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Himmelund ErdeMit dem Konzept „Röhre im Quadrat“strebt ein Cayin-Amp nach oben, ein neuerUnison setzt auf Röhre plus bodenständigeHalbleiterkraft. Was hört sich besser an?Test: Johannes Maier Fotos: Julian BauerUm sich für die neuenVollverstärker vonCayin und Unsion interessieren zu können, bedarf eskeiner langen Seelenschau.Die so dicken wie fein gezeichneten Frontplattenund die aus dem Vollen gedrehten Knöpfe der Halbzentner-Gewichte sehenschon von Weitem nach gediegenem High End aus.Nach der Abnahme desSchutzkäfigs – was dankder praktischen Feder-Haltestifte im Nu gelingt, aberbitte nur bei ausgeschaltetem Gerät – bietet derwww.stereoplay.deCayin A 100 T für 3800Euro zu alledem eine ungewöhnliche Röhrenpracht.Da stehen nicht das üblicheGegentakt-Pärchen, sondern vier dicke Endröhrendes Typs KT 88 hüben unddrüben. Und zwar nichtirgendwelche, sondernQuartette, deren Mitgliederder slowakische HerstellerJJ von Haus aus schon alsfeinst aufeinander abgestimmt offeriert.Die Vorstufen-Röhrenlugen aus einem vibrationsmindernden Alublock heraus. Neben der gän- ggstereoplay 11/2008125

Test & Technik Vollverstärkergigen Doppeltriode ECC 83 fürdie Eingangsverstärkung findensich etwas stromkräftigere ECC82, die aus dem Eintakt- einGegentaktsignal für die entsprechende Endstufen-Aussteuerung erzeugen. Wenn‘s heftighergeht, verläuft diese nichtganz leistungslos. Seltene Konsequenz: Mit etwas höher gewachsenen 6 CG 7 baute Cayinzusätzliche Puffer ein, die Rückwirkungen von den KT 88 aufdie empfindsamen Phasensplitter unterbinden (siehe Kastenunten).TechnikStufen nach obenAuch wenn beide mit Röhrenarbeiten, gibt es bei den Vorverstärkerstufen von Cayin undUnison eigene Philosophien.Erstere setzt Koppelkonden-satoren nur zur EndröhrenAnsteuerung ein. Unison duldet diese Bauteile im Eingang,meidet sie aber partout bereitsim Kleinleistungsbereich.Cayin A 100 TPZDen guten Eindruck rundetein leckeres Drehspul-Anzeigeinstrument ab, das die Kontrolleund die bequeme Nachjustagedes Ruhestroms jeder einzelnenEndröhre erlaubt. PassionierteHiFiisten werden bald nichteinfach nur die Zeiger-Mittelposition aufsuchen, sondernbeispielsweise zwei Skalenstriche weiter rechts. Denn beiden Hörtests zeigte sich, dasssich der Cayin-Klang auf dieseWeise – von etwas ätherischer,leichter bis dunkler, voller – fürdiese oder jene Kette feinoptimieren lässt.Mit der Option, die KT-88Schirmgitter (zusätzliche, denLadungs-Umschlag beschleunigende Elektroden) wahlweisedirekt mit den Anoden odermit Anzapfungen der Ausgangstrafos zu verbinden, bietet derA 100 T eine weitere TuningMöglichkeit. Bei stereoplay hörtesich die zweite, „Ultralinear“genannte Betriebsart allerdingsstets klarer, präsenter, also eindeutig besser an als die mit demNamen „Triode“ (siehe übernächste Seite).Bleibt zu erwähnen, dass derCayin 4-Ohm- und für die meisten Boxen günstigere 8-OhmKlemmen