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Wohnen in Bremen und BremerhavenSituation der Mieterinnen und Mieter im Land BremenZum elften Mal legt die Arbeitnehmerkammer Bremen ihren Bericht zur sozialenLage vor – diesmal mit dem Schwerpunktthema ›Wohnen in Bremen und Bremerhaven –Situation der Mieterinnen und Mieter im Land Bremen‹. Denn seit einigen Jahren ist dieLage auf dem deutschen Wohnungsmarkt deutlich angespannt: Wohnraum wird knap-aus der Subvention des Wohnungsbaus weitgehend zurückgezogen hat und sich seitdemvorwiegend die Kräfte des Marktes entfalten. Dass diese Entscheidung auf lange Sichtfalsch war, wird jetzt deutlich.Doch gelten all diese Feststellungen auch für das Land Bremen? Ist die Lage hierebenso angespannt wie andernorts? Um das herauszufinden, haben wir zusammenmit dem Institut empirica und mit der Unterstützung des Statistischen LandesamtsMietpreisdaten ausgewertet und die Bremer Mieterinnen und Mieter in einer repräsentativen Befragung zu Wort kommen lassen. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nurin bestimmten Ortsteilen die Mieten gestiegen sind, sondern insbesondere bei Neuvertragsmieten der Preis deutlich anzieht. Das heißt, ein Wechsel in eine vergleichbareWohnung im selben Wohnviertel führt in der Regel zu einer höheren Miete. Die prozentual höchsten Mietbelastungen verzeichnen Haushalte mit geringem Einkommen.w w w. a r b e i t n e h m e r k a m m e r. d eBERICHT ZUR SOZIALEN L AGE 2013 // Wohnen in Bremen und Bremerhavenper, gerade kleine Wohnungen sind nur schwer und wenn, teuer zu haben. Dabei istgerade hier die Nachfrage gestiegen. Grund dafür ist auch, dass sich der Bund seit 1990w w w. a r b e i t n e h m e r k a m m e r. d eWohnen in Bremen und BremerhavenSituation der Mieterinnen und Mieter im Land BremenSituation der Mieterinnenund Mieter im Land BremenB E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 n
1288162ImpressumElke Heyduck / Kai-Ole HausenEinleitungWohnen in Bremen und BremerhavenEinführung in das ThemaKai-Ole HausenWohnraumversorgung als kommunale AufgabeIndividuelle Bedürfnisbefriedigung in Abhängigkeit von der persönlichen SituationSoziale Aspekte der WohnungsbaupolitikDie Wohnung im RechtKai-Ole HausenDer Wohnungsbau in BremenLeitbild der Stadtentwicklung 2020Die Wohnungsbauförderung in BremenDie Bedeutung des Wohngeldes in BremenFörderung mit städtebaulichen Zielsetzungenempirica / Thomas SchwarzerSituation des Bremer bung für Bremen und BremerhavenStatistisches Landesamt BremenBremer Miethaushalte – eine Studie zur aktuellen SituationGebäude und WohnungszählungMieterbefragung 2013 in BremenDr. Andrej HolmKommunale wohnungspolitische InstrumenteStädteberichte: Berlin, Bremen, Hamburg, Köln, Leipzig, MünchenKommunale Instrumente der Wohnungspolitik – HandlungsoptionenPerspektiven einer sozialorientierten WohnungspolitikSchlussfolgerungen für die Bremer WohnungspolitikRalf LorenzenVom Musterhaus zur Schrott-Immobilie –ein Streifzug durch Bremer WohnquartiereLiebe auf dem ersten BlickHoch im NordenNeue Fassade reicht nichtÜberleben in der SchrottimmobilieEinmal Findorff, immer FindorffGut durchmischtNestwohnen am Rande des ViertelsNach oben oder nach unten?Paul M. Schröder / Thomas SchwarzerZahlen, Daten, Fakten zur Armut im Land Bremen
23B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 0 1 3HER AUSGEBERArbeitnehmerkammer BremenBürgerstraße 128195 BremenTelefon 0421· 36301- 0Telefax 0421·36301- .deR E DA K T I O NNathalie Sander (V. i. S. d. P.)Kai-Ole HausenThomas SchwarzerElke HeyduckLEK TOR ATMartina KedenburgGR AFISCHE GESTALTUNGDesignbüro Möhlenkamp,Marlis SchuldtJörg MöhlenkampFOTOSKay MichalakDRUCKGirzig & Gottschalk, BremenNovember 2013Aus Gründen der besserenLesbarkeit verzichten wir in dervorliegenden Studie auf diezusätzliche Formulierung derweiblichen Schreibweise.Wir weisen ausdrücklich daraufhin, dass die männliche Formstets neutral für weiblicheund männliche, natürliche oderjuristische Personen steht.
