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Grenzgänge als Normalfall –der Komponist Fortunat FrölichStephan Thomasas Haus an der Churer Salisstrasse, indem Fortunat Frölich zusammen mit seiner Frau Andreetta Nogler und den KindernArina (20) und Cla (12) wohnt, hat seit seiner Errichtung viel Musik gehört. Erbaut wurde es für den Komponisten, Musiker und Musikpädagogen Armon Cantieni (1907–1962),dessen Familie es heute noch gehört (zuArmon Cantieni s. auch den Beitrag im Bündner Jahrbuch 2008). Hier treffen wir uns imJanuar 2014.DMusik hat in Fortunat Frölichs Elternhauseine grosse Rolle gespielt. Seine Mutter hatteKlavier studiert, war aber später kaum konzertierend oder musikpädagogisch tätig. Dennoch wurde daheim viel musiziert, der Vaterspielte Flöte. Am Radio hörte man das klassische Repertoire, etwa die Symphonien vonJohannes Brahms. Als Selbstverständlichkeitgalt der Besuch der Churer Singschule. «Meine ersten Konzertbesuche in der St. Martinskirche haben mir gewaltig Eindruck gemacht.In dieser Zeit habe ich auch mit dem Cellospiel begonnen, zunächst ohne viel Begeisterung. Mit dem Eintritt in die Bündner Kan-Fortunat Frölich im Jahr 1991. (Foto pd)tonsschule wollte ich damit aufhören. DieEltern haben mich dann vom Üben dispensiert, mich aber weiterhin in die Cellostundegeschickt. Später wurde die Popmusik wichtig,ich dachte daran, Schlagzeug zu spielen. Dannhat eine Band einen Bassisten gesucht. Ichhabe im Blutigen Daumen in Zürich einemMusiker einen Bass abgekauft und in Bandsgespielt, habe auch für sie komponiert. In derPubertät war dieser Stil sehr wichtig für mich.Ich entdeckte meine Schaffenskraft vor demHintergrund der vielen Leerläufe, denen manals Schüler ausgeliefert war. Natürlich habenmich auch andere Bereiche interessiert, zumMusikWir fragen Fortunat Frölich nach seinerBerufsbezeichnung. «Ich bin Komponist. Sostelle ich mich jeweils vor.» Nicht als Musiker?«Nein. Seit ich nicht mehr Cello spiele, bin ichKomponist, oder Komponist und Dirigent».Cello spielt Frölich nur noch für den Hausgebrauch, wie er sagt, oder um Studierendezu begleiten. Hin und wieder ist er noch ineinem Kinderkonzert zu hören, zusammenmit Linard Bardill. Der Verzicht auf sein Instrument fiel ihm nicht leicht, doch ist heutesein Alltag mit Komponieren, Dirigieren undProjektarbeit mehr als nur ausgefüllt.79

Fortunat Frölich mit Linard Bardill und dem SinfonieorchesterBasel im Jahr 2001. (Foto Richard Stöhr, Hamburg)Beispiel Literatur. Aber beim Verfassen der Aufsätze musste man sich von Lehrern dreinredenlassen, so dass das Resultat oft gezwungen wirkte.»Frölich war von der Musik so angetan, dasser eine musikalische Ausbildung ins Auge fasste;im Bereich der Popmusik existierten damals allerdings noch keine Studiengänge. Bei seiner BandPlamp war er bald in die Rolle des Sängers gerutscht und hatte auch das Cello vermehrt einbezogen. So erschien denn ein Cellostudium folgerichtig, das Frölich 1974 bei Rolf Looser in Zürichin Angriff nahm. Von diesem Moment an standfür ihn wieder die klassische Musik im Mittelpunkt. Ein zweiter Weg hatte sich eröffnet, nachdem Herr Kränzle, der Stimmbildner des Kammerchors Chur, bei Frölich ein grosses stimmliches Potential ausgemacht hatte. Wäre es nachKränzle gegangen, hätte Frölich sich gänzlichdem Singen widmen und das Cello in die Ecke80 Musikstellen müssen. Er begann mit Gesangsunterrichtim Nebenfach bei Hans Som am KonservatoriumZürich; am Cellostudium hielt er allerdings festund schloss es 1978 mit dem Lehrdiplom ab. Derweitere musikalische Weg war dann von diesenbeiden Bereichen geprägt, was nicht immer leichtfiel. «Das Singen ist damals ein Leidensweg gewesen. Nach dem Studium bin ich nach Italiengegangen, habe bioenergetische Therapien absolviert, habe mich richtiggehend durchschüttelnlassen. Es galt die Krise durchzufechten, die aufmein Musikstudium folgte. Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich mir im Klaren war, dass ich wirklich Musik machen wollte, und warum. Dann binich in die DDR gegangen, um Gesang zu studieren.Ich war in Leipzig an einer sozialistischen Schule,wie sie im Buche steht, und ging bei dem ziemlichrenommierten Sänger Hermann Christian Polsterin den Unterricht.» Wieso ausgerechnet die DDR ?«Ich war neugierig auf diesen Kulturraum – Bach,die Thomaskirche, das nahe Weimar, Schiller,Goethe – und auf den Sozialismus als politischesSystem. Das Studium war hervorragend, es gabviel Hauptfachunterricht, Korrepetition, Schauspiel . . . Der Aufenthalt wurde mir durch eingrosszügiges Stipendium des Bundesamtes fürBildung und Wirtschaft möglich gemacht.» DenGesang mochte Frölich schlussendlich trotzdemnicht zum Zentrum seiner musikalischen Aktivitätmachen. Sehr gute Erinnerungen hat er an seineZeit als Mitglied der Basler Madrigalisten und desunlängst aufgelösten Schweizer Kammerchors,beide professionelle Ensembles. «Diese Zeit vermisse ich. Man konnte mit Leuten wie Pierre Boulez und Simon Rattle zusammenarbeiten, auchwenn es nur von der hintersten Reihe aus war.Wir sind in der Zürcher Tonhalle, dem Luzerner

KKL und in Montreux aufgetreten und habenviele internationale Tourneen gemacht. Das warfantastisch.»Wir wollten von Fortunat Frölich wissen,welche Persönlichkeiten seinen musikalischenWeg in besonderem Masse geprägt haben. «Ichmuss vorausschicken, dass ich mit Sicherheit keinguter Schüler bin. Bewusst wurde mir das erstdurch meinen Sohn, der die gleichen Problemehat. Ich kann nicht annehmen. Ich kann mir Mühegeben, auch etwas imitieren, aber nicht wirklich annehmen. Ich muss alles aus mir heraus entwickeln. Das ist schade, denn ich hatte gute Lehrer, habe aber von ihnen letztlich nicht viel gelernt.Wichtig war in Chur natürlich Lucius Juon, aberer war mehr eine Autorität, eine Instanz nicht nurin musikalischen, sondern auch in menschlichenBelangen. An ihm kam man nicht vorbei; man hatsich immer an ihm messen müssen, ob man wollte oder nicht.» Ein Schock war der Wechsel vonZürich und Napoli in die DDR. «Hier war die Stimmung so: ‹Lerne du erst mal perfekt spielen odersingen, bevor du uns mit Künstlerischem kommst.Einfach mal nur machen.› Das war eine harte Landung. Wir hatten bei uns ‹im Westen› in unsererEuphorie die Kunst als etwas Abgehobenes betrachtet, das sich objektiven Kriterien entzieht.Bis weit ins Studium hatte ich mich dieser Illusion hingegeben, hatte es zum Beispiel auch untermeiner Würde gefunden, in einem Orchester zuspielen. Später merkte ich dann, dass es einige Anstrengung braucht, um in einem professionellenEnsemble überhaupt mithalten zu können. Meinespätere Orchesterstelle im Bündner Kammerorchester betrachtete ich nicht zuletzt als eine Gelegenheit zum Training. Da ist Disziplin gefragt,man muss ausharren, die Sache genau dem Fadennach ausführen. Das war aber nie meine Stärke.Dafür liegt mir der unkonventionelle Umgang mitdem Instrument; ich suchte neue Klangmöglichkeiten und liebte es zu improvisieren. Ich konnteauch gleichzeitig Cello spielen und singen, oderrezitieren.»Das Spiel im Orchester