besitzt. Des weiterenstehen drei Cinch-Hochpegeleingänge, ein Main-In (umgehtdie Lautstärkestellung) sowieein Rec-Out zur Verfügung.Vier Line-Ins, eine TapeSchleife, extra pegelgeregelteAnschlüsse für Subwoofer sowiesymmetrische Eingangskon-Geschickte Auswahlder Versorgungspotentiale erlaubt die direkteC1C2Verbindung derEingangsstufen en.C3C4Ungewöhnlich wie gut:Die symmetrischeZwischenstufe (Z)Gegenkopplungverhindert EndröhrenRückwirkungen auf denPhasensplitter (P).Unison Unico 100Um die EintaktRöhrenstufe direkt mitden folgendenTransistoren verbindenzu können, erzeugtExtra-Elektronik (E) einfixes Ausgangs-NullEpotential und gleichzeitig ein gegentaktiges Musiksignal.Cayin A 100 TDie Rückseiten-Knöpfe wählen die zu justierenden Endröhren an.Die Ruhestrom-Einstellung gelingt dann über Trimmpotis(Zugangsöffnungen oben auf dem Chassis ganz links und rechts).126stereoplay 11/2008www.stereoplay.de

takte: An Ausstattung bietetUnisons 4000-Euro-Hybrid etwas mehr. Was sich auf derRückseite bei den weit ausein ander angeordneten Buchsender linken und rechten Kanäleandeutet, findet im Innern Bestätigung. Dort stehen zwei jeweils mit 450 Watt belastbareDer Unico 100 strebt zumDynamik-GenießerNetztrafo-Kawentsmänner sowie ingesamt acht 80 Volt feste10 000-Mikrofarad-Energiespeicherelkos (unter den Hauptplatinen verborgen) für DoppelMono-Aufbau und für die kraftvolle Souveränität der Kanäle.Auf einem links- und einemrechtsseitigen Massiv-Kühlkörper montiert, sorgen insgesamtzwölf extradicke Endtransisto ren – wenn‘s sein muss – fürgewaltigen Stromumsatz.Auch wenn es sich bei diesenum relativ leicht steuerbareFeldeffekt-Halbleiter mit vomStromkanal isolierten Lenkelek-troden handelt, klotzte Unsisonauch bei den mit eigenen Kühlblechen versehenen Treibern.In der Stufe zuvor setzen dieItaliener, um Finesse und dezidierte Kraft zu vereinen, proKanal zwei Sechsergruppenparallel geschalteter und dannim Gegentakt arbeitenderHochfrequenztransistoren ein.Schließlich nahm der Hersteller,der sonst überwiegend reinrassige Röhren-Amps baut, für diePegelregelung und für die Einpol-Umwandlung der symmetrischen Eingangssignale moderne integrierte Bausteine her(Burr-Brown PGA 2311 sowieAudio Devices AD 8221).Um zu guter Letzt die Eingangsverstärkung dann dochzwei Glaskolben des Typs ECC83 zu überlassen. Die Einbindung in ein relativ komplexesGegenkopplungs-Netzwerkzeigt, dass Unison an dieserStelle ganz besonders eifrigesKlangtuning betrieben hat.Bei den Hörtest fiel der Unico 100 zunächst aber weniger ❯❯321113321 Zwei Elkos mit je 330 Mikrofarad Kapazität bemühen sichzusammen mit einer Eisendrossel um saubere Hochspannung.2 Die einzigen Kondensatoren im Signalweg führen zu denSteuergittern der Endröhren (C1 - C4 im Diagramm ganz links).3 Neben den blauen Eingangsrelais finden sich schwarze beiden Ausgangstrafos: Sie verbinden die Röhren-Schirmgitterwahlweise mit der Anode oder einer Übertrager-Anzapfung.