45B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 0 1 3EINLEITUNGELKE HEYDUC K KAI-OLE HAUSENArbeitnehmerkammer Bremen1EinleitungWas dieser Bericht liefert – Aufbau, zentraleErgebnisse, Handlungsempfehlungen›Wohnst Du noch oder lebst Du schon?‹ – derWerbeslogan macht deutlich, dass Wohnen mehrist, als ein schützendes Dach über dem Kopf. Angemessener und bezahlbarer Wohnraum gehört zuden Voraussetzungen für ein menschenwürdigesund selbstbestimmtes Leben.Angesichts jüngster Entwicklungen vor allem inden wachsenden Großstädten, ist das Thema Wohnen wieder ins Zentrum des öffentlichen Interessesgerückt. In vielen Städten und Metropolregionenin Deutschland ist bezahlbarer Wohnraum inzwischen Mangelware. Und zwar nicht nur für besondere Zielgruppen des Wohnungsmarktes wie etwaStudierende, Alleinerziehende, alleinlebende Niedrigverdiener oder Bezieher von niedrigen Rentenoder von Arbeitslosengeld, sondern auch für Arbeitnehmerhaushalte mit geringen und mittlerenEinkünften. Für diese Entwicklung gibt es mehrereUrsachen.So ist auch in der Stadt Bremen, die nicht zuden stark wachsenden Metropolen zählt, dieZahl der Privathaushalte zwischen 1990 und 2012von rund 275.000 auf 305.800, das heißt um rundelf Prozent gestiegen. Dahinter steckt der Trendzum Alleinwohnen, mehr Singles bewegen sichauf dem Wohnungsmarkt und fragen zum Beispielkleine Wohnungen nach, die aber auf dem Marktnicht ausreichend vorhanden sind. Angebot undNachfrage passen in bestimmten Segmenten desWohnungsmarktes nicht mehr zusammen. Dies isteine, aber nicht die einzige Ursache für die neueWohnungsknappheit. Das Land Bremen etwa hatim Vergleich mit anderen Großstädten mit 37 Prozent die höchste Eigentumsquote. In Hamburgliegt diese Quote bei 24 Prozent, in Berlin lediglichbei 15 Prozent.1 Dementsprechend ist das Angebotan Mietwohnungen in der Stadt Bremen strukturell begrenzter. Zudem ist die Zahl der Mietwohnungen seit der Volkszählung 1987 nicht nurrelativ (-6,3 Prozent), sondern auch absolut deutlich zurückgegangen (-11.089).2Hinzu kommt ein seit mehreren Jahren aufgeheizter Immobilienmarkt einerseits, die rapidesinkende Zahl von Wohnungen in Sozialbindungandererseits. All diese Faktoren sorgen auch ineiner Großstadt wie Bremen, die nicht zu den›Boomtowns‹ der Bundesrepublik zählt, für einenimmer angespannteren Markt für Mieter. Jahrzehntelang galt der Wohnungsbau als eine wichtige Aufgabe der Politik, der Bund förderte ihn mit hohenSubventionen. Seit 1990 aber hat er sich aus diesem Feld weitgehend zurückgezogen und die Kräfte des Marktes walten lassen. Inzwischen aber sindsich von der Bundesregierung über den DeutschenStädtetag bis zu den Ländern und Kommunen alleeinig: Wohnungspolitik ist ein Feld, das zurückerobert werden muss und der politischen Steuerungbedarf. Für diesen Willen steht in Bremen das›Bündnis für Wohnen‹, das, angesiedelt im Rathaus,Politik, Verbände, Kammern, Interessensgruppenund Immobilienwirtschaft an einen Tisch bringt.Der beschriebene Handlungsdruck ist auchAnlass dieses Sozialberichts zum Thema Wohnen.Die inhaltliche Auseinandersetzung mit demThema ist für die Arbeitnehmerkammer angezeigt,da ein größer werdender Anteil des Haushaltseinkommens für das Wohnen aufgewendet werdenmuss und somit ganz unmittelbar die Lebensbedingungen und -wirklichkeit der Mitglieder der Arbeitnehmerkammer beeinflusst werden.Deshalb bildet der diesjährige thematischeSchwerpunkt des Berichts zur sozialen Lage dieSituation des Wohnens in Bremen und Bremerhaven ab. Eine Mieterbefragung in sechs Ortsteilenliefert dabei erstmals Auskunft über die tatsächliche Belastung der Haushalte durch die Wohnkosten. Empirische Untersuchungen zu den Mietpreisen ergänzen die Befragung und Interviewsmit Bremer und Bremerhavener Mieterinnen undMietern erlauben einen Einblick in eingelösteWünsche, wie auch in Rückschläge und Frustrationen auf den Wohnungsmärkten der beiden Städtedes Landes Bremen.1 Vgl. Statistisches Landesamt Bremen: Zensus 2011,Gebäude und Wohnungen,Land Bremen, Stand Mai2013, S. 15.2 Vgl. Kapitel 5 in diesemBericht.