brachte Frölich auchzum Dirigieren. Im Gegensatz zum Cellospielpflegt er die Chor- und Orchesterleitung auchFortunat Frölich (rechts) mit Samir Essahbi aus Marokkoim Jahr 1999. (Pressebild zur Produktion: Von Liebe und Tod)heute noch. Interessiert hätte ihn dieser Aspektschon während des Studiums, aber zu dieserZeit waren die Ausbildungsmöglichkeiten in derSchweiz noch beschränkt. «Zum Dirigieren binich im Rahmen der Projekte zusammen mit LinardBardill gekommen. Er hat mich einfach als Dirigent beim Zürcher Kammerorchester angemeldet.Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie sich vonmir dirigieren lassen würden. Andererseits wollteich diese Chance nicht verstreichen lassen.» Später erhielt Frölich die Möglichkeit, mit dem BaslerSinfonieorchester und den Hamburger Symphonikern auch grosse und renommierte Klangkörper zu leiten. Eine Herausforderung nicht nur aufmusikalischem Gebiet, denn es gilt auch, mit denEigenheiten und Befindlichkeiten des Orchestersumgehen zu lernen, manchmal auch kleinereMachtkämpfe auszustehen.Besonders bei sich selber ist Frölich, wenn erChöre leitet. «Ich habe ein Flair für Stimmen undMusik 81

«Die Nacht», aus: Fünf Wolfgang Borchert-Lieder für Singstimme und Klavier, 1999. (Quelle: Pb.)Gesang, weiss, wie man singt, und Metier im Dirigieren habe ich durch die Orchesterleitung mehrals genug. Die Sache gefällt mir, und ich möchtesie in Zukunft noch erweitern.» So hat er in denletzten Jahren choRinteRkultuR aufgebaut, wasmehr ein Label für Chorprojekte als ein festesEnsemble ist. Projektchöre waren es auch, dieseine gross bemessenen Kompositionen Leh yadschare und Missa verde getragen haben.Fortunat Frölich hat sich für den Status einesfreischaffenden Musikers entschieden. Dahintersteht allerdings ein längerer Prozess. Währenddem Studium hatte er zwar noch in kleinerenPensen an Musikschulen Gesang und Cello unterrichtet. Schon damals stand aber die freie Tätigkeit im Vordergrund, besonders das Konzertierenmit der Sängerin La Lupa und ihrem Ensemble.Mit ihr unternahm er ausgedehnte Tourneen, wobei er sich auch als Komponist und Arrangeureinbrachte. «Mit der Zeit wurde es ein bisschen82 Musikviel für mich, und dann kam noch die Familiedazu. Da habe ich beschlossen, mich gleich ganzfreischaffend zu machen. Dabei ist es in denletzten fünfzehn Jahren weitgehend geblieben.»Davon ausgenommen ist lediglich Frölichs Engagement an der Talentschule Surselva in Ilanz,wo er begabte Musikschüler betreut und ihnenTheorieunterricht erteilt.Wie ist Fortunat Frölich zum Komponierengekommen? Waren es mehr zweckfreier künstlerischer Schaffensdrang oder Erfordernisse derkünstlerischen Praxis? «Beides hat eine Rolle gespielt. Komponieren hat für mich immer untrennbar zum Musizieren gehört. In den Pop-Bandshatte man die Chance, das Komponierte gleichaufführen und einspielen zu können. Die Verbindung zur Praxis war also denkbar eng. Besondersgereizt hat mich dabei das Spezielle – einmal eineSängerin zu begleiten, die anders singt als üblich,und dazu vielleicht einmal nicht die Gitarre zu

