Transcription

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –HERZLICH WILLKOMMEN – JETZT AUCH INSTAATLICH51015202530Berlin, wie es heute ist, ist aus Zuwanderung entstanden – vom Mittelalter an. ObMenschen aus Flandern oder Tschechien, ob Hugenott*innen, Jüd*innen aus Polen undRussland, Arbeitsmigrant*innen aus Vietnam, Mosambik, Italien, Spanien, Griechenland,Marokko, Südkorea, Portugal, Tunesien und ehem. Jugoslawien und der Türkei oderGeflüchtete aus dem Nahen und Mittleren Osten: Berlin war immer vom Zuzug, vonEinwanderung und vom Wandel geprägt. Genau das macht Berlin aus. Es ist auch dieseMultikulturalität und Internationalität, die Berlin so liebenswert macht.Lange wurde die Zuwanderung allerdings nicht als das betrachtet was sie ist: Eingesellschaftlicher Gewinn für Berlin und die gesamte Bundesrepublik. Menschen, die imZuge des Anwerbeabkommens nach Deutschland und auch nach Berlin gekommen sind,lediglich als reine Arbeitskraft (ökonomisch) betrachtet, die nach Erfüllung deswirtschaftlichen Bedarfs der BRD zurück in ihre Herkunftsländer geschickt werdensollten. Seit den 1950er-Jahren wurden viele politische Fehler gemacht. Sinnbildlichsteht dafür der Begriff der „Gastarbeiter*innen“: Selbst nach Jahrzehnten in Deutschlandwurden diese noch als „Ausländer*innen“ behandelt, die lediglich den deutschenFachkräftemangel decken und dann wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehrensollten. Es gab keine staatlichen Angebote zur Teilhabe an der Gesellschaft wie zumBeispiel Deutschkurse, aber leider eigene Wohngebiete, in denen die Gruppen isoliertwurden bzw. dies versucht wurde. Einbürgerungen und Teilhabe wurden erschwert statterleichtert. Statt mit den Menschen auch ihre Religion in Deutschland willkommen zuheißen, wurde mit der Türkei vertraglich vereinbart, dass sie für die religiösenBedürfnisse der hier lebenden türkeistämmigen Bürger*innen zuständig sei – mittürkischen Imamen, die in DITIB-Moscheen predigen. Der Arbeit der Moscheegemeinden,egal welcher nationalen Prägung, Zusammensetzung oder Konfession, wurde keineBeachtung geschenkt. – weder im Guten noch im Problematischen. Die Folgen von alldem sind noch heute spürbar.BERLIN HILF – VORHANDENE STRUKTUREN AUSBAUEN UND STÄRKEN35Trotz – oder gerade aufgrund - der fehlenden Willkommenskultur entstand seit den60er-Jahren eine vielfältige Landschaft aus Migrant*innenselbstorganisationen, um beimZurechtkommen in Berlin zu helfen, um Sprache und Kultur zu pflegen und auch, um im1

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –4045505560politischen Raum Stellung zu beziehen. Diese Organisationen haben eineBrückenfunktion in der Einwanderungsgesellschaft und sind oft eingesprungen, wostaatliche Angebote fehlten. Sie unterstützen heute – zusammen mit vielenzivilgesellschaftlichen Bündnissen von Freiwilligen und Ehrenamtlichen – Geflüchtetein Berlin. Hier finden sich viele Sprachmittler*innen und Sozialarbeiter*innen, sie sindWegweiser*innen durch Asyl- und Gesundheitsversorgung. Oft sind sie aktive Mitgliederder Wohlfahrtsverbände und bringen dort ihr Wissen, ihre Expertise und ihre Erfahrungein.Mit diesen Netzwerken und ihrer zivilgesellschaftlichen Kompetenz wollen wir dieIntegrationspolitik für die Geflüchteten gestalten, die in den letzten Jahren nach Berlingekommen sind und in Zukunft kommen werden. Die innovative Kraft für