67B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 0 1 3EINLEITUNGDie Beiträge dieses Berichts:DR. ANDREJ HOLM , Stadt- und RegionalsoziologeKAI-OLE HAUSEN , Referent für Wirtschafts- undInfrastrukturpolitik bei der Arbeitnehmerkammerführt ein ins Thema Wohnraumversorgung als einekommunale Aufgabe und in die sozialen Aspekteder Wohnungspolitik sowie deren Instrumente.Eine Geschichte des Bremer (sozialen) Wohnungsbaus bis hin zu den entsprechenden Aussagen desBremer Leitbildes der Stadtentwicklung 2020 unddes neu aufgelegten Förderprogramms für Neubauzeichnet die regionalen Wohnungspolitiken nach(Kapitel 2 und 3).Das BERLINER INSTITUT EMPIRICA wurde von unsmit zwei Untersuchungen beauftragt, die wirin diesem Bericht zusammengefasst haben und imInternet likationen-berichte-zur-sozialenlage.html) in Gänze zur Verfügung stehen. EineMietmarkterhebung anhand der Online- und PrintAnzeigen (empirica-Preisdatenbank) ermitteltdie aktuellen Preise für Neuvermietungen in denBremer und Bremerhavener Stadtteilen sowie dieSteigerung dieser Angebotsmieten seit 2004 biszum aktuellen ›Rand‹ 2012. Mit eingeflossen sindhierbei für das Jahr 2012 Daten der GEWOBA, diediese freundlicherweise zur Verfügung gestellthat. Informationen aus der Zusatzbefragung desMikrozensus 2006 und 2010 zum Thema ›Wohnen‹liefern zusätzlich Daten zu den Mietpreissteigerungen im Bestand und zu den Veränderungen zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten (Kapitel 4).Die Situation der Bremer Miethaushalte warGegenstand einer Befragung im Sommer 2013,die die Arbeitnehmerkammer beim StatistischenLandesamt Bremen in Auftrag gegeben hat.MARKUS HABIG, ULRICH SCHEWE UND ANNETTPRUSCHWITZ , haben Daten und Informationen ausden Fragebögen, die in sechs Bremer Ortsteile versandt wurden, ausgewertet. Sie ermöglichen damiteinen repräsentativen Einblick in die Belastung derHaushalte durch Wohnkosten und die besonderenBelastungen benachteiligter Gruppen auf demWohnungsmarkt. Auch die subjektive Wahrnehmung der Wohnsituation war Thema der schriftlichen Befragung. Einleitend skizzieren die Autoren / die Autorin die Situation auf dem Mietmarktentlang der Gebäude- und Wohnungszählungaus den Jahren 1987 und 2011 (Kapitel 5).an der Humboldt-Universität Berlin, forscht zuThemen der Stadterneuerung, Gentrifizierung undWohnungspolitik im internationalen Vergleich.Er schildert und bewertet in seinem Gastbeitrag dieaktuell angewendeten Instrumente der Wohnungspolitik von sechs deutschen Großstädten – Berlin,Köln, München, Leipzig, Hamburg und Bremen –und schließt mit Empfehlungen an die BremerWohnungspolitik (Kapitel 6).Der Hamburger Journalist und Sozialwissenschaftler RALF LORENZEN macht ›Butter bei dieFische‹: In sieben Interviews werden Erfahrungenauf dem Bremer und Bremerhavener Mietmarktrekapituliert. Alleinerziehende, Singles, (migrantische) Familien und Senioren kommen zu Wort undberichten von Träumen, Kompromissen, Frustrationen, vom ›Gehen oder Bleiben‹ in den Quartieren (Kapitel 7).PAUL M. SCHRÖDER schließlich (Bremer Institutfür Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V.), liefert in seinem Beitrag auch in diesemSozialbericht wieder eine umfassende Analyse derArmutsentwicklung in Bremen und Bremerhavenauf Basis der neusten statistischen Daten undKennziffern (Kapitel 8).Angesichts der durchschnittlichen, eher niedrigen Mietpreise in Bremen und einem hohen Anteilvon Mietwohnungen in der Hand der GEWOBA(42.000 Wohnungen) gilt der Bremer Wohnungsmarkt als relativ entspannt. Dies ist allerdings einUrteil, das nur oberflächlich zutrifft. Der Wohnungs- beziehungsweise Mietmarkt lässt sich nichtals