Fortunat Frölich als Dirigent mit Hamburger Symphonikern in Læiszhalle Hamburg.(Bild: Richard Stöhr, Hamburg 2006)nehmen, sondern ein Streicherensemble. Das warauch beim Cellospiel und dem klassischen Komponieren so: Gibt es da vielleicht noch Töne, diebisher niemand auf diese Art komponiert hat?In diesem Kontext ist auch das freie Musizierenzu sehen. Zusammen mit dem Instrument eineIdentität zu finden, dazu vielleicht auch einmalkratzen, oder was weiss ich was.»Welche Rolle hat dabei der Stil gespielt, unddamit untrennbar verbunden die Frage, in welchem Genre man sich platziert, oder sich platzieren lässt? «Den Anspruch, in einem bestimmtenStil zu schreiben, habe ich immer daneben gefunden. Ich habe das abgelehnt, habe gewusst,dass das nicht meine Sache sein kann.» Allerdingsgibt es in einem Tonsatz objektive Qualitäten,etwa der Dissonanzgrad, die unweigerlich stilistisch assozziert werden. «Tatsächlich. Das führtdann dazu, dass du als Konventioneller, Gemässigter oder Extremer abgestempelt wirst. Das sindGefängnisschächte, da möchte ich nicht hinein.Oder wenn schon, dann will ich gleichalles zusammen.» Oder die vielen Möglichkeiten zu einemindividuellen Stil bündeln? «Ja, aber dann mitallen Farben der Palette. Einer, der die abenteuerlichsten Tonfolgen verlangt, ist für mich nichthöher zu werten als einer, der in C-Dur schreibt.Die Avantgarde, die das Erstere favorisiert, warschon zu meiner Studienzeit überholt. Dennochhaben sich daraus Dogmen gebildet, die über Generationen hinweg sklavisch befolgt werden. Siesind heute noch relevant, wenn es etwa um dieVergabe von Fördergeldern und Preisen oder dieBerücksichtigung bei Musikverlagen geht.» Dasssich Frölich bei dieser Frage ein wenig echauffiert,kann man verstehen. «Wenn man sich zwischenden Stilen bewegt, wird man auch gleich mit einem Etikett versehen, nämlich jenem des Eklektizisten. Das kann auch einmal freundlich gemeintsein, wenn ich von einem Musizierpartner höre:‹Du bist so erfrischend eklektizistisch!› JedenfallsMusik 83

liebe ich stilistische Verkrallungen. Deswegen habe ich auch den Freejazzer Werner Lüdi mit demBündner Kammerorchester spielen lassen. OderLa Lupa mit einem Streicherensemble – sie, die sogerade heraus kräht, und daneben der kultivierteStreicherklang. Im gleichen Licht sind auch meineinterkulturellen Arbeiten zu sehen. ArabischeVierteltöne und europäische Akkordik. Dinge, vondenen man denkt, sie würden nie zusammenpassen.» Frölich betont, dass das Zusammenbringengegensätzlicher musikalischer Kulturen nicht soeinfach ist, wie es sich heute manche machen. Ermokiert sich über jene von höchster Stelle geförderten interkulturellen Projekte, «wo man einfacheinen Cellisten und einen Ud-Spieler nebeneinander stellt, und dann kratzen und klampfen sielos, und alle finden es toll. Bei mir ginge es darum,eine Verständlichkeit zwischen den Sprachen zusuchen. Mein Konzept der Begegnung hat viel damit zu tun, dass man sich nicht übers Maul fährt.»Um diesem Anspruch gerecht werden zu können,hat Frölich sogar Arabisch gelernt.Die musikalischen Gattungen, denen sichFrölich kompositorisch widmet, ergeben sich ausden Erfordernissen der Praxis. «Die meistenKompositionen schreibe ich auf Aufträge hin.Damit sind Gattung und die Besetzung gegeben.»Eine wichtige Rolle spielt aber seit jeher die gesungene Musik, und Frölich hat einen engen Bezugzu Texten im allgemeinen. «Es gibt viele Texte,die ich auswendig kann. So habe ich im interkulturellen Kleinkunstprogramm mit Samir Essahbiden ganzen Cornet von Rilke vom Cello aus rezitiert. Etwa drei Jahre habe ich mit diesem Textgelebt. Schon während dem Studium war der Bezug zur Sprache kaum geringer als jener zurMusik. Andererseits bin ich in diesem Punkt sehranspruchsvoll und kann selten einen gegebenenText ohne Anpassung übernehmen. Ich bearbeite,schaue, was ich in dieser Form brauchen kannund was nicht. Ich habe auch schon Texte zueinem gegebenen Thema in Auftrag gegeben. Sohat zum