einewirkungsvolle Arbeit für erleichterte Zugänge zu Angeboten, Teilhabe undEmpowerment ist vor Ort: in den Kiezen und den konkreten Projekten.Auch die Politik ist allmählich aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Seit den Tagen desLaGeSo-Skandals, als Geflüchtete tagelang im Freien kampieren mussten, um sichregistrieren zu lassen, wurden wichtige Schritte gegangen. Dass die Turnhalleninnerhalb kurzer Zeit nach dem Regierungswechsel leergezogen wurden und dass Berlinauch denen passende Sprach- und Integrationskurse anbietet, die vom BAMF keinebekommen, ist richtig und entscheidend. Doch es gibt noch viel zu verbessern:Gesundheitsversorgung und Behandlung von Traumata, Anerkennung der mitgebrachtenQualifikationen oder von Ausbildung und Studium, Kitabesuch und Schule für die Kinder,Ankommen in der Berliner Vielfalt sowie der Übergang von Tempohomes und MUFs(Modulare Unterbringung für Flüchtlinge) in eigene Wohnungen.INTEGRATION UND TEILHABE BEGINNEN AN TAG EINS!6570Berlin schafft es seit jeher, dass der Kaninchenzüchterverein neben dem Technoclubexistiert, dass Unterschiede ausgelebt werden und dieses Nebeneinander funktioniert. InBerlin geben wir uns die Freiheit, verschieden zu sein – basierend auf einemgemeinsamen Grundkonsens, trotz unterschiedlicher Interessen, Vorlieben undLebensweisen. Die meisten Geflüchteten freuen sich über diese Freiheit. Zugleich habenviele auch ein Bedürfnis nach Orientierung. Dabei geht es darum, sich im Alltag besserzu Recht zu finden, aber auch um die verbindlichen Grundlagen unseresZusammenlebens wie zum Beispiel das Grundgesetz.2

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –7580Das geschieht vor Ort und im Miteinander, durch konkrete Menschen und ab Tag Eins.Tag Eins bedeutet: noch in der Herkunftssprache. Deshalb müssen die Integrationskursenicht nur für alle geöffnet, sondern endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden:Grundlegende Orientierung gehört an den Anfang und nicht ans Ende eineseineinhalbjährigen Kurses. Ein gutes Beispiel dafür, wie es gehen kann, ist das Projekt„Willkommen im Rechtsstaat“ der Senatsverwaltung für Justiz. Richter*Innen undAnwält*innen gehen gemeinsam mit Dolmetscher*innen in die Schulen undVolkshochschulen, aber auch in Geflüchteteneinrichtungen, und diskutieren mit denGeflüchteten über unsere Rechts- und Werteordnung, über Gleichstellung und faireVerfahren.8590Die eigentlichen Mittler*innen sind jedoch die Menschen, denen Geflüchtete in ihremAlltag begegnen: Das sind zunächst Freiwillige in den Unterkünften,Integrationslots*innen, Sozialarbeiter*innen, engagierte Gemeindemitglieder in Kirchenund Moscheevereinen – noch bevor dann Nachbar*innen, Vereinskamerad*innen,Kolleg*innen und Mitschüler*innen dazukommen. Wir wollen sie stärken und für ihreverantwortungsvolle Aufgabe besser als bisher vorbereiten. Dazu gehört auch, einBerufsbild für Integrationslots*innen zu entwickeln.BERLIN LEBT IN DEN KIEZEN – DIE GEFLÜCHTETEN AUCH95100105110Neben dem Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) sind die Bezirkeregelmäßiger Anlauf- und Kontaktpunkt für Geflüchtete und spielen damit eineentscheidende Rolle. Interkulturelle Kompetenz in den Verwaltungen und gezielte (auchmehrsprachige) Information über bezirkliche Angebote in den Bereichen Jugend,Gesundheit etc. können wichtige Impulse für das Leben von Geflüchteten