Ganzes bewerten. Er funktioniert in Teilmärkten und für verschiedene Zielgruppen jeweils ganzunterschiedlich. Entscheidend ist daher der Blickauf diese Teilbereiche. Wenn das Mietniveau insgesamt moderat ist, so verbergen sich dahinter gleichwohl in den knappen Segmenten des Bremer Wohnungsmarktes – zum Beispiel den kleinen, vonSingles, Studierenden, Berufsanfängern nachgefragten Wohnungen wie auch den sehr großen, vonFamilien mit mehreren Kindern oder Wohngemeinschaften nachgefragten Wohnungen – doch erhebliche, vom Durchschnitt weit abweichende Preise.Aus den Daten und Fakten dieses Berichts ergibtsich, dass der Mietmarkt in Bremen in Teilen angespannt ist und sich eine soziale Wohnungspolitikinsbesondere damit beschäftigen muss.Wesentliche Ergebnisse der Untersuchungensind hier in Kürze zusammengefasst: Die Mietwohnungsmärkte in Bremen und Bremerhaven unterscheiden sich deutlich voneinander. Sieht man sich die Angebotsmieten an(Auswertung von Online- und Print-Angebotendurch die empirica-Preisdatenbank) zeigt sich,dass mit durchschnittlich 6,43 Euro je Quadratmeter das Mietpreisniveau in Bremen deutlichoberhalb des Bremerhavener Niveaus von 4,50Euro je Quadratmeter Wohnfläche liegt. Dabeiist die Mietpreisspanne in Bremen erheblichgrößer als in Bremerhaven: Während in derSeestadt der größte Teil der Mietwohnungenzu einem Quadratmeterpreis um die 4,50 Euroangeboten wird, verteilen sich die Angebote inBremen gleichmäßiger auf zahlreiche Preisklassen. Auch wird deutlich, dass in Bremerhavenkaum Angebote oberhalb von 6,50 Euro proQuadratmeter angeboten werden, während esin Bremen oberhalb der Zehn-Euro-Schwellenoch einen nennenswerten Anteil gibt. Bedingt durch die Heterogenität des Wohnungsmarktes und der Nachfragesituation in denStadt- und Ortsteilen sind die Quadratmeterpreise für Mietwohnungen sehr unterschiedlich.So liegen die höchsten durchschnittlichenAngebotsmieten in den Ortsteilen Überseestadt(bei 10,51 Euro) und Schwachhausen (bei 8,27Euro), wobei es sich in der Überseestadt ausschließlich um Neubauwohnungen handeltund die Stichprobe relativ klein ist. Demgegenüber weisen die Stadtteile Blumenthal undOsterholz im Schnitt Quadratmeterpreise von5,18 Euro beziehungsweise 5,35 Euro aus. Auchin diesen Zahlen zeigt sich die Spaltung derStadt – und angesichts des erklärten Ziels desBremer Senats, dieser sozialen Spaltung entgegenzuwirken, stellt sich die Frage, wie bei solchgroßen Disparitäten in den Angebotsmietenin den einzelnen Stadtteilen wirtschaftlichschwache Haushalte in die Lage versetztwerden sollen, in den bevorzugten Wohnlagenihren Wohnstandort zu wählen. Der allgemeine Preisanstieg in der StadtBremen wird besonders im Neubau deutlich:Während Neubaumietwohnungen aktuell fürdurchschnittlich rund 10,90 Euro pro Quadratmeter angeboten werden, waren es 2009 runddrei Euro weniger und 2006 sogar nur rund6,80 Euro. Aber auch die Bestandspreise sindleicht gestiegen auf aktuell rund 6,35 Euro proQuadratmeter. Damit zeigt sich auch in Bremen der aktuelle Preisanstieg, der in vielendeutschen Großstädten zu beobachten ist.Er betrug im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr 4,3 Prozent und im Jahr 2012 noch einmal1,9 Prozent. Ein wichtiger Indikator, um Tendenzen aufdem Mietwohnungsmarkt abschätzen zu können, ist die Differenz zwischen Bestands- undNeuvertragsmieten. Dieser wird als Mietpreisanstieg wahrgenommen. Denn während Vermieter zum einen die Mieten aus bestehendenVerträgen nicht beliebig erhöhen dürfen, zumanderen aber auch häufig auf Eingriffe in bestehende Mietverträge verzichten, können die Mieten bei Neuverträgen prinzipiell frei bestimmtwerden. Der