Beispiel Beat Brechbühl den Text fürmeine missaverde geschrieben, nachdem wir dasThema zusammen eingehend diskutiert hatten.Der Text zur Oper Föhn wurde von Urs Widmereigens für dieses Werk verfasst.84 Musik«Swiss composer» steht auf der Startseite vonFrölichs Homepage. Wir fragten ihn nach seinemBezug zur Heimat im allgemeinen und im Speziellen, also zu Graubünden. «Ja, ich bin in Churgeboren und aufgewachsen. Aber ich glaube, einrichtiger Bündner zu sein, fühlt sich anders an.Ich habe keine klar benennbare Heimat, wederdie Schweiz, noch Graubünden. Eher habe ichmir immer wieder eine Art Heimat aufgebautan den Orten, wo ich längere Zeit war – in Napoli,in Leipzig, in Marokko. Ich denke, bei manchemechten Engadiner gibt es eine klare Vorstellungvom Daheim. Das ist bei mir nicht so. Am nächsten komme ich meiner Heimat im interkulturellenDialog. Wenn du dich positionieren musst gegeneine andere Identität, die eine starke Prägung aufweist. So suchst und findest auch du deine eigenePrägung, ob sie nun bündnerisch oder schweizerisch ist – oder europäisch. In der Feinabstimmung kann das ziemlich subtil sein. Aber diesePrägung existiert, ganz klar.»Sieht sich Frölich als politischen Komponisten? Will er mit seinen Kompositionen etwasbewirken, bewegen? «Sagen wir es so: Ich verstehe mich als engagierten Komponisten. Aberich glaube, dass die Kunst einen ganz anderenWeg zu gehen hat als die Politik. Es gibt vielleichtSituationen, wo politische Kunst Sinn macht. Fürmich ist Kunst aber mehr ein geistiges Schlachtfeld. Als Politiker musst du Stellung beziehen,musst in eine Richtung ziehen. Du bist entwederlinks oder rechts. Das künstlerische Engagementist viel weiter gefasst. Da geht es beispielsweiseum Humanität. Darum, dass man auf keine Weisefixiert bleibt, immer mentale Gefängnisse aufbricht. Parolen auf die Fahne zu schreiben kommteiner Fixierung gleich. Das ist das genaue Gegenteil.»An Projekten und Wunschträumen fehlt esFortunat Frölich nicht. Auch grossformatige Werke sind darunter. «Eine Oper würde ich gerneschreiben, eine richtig grosse, mit allem, wasdazugehört. Ganz allgemein möchte ich ein paarJahre nichts anderes tun als komponieren. Obich dann wirklich die Beharrlichkeit dazu hätte,weiss ich allerdings nicht.» Sogar ein Buch würde

er gerne schreiben. Das Thema ist offen, dochweiss Frölich, dass es ein engagiertes Buch wäre.«Man könnte radikaler und ehrlicher schreiben,als heute meist geschrieben wird. Über sich, überdas Leben, über die Gedanken . . .» Gibt es dennheute nicht genügend Autoren, die radikal undschonungslos schreiben? «Nein. Man bewundertes immer, wenn einer es wagt, ein, zwei Schritteweiter zu gehen als die anderen. Aber so richtigmutig – das gibt es nicht.» Wieso eigentlich nicht?«Ich denke, wir haben Angst vor den Abgründen,die wir mit dem alltäglichen Bewusstsein schönzudecken, uns darüber hinweg hangeln. Das sinddie Tabuthemen; sie reichen weiter, als manmeint. In der Kunst geht es darum, diese Abgründe aufzuzeigen, sie aufzureissen, hineinzusteigen.Und letztlich will man diese Bedrohung auch aufheben. Aber das braucht viel Mut und Offenheit.»Curriculum vitæFortunat Frölich wurde 1954 als Sohn des MartinFrölich und der Silvia Frölich geb. Hug in Chur geboren.Nach der Schulzeit in Chur studierte er in Zürich, Napoliund Leipzig Gesang und Violoncello. Als Instrumentalist und Sänger wirkte er in zahlreichen Formationenunterschiedlichster Prägung.Als Dirigent arbeitete Fortunat Frölich unter anderem mit dem Sinfonieorchester