in Berlinsetzen. Dafür braucht es auch eine gute Verweisberatung in den Ämtern, denn geradeniedrigschwellige Angebote kann der Staat oft gar nicht bieten. Vor Ort sind dieMigrant*innenorganisationen, Neue Deutsche Organisationen, Initiativen und Vereineaktiv mit ihren Sprachmittler*innen, ihren Beratungsangeboten, ihren Kontakten zu denÄmtern, ihrer Vernetzung mit anderen Angeboten. Eine enge Zusammenarbeit mitIntegrationslots*innen und eine enge Verzahnung der bezirklichen Ebene mit denSenatsverwaltungen sind dabei enorm wichtig.Neben den Schulen, den Jugendfreizeiteinrichtungen und den Familien- undNachbarschaftszentren leisten auch Volkshochschulen einen wichtigen Beitrag – dennsie vermitteln nicht nur Sprachkenntnisse, sondern bieten auch Raum für Austausch,Orientierung und Diskussionen über Bräuche und Kulturen unserer Gesellschaft. In3

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –115120125130135einigen Volkshochschulen gibt es mittlerweile Stellen, die sich um die Verzahnung vonSpracherwerb und beruflicher Qualifizierung kümmern. Doch auch Musikschulen,Bibliotheken oder andere Kultureinrichtungen der Bezirke bieten Raum fürQualifizierung, Begegnung und Austausch. Mehrsprachige und sprachqualifizierendeAngebote sind mittlerweile in allen Bezirken fester Bestandteil des Medienangebotesder Bibliotheken. Hier noch mehr Angebote wie Nachhilfe, Bewerbungs- oderSchuldenberatung zu machen, ermöglicht Geflüchteten, sich zu qualifizieren und ihrLeben eigenständig zu gestalten.Berlin lebt in seinen Kiezen. Auch für die Integration und Teilhabe Geflüchteter ist hieralso der beste Anknüpfungspunkt. Deshalb wollen wir die Kieze stärken. Dazu gehörteine intensive Verzahnung der bezirklichen Angebote über Ressorts hinweg genauso wiesozialräumliche Betrachtung und Gestaltung von Angeboten, die kurze Wege und vieleBegegnungen ermöglichen. Einander ergänzende staatliche und ehrenamtlichorganisierte Angebote sowie Angebote sozialer Träger, die allen Bewohner*innen desjeweiligen Kiezes offenstehen und gemeinsam mit den Menschen über Quartiersräteund Zukunftskonferenzen gestaltet werden, stärken gemeinschaftliche Identifikation undZusammenhalt im Kiez. Stadtteilzentren können einen wichtigen Beitrag gegenRassismus und Ausgrenzung und für mehr Demokratie leisten.Auch Sport hilft vielen Geflüchteten hier anzukommen: Er ist international undfunktioniert auch ohne gemeinsame Sprache. Viele Sportvereine und freie Sportgruppenhaben hier in den vergangenen Jahren großartige Arbeit geleistet. Wir unterstützen siedabei, weiter Sportangebote in der Nähe von Unterkünften für die gesamteNachbarschaft auszubauen – denn so können wir die Möglichkeit der Begegnung durchgemeinsamen Sport stärken. Dafür braucht es aber auch eine interkulturelle Öffnung derStrukturen in den Sportorganisationen.140ANKOMMEN UND DABEI SEIN – DURCH BILDUNG UND ARBEIT145Für geflüchtete Kinder und Jugendliche sind Kita und Schule enorm wichtige Orte, diezu Teilhabe, Zugehörigkeit und Selbstverwirklichung beitragen können. Einevorausschauende Planung, die ausreichend Kita- und Schulplätze sicherstellt, sowiegenug den Anforderungen entsprechend geschultes Personal sind dafür unverzichtbar.Wir wollen zusätzlich eine Bildungsberatung für alle Familien bereits in denErstaufnahmeeinrichtungen etablieren.4