Vermieter kann die Miete dann anneue lokale und ökonomische Entwicklungenanpassen. Neuvertragsmieten eilen den Bestandsmieten also normalerweise voraus undliegen in Zeiten steigender Mieten über demNiveau der Bestandsmieten. Für eine solche Auswertung wurden die Daten aus dem Mikrozensus 2006 und die aus 2010 herangezogen. In derStadt Bremen lagen im Jahr 2006 die Neuvertragsmieten 16,2 Prozent über den Bestandsmieten, im Jahr 2010 um 14 Prozent. Auch hier gibtes allerdings deutliche Unterschiede zwischenden unterschiedlichen Qualitätsgruppen undGrößen der Wohnungen. Bemerkenswert ist der25-prozentige Anstieg bei den Neuvertragsmieten für einfache Wohnungen (unteres Fünftel)im Jahr 2006 (Stadt Bremen). Dies bedeutet, dasses sich häufig nicht lohnt, von einer großenWohnung (alte Bestandsmiete) in eine kleinereWohnung (neue Neuvertragsmiete) umzuziehen, da die Einsparpotenziale in der Regel nurgering sind. Im Jahr 2010 betrug die Differenzzwischen Bestands- und Neuvertragsmiete allerdings ›nur mehr‹ 8,8 Prozent. Dass die Mieterund Mieterinnen einfacher, günstigerer Wohnungen von Preisanstiegen besonders betroffensind, legt aber auch ein Vergleich der Bestandsmieten zwischen 2006 und 2010 nahe: Hierstiegen die Mieten im Schnitt um rund 20 Prozent, während sie im gesamten Durchschnittnur um 8,4 Prozent zunehmen (Stadt Bremen).
89B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 0 1 3EINLEITUNGAbb. 1: Mittlere Jahreseinkünftein den Stadtteilen Bremens in EuroDie Bindung der Bremerinnen und Bremer an ›ihre‹ Ortsteile sind einPfund, mit dem die Politik wuchern kann. Die Wohnzufriedenheitist hoch, gleichwohl zeigt sich, dass für bestimmte Zielgruppen wie auchfür Teile des Wohnungsmarktes eine deutliche Anspannung vorliegt.Oberneuland83.842Borgfeld Burglesum3 Die Mietbelastungsquoteeines Haushalts bezeichnet den Anteil am Haushaltsnettoeinkommen, derfür die Bruttokaltmieteaufgebracht werden muss.In der hier verwendetenWohnkostenbelastungsquote ist zusätzlich nachden Betriebskosten, denKosten der Heizung undden Stromkosten gefragtworden. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Ergebnis der Mieterbefragung, die das StatistischeLandesamt im Auftrag der Kammer durchgeführt hat: Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre stiegen die Wohnkosten kontinuierlich. Haushalte mit einer Wohndauer von zehn Jahrenzahlen für die Warmmiete durchschnittlich8,63 Euro je Quadratmeter – Haushalte miteiner Wohndauer von einem Jahr zahlen durchschnittlich 9,81 Euro je Quadratmeter, dies entspricht einer Steigerungsrate von 13,7 Prozent(siehe Kapitel 5). Dabei belaufen sich die Aufwendungen für Warmmiete durchschnittlichauf 589 Euro, was – wiederum im Durchschnitt– etwa 34 Prozent des im Haushalt zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens entspricht.Inzwischen steht diese ›Wohnkostenbelastungsquote‹3 in den vom Statistischen Landesamtbefragten Haushalten in einem zunehmendgrößer werdenden Missverhältnis. Rund 65 Prozent aller Haushalte müssen schon heute 30bis 50 Prozent des zur Verfügung stehendenHaushaltseinkommens für die Wohnkosten aufwenden. Jeder zehnte befragte Haushalt gibt an,zwischen 55 bis unter 60 Prozent des Nettohaushaltseinkommens fürs Wohnen zu investieren. Besonders tief müssen jüngere Mieter(18 bis 30 Jahre), Senioren und Alleinerziehendein die Tasche greifen: Bei ihnen betragen dieWohnkosten bis zu 41 Prozent des verfügbarenEinkommens. Besonders ausgeprägt ist diesesVerhältnis bei den von Armut gefährdeten Haushalten: Insgesamt lag hier der durchschnittliche Anteil der Warmmiete am Einkommen bei56 Prozent. Alleinerziehende sind im