]III. Zugewanderte DeutscheIV. Nicht zugewanderte Deutschea) S
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