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –150Sobald geflüchtete Kinder eine Kita besuchen, sind sie mittendrin. Was für sie anfangsein Sprung ins kalte Wasser ist, erweist sich in der Regel schnell als Garant fürSpracherwerb und Teilhabechance. Diesen inklusiven Ansatz halten wir auch für denschulischen Bereich für richtig.155Unser Ziel bleibt die inklusive Beschulung mit entsprechender Unterstützung derLehrkräfte und Sozialpädagog*innen in Regelklassen. Dennoch werden wir auchweiterhin Willkommensklassen brauchen – aber mit mehr Unterstützung, als es siebisher gibt. Es braucht endlich ein berlinweites Curriculum und ein Verzeichnisgeeigneter Lehrmaterialien. Und eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive für alleLehrkräfte, die derzeit in Willkommensklassen arbeiten. Damit Kinder auch inWillkommensklassen am Schulleben teilhaben können, müssen die Klassenräume aufdem Schulgelände sein und die Kinder bei der Essensversorgung, aber auch bei allenAngeboten wie Ausflügen oder Nachmittagskursen, mit einbezogen werden.160165170175180185190Seit vielen Jahren wollen junge Muslimas mit Kopftuch an Berliner Schulenunterrichten. Sie erleben das Berliner Neutralitätsgesetz als Berufsverbot und wehrensich dagegen. Vor diesem Hintergrund wird in Berlin heftig darüber diskutiert, ob dasNeutralitätsgesetz geändert werden muss. Wir stellen fest, dass sich nach derRechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein pauschales Verbot des Kopftuchsfür Lehrerinnen nicht mehr halten lässt. Wir wollen eine lösungsorientierte Debattevorantreiben, die sich an praktischen Erfordernissen von Schulen orientiert. Wir Grünenhalten die Neutralität des Staates für ein hohes Gut. Schule muss eindiskriminierungsfreier Raum sein: Keine*r darf wegen ihrer*seiner Religion diskriminiertwerden und niemandem darf eine religiöse Vorstellung aufgezwungen werden.Angesichts der Tatsache, dass die meisten Geflüchteten aus arabischen Ländernkommen und muslimisch sind, bekommt der Umgang mit sichtbarer Religion in denSchulen eine neue Dringlichkeit. Hierfür brauchen die Schulen Unterstützung, um denalltäglichen Herausforderungen gewachsen zu sein.Das System der Sprach- und Integrationskurse wollen wir für alle Geflüchteten passendmachen, dafür wo nötig ergänzende Angebote machen und enger als bislang mit derBundesagentur für Arbeit und dem BAMF kooperieren. Der prekäre Aufenthaltsstatusdarf nicht länger die Aufnahme einer Ausbildung oder berufsvorbereitende Maßnahmenverhindern. Beschäftigungserlaubnisse sollte die Bundesagentur für Arbeit erteilen undnicht länger das BAMF. Wir brauchen ein Ausbildungsbleiberecht statt einerAusbildungsduldung. Wir wollen mehr modularisierte Angebote schaffen, denn unterGeflüchteten gibt es sowohl Studienabbrecher*innen, Akademiker*innen als auchAnalphabet*innen. Orientierung und wo nötig Alphabetisierung in der Herkunftsspracheschaffen die Grundlage für die erfolgreiche Teilnahme am Sprachkurs und für einAnkommen von Anfang an. Sprache lernt man am besten in der Praxis. Deshalb wollenwir berufsbezogene Sprachförderung ausbauen und auch schon zu Integrationskursenbegleitende Betriebspraktika bzw. praxis- oder fachbezogene Sprachkurse anbieten.5