Übrigennach mehreren Kriterien im Nachteil: Sietragen die höchsten Kosten und haben dengeringsten Pro-Kopf-Flächenverbrauch. Dieselbe soziale Schieflage offenbart auch einBlick auf die Belastungen nach Ortsteilen: Inden eher bürgerlich geprägten Wohngebietenliegt die durchschnittliche Belastung der Haushalte unterhalb des erhobenen Durchschnitts –in den Mischgebieten beziehungsweise demArbeiterviertel darüber – obwohl dort dieQuadratmeterzahl pro Kopf geringer und auchder Quadratmeterpreis kleiner ist. Bei der subjektiven Einschätzung ist jedoch dergrößte Teil, nämlich zwei Drittel, der befragtenHaushalte zufrieden mit der Wohnsituation.Ein gutes Fünftel (22,6 Prozent) möchte umziehen, am häufigsten, weil eine größere und/odergünstigere Wohnung gesucht wird. Die Verbundenheit mit dem Ortsteil ist aber sogar beidieser Gruppe stark ausgeprägt. Über 80 Prozent aller Befragten gaben an, gerne in ihremUmfeld zu leben. Eine gute Verkehrsanbindungist hier einer der ausschlaggebenden Punkte.Die Bindung der Bremerinnen und Bremer an›ihre‹ Ortsteile ist ein Pfund, mit dem die Politikwuchern kann. Die Wohnzufriedenheit ist hoch,gleichwohl zeigt sich, dass für bestimmte Zielgruppen, wie auch für Teile des Wohnungsmarktes einedeutliche Anspannung vorliegt. Die Gefahr besteht,dass die soziale Spaltung, die sich in Bremen auchin einer stark ausgeprägten räumlichen Spaltungausdrückt, ohne regulierende Eingriffe weiter verschärft. Dies stünde im direkten Gegensatz zumZiel des städtebaulichen Leitbilds Bremen, dassoziale Spaltung abbauen will und den Abstandzwischen den zehn ärmsten und reichsten BremerStadtteilen verringern will.Der entscheidende Grund für die fortschreitende sozialräumliche Segregation ist die Ungleichheit der Einkommen. Ohne politische Steuerungwählen Haushalte mit niedrigen Einkommen diejenigen Stadtteile aus, in denen günstig gewohntwerden kann, weil in den ›besseren‹ Stadtteilensolche Angebote nicht oder zu wenig vorhandensind. Es gibt einen engen und aus den folgendenAbbildungen ersichtlichen Zusammenhangzwischen Miethöhe und Einkommenssituation.Bedenkt man, dass die Mietpreissteigerungen gerade auch in kostengünstigeren Wohnungsbeständenrelativ höher sind und gleichzeitig die Belastungunterer Einkommensschichten durch Mietenüberproportional hoch ist, wird deutlich, dassgerade hier Handlungsbedarf besteht.Die Abbildungen 1 und 2 liefern auch Indiziendafür, dass in (innenstadtnahen) Stadtteilen, die inden vergangenen Jahren eine besondere Nachfrageauf dem Wohnungsmarkt erfahren haben, Tendenzen einer entgegengesetzten Entwicklung dermittleren Haushaltseinkommen und der Mietpreise vorhanden sind. Aufwertungsprozesse könnenhier auch zu Verdrängungsprozessen werden. Sostehen die Mietwohnungsangebote vor allem inden Stadtteilen Findorff, Neustadt, Mitte und Östliche Vorstadt in einem größeren Missverhältnis zuden mittleren Einkommen in diesen Stadtteilen.In Findorff sind die durchschnittlichen Jahreseinkommen nicht wesentlich höher als in Vegesack –allerdings unterscheiden sich die durchschnittlichen Mietpreise mittlerweile erheblich: So müssenin Findorff inzwischen 7,45 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche aufgebracht werden, in Vegesackhingegen nur 5,66 Euro. Haushalte in den betroffenen Stadtteilen, die zum Beispiel aus familiärenGründen eine andere Wohnung suchen, könntengezwungen sein, niedrigpreisigere Quartiere zuwählen. Interessanterweise gaben insbesondereFindorffer Wohnungssuchende in unserer Mieterbefragung besonders häufig an, in ›ihrem‹ Stadtteilnicht fündig zu werden. Noch augenfälliger ist derUnterschied zwischen dem mittleren Einkommenund