Test & Technik Vollverstärkermit Röhren-Charme als mitunbändig saftiger wie präziserSchubkraft auf. Mit äußersterFreude setzte er Schlagzeuge inSzene, beschrieb lustvoll, wiesich das Fell großer Trommelnbaucht, um dann mit genauausgerichteten Druckwellenbrachial zuzuschlagen. Nichtminder genüsslich ließ er dieStöcke auf der Snare-Drumrühren oder mit sagenhafterVerve auf die Kante knallen.Mit Inbrunst, so weiträumig wieirgend möglich und trotzdemohne Schärfe breitete der Italiener Becken-Höhenfeuer aus.Selbst bei sanfteren PianoTiteln sprühte der Unico 100nur so vor Temperament. Aufdrei festen Beinen stehendeRiesen-Konzertflügel schleuderten Ton für Ton und Akkordfür Akkord aus ihrem genauumrissenen Großkorpus hinaus.Der schwere Hybrid hielt sichnicht einmal bei dem eigentlichbesinnlichen „Besamo Mucho“von der stereoplay-SACD „Ultimate Tunes“ zurück. Da erschien der Bass extra schwarzund wie zum drauf Stehen fest;prächtig gleißende VibraphonPlatten wollten gar nicht aufhö-ren, mit schönen Schwebungennachzuschimmern. Schließlicherweckte Linda Sharrocks Gesang unweigerlich den Eindruck:Diese stattliche Frau hat vielKraft.Bietet Unison nach demUnico 200 von 11/06 mit dem100er ein preisgünstigeres, abergenauso fetziges Energiebündelan, dürfen sensiblere Gemüterbei den reinen Röhren desDer A 100 T bietetallerhöchsten FeinsinnHauses bleiben. Oder sich auchdem A 100 T von Cayin zuwenden, denn der bot gegenüberdem Unico-Vorspiel ein Kontrastprogramm, das den Raumzwar nicht so erschütterte, dafüraber die Tester mehr bewegte.Bei Frau Sharrock legte derA 100 T – während er quasi anden Lippen hing – nicht nurfeinste Nuancen, Rührungenoffen, er gab geradezu den Wegzum Innern, zur Seele frei. DemBass schenkte er nicht so vielGewicht und Schwärze, dafüraber ein ganzes Spektrum anwarmen Farben. Und ertöntenun Klavier, riss der Cayin dieUnison Unico 100Nach dem Druck auf den Standby-Tipper auf der Front gönntsich der Italiener 30 Sekunden Aufwärmzeit. Den rückseitigenHauptnetzschalter betätigt der Highender nur zur Urlaubszeit.Hörer nicht mit Fulminanz,sondern wirklich mit den einzelnen Tönen hin. Nach dem Entstehen aus Filz, Stahl und Holzschwebten sie nun – wie funkelnde kleine Universen dahin,um sich gegebenenfalls sanftaneinander zu reiben.Bald gab es keine Diskussionen mehr: Von Graaf GM 50bis Unison Sinfonia – keine der56-Punkte-Röhren hatte es geschafft, die Hörer so unwiderstehlich in abenteuerlich lebendige, feine und wonnige MusikParadiese hineinzuziehen.TechnikHarmoniestrebenDie Klangeindrücke bei unterschiedlichen Bias-Einstellungendes Cayin A 100 T korreliertenwunderbar mit den Messungen,die erst nach den Hörtests stattfanden. Bei geringeren Ruheströmen blieben die Klirrspektren zwar immer noch highendigabgestuft, der relative Anteilhöherer Oberwellen, inbeson-128stereoplay 11/2008dere der siebten, nahm aber zu,was in der Tat auf etwas hellerleichtere Klänge deutet.Interessant auch der Einflussder „Triode/Ultralinear“-Kennlinien-Umschaltung. Bei derersten Position mit dem Schirmgitter an der Anode ergabensich eigentlich die theoretisch„natürlicheren“ Klirrverläufe. Bei„Ultralinear“ mit Schirmgitter amTrafo legte die dritte Oberwellein Relation zur zweiten zu undhielt im wichtigen Leistungsbereich konstanteren Abstand.Erfahrungsgemäß vermag dieser Effekt im günstigen Kontextden Eindruck von mehr Dynamik und Räumlichkeit zu erwecken. Weil der A 100 T nunNiedrigerer Ruhestrom verstärkthöhere harmonische Oberwellen.überdies mehr Leistung abgibtund einen weiteren Frequenzgang zeitigt, wunderte es nicht,www.stereoplay.de