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –195Ausbildungsförderung wie BAB und BAFÖG müssen für alle jungen Geflüchteten ohneWartezeit verfügbar sein. Umgekehrt sollten Ausbildungsangebote inklusive Förderungauch für über 25-Jährige geöffnet werden. Mit Kinderbetreuungsangeboten wollen wirmehr Frauen die Teilnahme an Integrationskursen und Ausbildungsmaßnahmenermöglichen.HILFE FÜR DIE HELFER*INNEN200205210215220225230In Berlin haben sich seit 2015 tausende Freiwillige zusammengefunden und freieInitiativen gegründet. Sie haben Strukturen gebildet, die sehr viel flacher und flexiblersind als die der etablierten Organisationen. Sie haben gezeigt, was Freiwillige in derLage sind zu leisten. Viele dieser Freiwilligen sind inzwischen nicht mehr Teil einerInitiative, sondern helfen einzelnen Geflüchteten und Familien beim alltäglichenZurechtfinden und bei Behördengängen. Als Sprach- und Kulturmittler*innen nehmensie den Behörden viel Arbeit ab, werden aber dennoch häufig als Störfaktor behandelt.Hier muss ein Umdenken in Behörden stattfinden, auch durch Schulungen zu Fluchtund Migrationsthemen sowie Diversitäts- und Anti-Bias-Trainings vonBehördenmitarbeiter*innen.Gleichzeitig brauchen die Freiwilligen auch selbst Unterstützung. Sie werdengezwungenermaßen zu Generalist*innen, die aber oft an den bürokratischen Hürdenzwischen LAF, Jobcenter, Ausländerbehörde und BAMF verzweifeln. Für sie braucht esUnterstützung, Aufklärung, Vermittlung von Gesetzesgrundlagen im Asylverfahrens- undAufenthaltsrecht und oftmals selbst Sprachkurse, beispielsweise in Arabisch, Farsi undKurdisch. Andere wiederum, die keine einzelnen Personen betreuen und in ihrenInitiativen aktiv sind, haben mit der Schließung der Notunterkünfte den Ort ihresehrenamtlichen Engagements, ihre ehrenamtliche Heimat verloren. Denn Initiativenbrauchen physische Räume, in denen sie sich treffen und koordinieren können. Hier sinddas Land Berlin, aber auch die Bezirke gefordert, entsprechende Räume zu schaffen, dieaus den Geldern des ehemaligen „Masterplan für Integration und Sicherheit“ finanziertwerden können.INTEGRATION IST EIN GEWINN – FÜR ALLE!In den verschiedenen Phasen, die Geflüchtete nach ihrer Ankunft durchlaufen, wollenwir sie bestmöglich unterstützen. Es geht darum, in allen Lebensbereichen undinsbesondere an den Übergängen – von Kita in Schule, von Schule in Ausbildung oderStudium, beim Erwachsenwerden, bei Wohnungswechsel oder beim Wechsel vonZuständigkeiten der Behörden – Brüche zu vermeiden, Zugänge zu schaffen und für6

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –235240245250Begleitung zu sorgen, um so Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichenund Chancen zu eröffnen. Insbesondere der Übergang von unbegleiteten Minderjährigenins Erwachsenenalter als Heranwachsende muss stärker unterstützt werden. Es brauchtmehr Angebote auch über den 18. Geburtstag hinaus. Das gilt für Angebote desbetreuten Wohnens, für die Begleitung durch Erwachsene, aber auch für die Schule.Nicht alle bringen aus ihrer Heimat genügend Schulbildung mit, um hier auf demüblichen Weg zu Schulabschlüssen zu kommen. Wir haben uns erfolgreich dafüreingesetzt, dass an zunächst 16 Berliner Schulen Lerngruppen für geflüchteteJugendliche eingerichtet werden, die auf den guten Erfahrungen mit produktivemLernen aufbauen und Jugendlichen durch den Kontakt zu Betrieben den Übergang inAusbildung erleichtern.Dabei gibt es Bedarfe, die sich aus der besonderen Situation von Geflüchteten ergeben.Es gibt aber auch Bedarfe, die Geflüchtete ebenso betreffen