den Quadratmeterpreisen in der Östlichen Vorstadt. So finden sich hier im Stadtteilvergleich diezweithöchsten Angebotsmieten. Im Vergleich dazusind die Jahreseinkommen aber keinesfalls überdurchschnittlich, sondern mit 29.469 Euro imoberen Mittelfeld. Ähnliches gilt für die Neustadt.Gerade in solchen Quartieren gilt es, den beginnenden städtischen Umstrukturierungsprozessenmit Maßnahmen zu begegnen, die die vorhandenesoziale Mischung nicht gefährden. Andernfallsführt dies unvermeidlich zu einer weiteren sozialen und räumlichen Polarisierung in der Stadt.31.135Mitte31.026Östliche .345Walle20.781Vahr20.191Gröpelingen18.2340 20.000 60.000 40.00080.000 100.000 Quelle: Statistisches Landesamt Bremen, Einkommensteuerstatistik 2007Abb. 2: Mietwohnungsangebote in Euro je m2 nachStadtteilen mit GEWOBA (arithmetisches Mittel)Schwachhausen8,44Östliche 42Osterholz5,35Blumenthal5,080Quelle: Kapitel 4, Tabelle 2,(Institut emprica, eigene Darstellung)246810
1011B E R I C H T Z U R S O Z I A L E N L AG E 2 0 1 34 Vgl. Kapitel 2 in diesemBericht; diese Quote entspricht im Übrigen auchin etwa der Armutsgefährdungsquote im LandBremen, wie in Kapitel 8dieses Berichts dargestellt.5 Vgl. Deutscher Mieterbund: Energiewendeim Gebäudebereich –ist die Luft schon raus?6 Vgl. Difu-Berichte3/2012 – Wohnraumversorgung in Städten –eine neue Wohnungsnot?!Dabei wird die Nachfrage nach preiswertem Wohnraum weiter steigen: der Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse, eine stagnierende und zuletztwieder steigende Zahl von Transferleistungsempfängerinnen und -empfängern, mehr Studierende(verstärkt durch die doppelten Abiturjahrgängeund das Aussetzen der Wehrpflicht) und einegrößer werdende Gruppe von Seniorinnen undSenioren, die von Altersarmut betroffen sind, steigert den Druck auf dem Teilmarkt preiswerterWohnungen. Schon heute müssen über 20 Prozentaller Mietwohnungen im unteren Preissegmentangesiedelt sein oder die Kriterien der Angemessenheit erfüllen.4 Und: Diese Wohnungen müssen derzeit vorwiegend auf dem freien Markt zu findensein. Von den vom Statistischen Landesamt befragten Haushalten wohnten nur 5,4 Prozent in eineröffentlich geförderten Wohnung, aber 13,3 Prozenterhielten staatliche Transferleistungen. DieserPersonenkreis konkurriert entsprechend um dasknappe und unregulierte Angebot. Die Situationverschärft sich infolge des Rückgangs des Sozialwohnungsbestandes, der zu einer erheblichenReduzierung der Angebote im preiswerten Marksegment führt. Nach gegenwärtigem Stand werdenim Jahr 2015 nur noch rund 7.900 Sozialwohnungen zur Verfügung stehen und im Jahr 2020lediglich 5.500 – bei gleichzeitiger Zunahme derBevölkerung unterhalb der Armutsgrenze.Auch energetische Sanierungen, barrierefreieUmbauten oder andere Modernisierungsmaßnahmen führen zu Mieterhöhungen – bei allen Wohnungen, aber eben auch im niedrigpreisigen Sektor.Mieter tragen die entstehenden Kosten durch Mietsteigerungen. Eine realistische Berechnung derHeizkostenersparnis findet zum Beispiel bei derUmlage der Kosten der energetischen Sanierungauf die Miete nicht statt. Nach geltendem Rechtkönnen Vermieter elf Prozent der Kosten für dieModernisierung auf die Miete aufschlagen. EineBaumaßnahme, so eine Berechnung des DeutschenMieterbundes, die 100 Euro pro Quadratmeterkostet, führt bei einer 80 Quadratmeter großenMietwohnung zu einer monatlichen Mieterhöhungvon mehr als 73 Euro. Dem stünden monatlicheHeizkosten von durchschnittlich 76 Euro gegenüber. Selbst bei einer Heizkostenersparnis von50 Prozent zahlt der Mieter unterm Strich drauf.5EINLEITUNGHandlungsempfehlungenDer Bremer Senat hat mit seiner