23213Cayin A 100 TUnison Unico 100Vertrieb: Cayin Audio, KelkheimTelefon: 06198/573806www.cayin.deAuslandsvertretung siehe InternetVertrieb: TAD Audiovertrieb, FrasdorfTelefon: earch.comAuslandsvertretung siehe InternetMaße: B: 44 x H: 21 x T: 39,7 cmGewicht: 29 kgMaße: B: 43,5 x H: 18 x T: 44 cmGewicht: 25 kgFrequenzgänge (4-Ohm-Klemme)Frequenzgänge3800 Euro (Herstellerangabe)Messwerte4000 Euro 3dB-6dB-6dB-9dB-9dB-12dB10Hz1 Das Abschirmblech in der Mitte trennt Unisons Unico 100in zwei Mono-Verstärker mit eigenen Netzteilen auf.2 Je zwei Triodensysteme einer ECC 83 heben die 0dBV-40dBV-60dBV-60dBV-80dBV-100dBV3 Bei den Vortreiberstufen auf den Stehplatinen setzt Unison-120dBV0,01WGruppen parallelgeschalteter Hochfrequenztransistoren ein.Schön gleichmäßig verlaufende Klirrkomponenten k2 und k3; W020w100w500wwww.stereoplay.delen Fällen ab – welche davonschöner klingen, darf der CayinBesitzer selbst entscheiden.10W100W1kWstereoplay 00wSehr hohes und extrem stabiles Leistungsniveau bis 606 Watt an 2 OhmSinusleistung je Kanal an 8/4Ω, k 3%Triode: 41/46 W Ultralinear: 63/80 W8Ω-Klemme TR: 47/42W UL: 82/68 WRauschabstand Line94 dBVerbrauch Standby/Betrieb -/293 WSinusleistung je Kanal, k 1%an 8/4Ω225/368 WRauschabstand (rel. 10V)Line84 dBVerbrauch Standby/Betrieb 3,1/110 W1020Messwertedass die Hörtester „Ultralinear“präferierten. Prima Ergebnisselieferte der A 100 T aber in al-1WHohes Musikleistungsniveau bis 82Watt an 4 Ω (Ultralinear, 4Ω-Klemme)0k2 auf etwa gleicher Höhe bleibt.0,1WSehr gleichmäßiger Klirrverlauf, aberk2 und k3 kreuzen sich; inear“: Mehr k3, während-120dBV0,01Wstereoplay Leistungsprofil8Ω6Ω4Ω3Ω2ΩBewertungKlang (max. 70 Punkte)driften aber etwas auseinander.100kHzKlirr-Analyse (k2 bis k5 vs. Leistung)0dBV-20dBV-100dBV„Triode“: Fast perfekt, k2 und k310kHzKlirr-Analyse (k2 bis k5 vs. Leistung)-80dBVBei alledem ließ es der A 100T bei heftigeren Bassschlägendurchaus ordentlich krachen –auch wenn der Unico 100 imHintergund lauerte und bedeutete, lass mich jetzt ran.Dynamik-Jünger dürfen folgen,beim Rest der Welt bleibt Cayinsneue Röhre dran.O1kHzPerfekt ausgewogen und sehr breitbandig an jeder Lastsignale auf zirka ein Viertel des späteren Ausgangswerts an.Bei Kari Bremnes „Reise“(Indigo-CD) vertiefte der Cayinseine 57-Punkte-Anwartschaft.Das tragende dunkle Wogen derBässe, das sanfte Pochen derTrommeln, das Gitarrentupfenund die nordländisch-erhabeneStimme erlaubten keinen anderen Weg als mitzugehen.100HzAusgewogen, aber deutlicher Pegelabfall bei niederohmiger Last3057405060708Klang (max. 70 rtigkeit9Wertigkeit9Wunderschöne Röhre, die trotzMassivbestückung im Tiefbassdistinguiert agiert. Den Rest desSpektrums füllt der A 100 T mitfantastisch blühendem Leben aus.Äußerst aufwendig konstruierter,schwerer Hybridverstärker, derneben sauberster Räumlichkeitunfassbar stupenden Druck sowiepräzise Schlagkraft zelebriert.stereoplay Testurteilstereoplay TesturteilKlangKlangAbsolute Spitzenkl.57 Punktesehr gut83 e Spitzenkl.56 Punktesehr gut83 PunkteGesamturteilPreis/Leistungsehr gutstereoplay 11/2008129

Ladungs-Umschlag beschleuni-gende Elektroden) wahlweise direkt mit den Anoden oder mit Anzapfungen der Ausgangs-trafos zu verbinden, bietet der A 100 T eine weitere Tuning-Möglichkeit. Bei stereoplay hörte sich die zweite, „Ultralinear“ genannte Betriebsart allerdings stets kla