wie andere Gruppen in derBevölkerung. Mit einem Landesantidiskriminierungsgesetz wollen wir sicherstellen, dassMenschen – ob geflüchtet oder hier aufgewachsen – nicht wegen ihrer Herkunft oderReligion Nachteile erfahren. Denn wer Teil unserer Gesellschaft ist, sollte dies auch imAlltag erfahren. Grüne Integrationspolitik ist inklusiv, wir wollen daher bestehendeMaßnahmen und Angebote für Geflüchtete öffnen, aber darüber hinaus Angeboteschaffen, die Barrieren auch für andere Gruppen aus dem Weg räumen. Wir nutzen dieChance, mit den Maßnahmen, die zur Unterstützung der Geflüchteten beim Ankommenund beim Aufbau ihres Lebens in Berlin nötig sind, längerfristige Innovationen für dieganze Stadt voranzubringen.255260265Dazu zählt etwa, Unterkünfte so zu bauen, dass sie später auch für andere Formen desgemeinschaftlichen Wohnens – Student*innen, Frauen* mit Kindern aus Frauen*häusern,Senior*innen etc. – geeignet sind, wie es derzeit beispielhaft auf dem ehemaligenJerusalemfriedhof in Neukölln geschieht. Wenn wir die Kapazitäten für temporäresWohnen ausbauen, hilft das auch der wachsenden Zahl von Wohnungslosen. DieKompetenzfeststellung für Geflüchtete, die Grundlage für die Arbeitsmarktintegration ist,soll auch Langzeitarbeitslosen zugutekommen.Erleichterungen bei der Qualifikation von Quereinsteiger*innen ausWillkommensklassen für den Lehrer*innenberuf wollen wir öffnen, so dass sie auch denLehrer*innen mit ausländischen Abschlüssen zugutekommen. Mit mehr und verlässlicherUnterstützung und einem schlüssigen Konzept, das ein Miteinander an den Schulen vonAnfang an ermöglicht, werden Willkommensklassen – einst aus der Not geboren – zu7

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLINLANDESDELEGIERTENKONFERENZ2. DEZEMBER 2017- BESCHLUSS –270„Integrationsbeschleunigern“, die Anfangsschwierigkeiten aller neuzugewandertenKinder abbauen helfen und sie fit machen für den Besuch von Regelklassen.275Wir wollen die Erfahrungen mit dem teils überwältigenden Engagement vonFreiwilligen seit 2015 nutzen, um dauerhaft Strukturen für Engagement zu stärken unddie Verwaltung für die Kooperation mit der Zivilgesellschaft zu öffnen. Nicht nur inUnterkünften, sondern überall. Nicht alles, aber vieles kann, wenn es nachhaltig gemachtwird, auch anderen Zielgruppen zugutekommen. So schaffen wir es, dass Integrationnicht zum Spielfeld von Rechtspopulist*innen wird, sondern den gesellschaftlichenZusammenhalt stärkt.280DIE ZEIT IST ÜBERREIF – MIT GRÜN GEHT S WEITER285290Bislang gibt es kein Gesamtkonzept für Integration. Auch wir haben noch nicht alleAntworten. Der „Masterplan für Integration und Sicherheit“, den der rot-schwarze Senatin Auftrag gegeben hatte, wurde ohne diejenigen Akteur*innen formuliert, die ihnumsetzen müssten: Die NGOs, MSO's und Neue Deutsche Organisationen, die Schulen,Oberstufenzentren, Universitäten, Kammern, Wirtschafts- und Wohlfahrtsverbände. Daswollen wir anders machen. Deshalb werden wir mit den Akteur*innen aus derZivilgesellschaft sowie mit Geflüchteten den Dialog suchen, um auf Grundlage ihrerErfahrungen ein aktuelles Integrationskonzept zu entwickeln und das Partizipationsund Integrationsgesetz fortzuschreiben.8

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BERLIN LANDESDELEGIERTENKONFERENZ 2. DEZEMBER 2017 - BESCHLUSS – 1 HERZLICH WILLKOMMEN – JETZT AUCH IN STAATLICH 5 Berlin, wie es heute ist