Wohnungsbauoffensive, der sogenannten ›30 Liste‹ und demWohnraumförderungsprogramm 2012/2013 zunächst auf das von ihm beauftragte Gutachten vonGEWOS reagiert und setzt damit auf Neubauten.Diese sollen zum einen für Entspannung auf demWohnungsmarkt sorgen, aber auch mit der prognostizierten Zunahme der Haushalte in den kommenden Jahren Schritt halten. Zugleich ist ein imRathaus angesiedeltes Bündnis, an dem sich nebender Wohnungsbaupolitik und der Wohnungswirtschaft auch die Wirtschafts- und Arbeitnehmerkammer(n) wie auch Interessensverbände beteiligen, ins Leben gerufen worden. Es sollte unteranderem dafür sorgen, dass die freie Wohnungswirtschaft eine Sozialwohnungsquote von 25 Prozent bei neuem Baurecht und dem Verkauf städtischer Grundstücke akzeptiert. Auch wurden dieKonditionen hierfür im Detail im Bündnis ausgehandelt. Auf Druck sozialer Verbände und auchder Arbeitnehmerkammer sind die Wohnungen imBestand ebenfalls Thema des Bündnisses geworden.Denn auch, wenn das Programm – was zu hoffenist – von der Bauwirtschaft in Anspruch genommenwird, entstehen hierdurch in den kommendendrei Jahren maximal 700 Neubauwohnungen (undsanierte Bestandswohnungen) mit einer Mietpreisbindung von 6,20 Euro (saniert) oder 6,50 Euro(Neubau) pro Quadratmeter. Ansonsten aber istwegen der hohen baulichen Standards Neubaukaum zu günstigen Preisen zu haben, wie auch dieNeuvermietungspreise in Bremen zeigen. Der Wohnungsbestand muss also für weniger einkommensstarke Bevölkerungsgruppen gesichert und weiterentwickelt werden. Zudem werden die sogenannten ›Sickereffekte‹, nach denen durch Neubau andere, preiswertere Wohnungen frei werden, von derFachöffentlichkeit durchaus angezweifelt .6 Hochpreisiger Neubau wird von einkommensstarkenGruppen angemietet, die in der Regel auch vorhernicht preisgünstig gewohnt haben. Zudem sind mitder Neuvermietung, wie auch die Bremer Zahlenzeigen, meist deutliche Mietsprünge verbunden.Preiswerte Wohnungen verschwinden dadurchvom Markt.Dennoch sind auch die beschlossenen Neubaumaßnahmen zu begrüßen: Untergenutzte Gewerbeflächen wie der Büropark Oberneuland werdenDurch das Auslaufen der Bindungsfristen reduziert sich dasAngebot mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungen von über25.000 Wohnungen im Jahr 2000 auf rund 5.500 im Jahr 2020.hierdurch für den Wohnungsbau aktiviert, gleichzeitig garantiert die Sozialwohnungsquote, dassauch in bislang monostrukturellen Gebieten wieder Überseestadt bezahlbarer Wohnraum entsteht.Vor dem Hintergrund des begrenzten Flächenpotenzials Bremens wie auch aus ökonomischenGründen sind die Nachverdichtung und die Neuordnung im Innenbereich etwa durch die Umnutzung von Brachen, bedeutsam. Hierdurch ergebensich vor allem Chancen der städtebaulichenund sozialen Aufwertung von bislang wenigerbegehrten Wohnvierteln, in denen aber die Immobilienpreise nicht die Niveaus etablierter Lagen(Schwachhausen, Östliche Vorstadt) erreicht haben.Die Potenziale für die Entstehung und Etablierungsozial gemischter Quartiere und damit auch vonUrbanität liegen dabei in erster Linie in innenstadtnahen Lagen, wie zum Beispiel in Huckelriede.Hierzu hat die Baudeputation im September diesesJahres für die ›Gartenstadt Werdersee‹ beschlossen,dass dies als neues Wohngebiet mit ›einem gemischten Angebot für alle Bevölkerungsschichten‹7entsteht, in dem ›Wohnraum für Haushalte mitkleinem und mi
Pseudo-Mietspiegel Mietmarkterhebung für Bremen und Bremerhaven Statistisches Landesamt Bremen Bremer Miethaushalte – eine Studie zur aktuellen Situation Gebäude und Wohnungszählung Mieterbefragung 2013 in Bremen Dr. Andrej Holm Kommunale wohnungspolitische Instrumente