Basel, den HamburgerSymphonikern, dem Zürcher Kammerorchester, demEnsemble Resonanz Hamburg, der Kammerphilharmonie Graubünden, den Basler Madrigalisten und demChœur du Maroc zusammen.Frölich hat mehrere interkulturelle Projekte entworfen und realisiert, die an internationalen Festivalsgezeigt wurden, wie dem Festival de Rabat und demMawazine-Festival in Marokko, dem TheaterspektakelZürich oder dem Stimmenfestival Lörrach.Auch die Werke für ein junges Publikum, die er zusammen mit Linard Bardill, dem Schweizer Liedermacher und Experten für Kinderliteratur, entwickelte,haben internationale Resonanz gefunden.Für die offiziellen Feierlichkeiten zum 150-jährigenBestehen des Bundestaates, die 1995 auf dem Bundesplatz gefeiert wurden, erhielt Frölich einen Kompositionsauftrag direkt vom Bundesamt für Kultur. 2003wurde ihm die künstlerische Leitung für das Jubiläumzu Graubündens Beitritt zur Eidgenossenschaft, das imHauptbahnhof Zürich gefeiert wurde, übertragen.Plakat von Hannes R. Bossert«Canzoni Popolari La Lupa», 1981. (Quelle: Pb.)Zur Zeit arbeitet Fortunat Frölich im Auftrag desTheaters Basel an der Oper Föhn mit dem SchriftstellerUrs Widmer (†) und dem Regisseur Christian Zehnder.Musik 85

Werke (Auswahl)Literatur (Auswahl)OrchesterwerkeDas musikalische Begegnungsprojekt Leh ya dschare,in: Annetta Kahane / Eleni Torossi: Begegnungen,die Hoffnung machen, Freising (Herder Spectrum)S. 120 –123Freie Sicht aufs Bundeshaus – Der Festakt 1848 –1998,Hrsg. Bundesamt für Kultur, Bern (Benteli) 1998Höneisen, Maya (Texte)/Andrea, Yannick (Bilder):Bündner Kulturschaffende – schöpferische Kraftaus den Bergen, Band II, Zürich (Offizin ZürichVerlag) 2013, S. 108 –111fliegen, sterben 1, sterben 2, sterben 3 (Uraufführung2004 Basler Sinfonieorchester, Ltg. Fortunat Frölich)nine emotions, unaufgeführtLetter to Art Pepper (UA 1995 Werner Lüdi, Saxophon,Bündner Kammerorchester, Ltg. Jan Schultsz)Musik zum offiziellen Festakt (Auftrag Bundesamt fürKultur, UA 1998 auf dem Bundesplatz)hero (UA 2010 Brassband Sursilvana)Oratorien / Opernmissaverde (UA 1999 sinfonietta basel, ars cantata,kammerchor chur, coramor. Ltg. Monica Buckland)black tell (KA 2002 expo 02, ensemble poenix basel,Ltg. Jürg Henneberger)Föhn (aktuelle Produktion Theater Basel, Première16.9.2014, Susanne Elmark, Sopran, Ensemblephoenix basel, Ltg. Erik Eno)Tonträger (Auswahl)missaverde, CD MDS records MDS 3012Doppelhas und Beltrametti (Sterben für Anfänger), CDSoundService 120404-2Wetterleuchten, Musiques Suisses MGB-NV 23Film: 2 Flüsse – 2 Lieder von Sarah Doendinger 2013,mira-film GmbHVokalmusik5 Fragmente (Rilke-Lieder; UA 2008)4 POESIE (Ungaretti, Martini; UA 1995)Eccolo maggio – e canta la cicala (UA 1990 La Lupa,Bündner Kammerorchester, Ltg. Christoph Cajöri)la vita – la morte (UA 2010 Boswil, Juliane Banse, Sopran, CHAARTS Orchestra, Ltg. Fortunat Frölich)suite alpine: Ruf Gebet Tanz (UA 2009 Festival Stimmen Lörrach und Festival Boswiler Sommer; Christian Zehnder, Obertongesang, Casal-Quartett, krahTrio)Interkulturellesaanilhoub (UA 2006, Festival Mawazine Rabat)Leh ya Jarè (UA 1991, Kloster Ilanz)annahrani (UA 2012 Festival Mawazine, Theaterspektakel Zürich, Stimmen Lörrach, FIT Festival Lugano)Musik für KinderI wett imene Baum wohne (UA 2005 Linard Bardill, Basler Sinfonieorchester, Ltg. Marius Smolij)Sterben für Anfänger (UA 2004 Linard Bardill, BaslerSinfonieorchester, Ltg. Fortunat Frölich)86 MusikHomepagewww.fortunatfroelich.com

Johannes Brahms. Als Selbstverständlichkeit galt der Besuch der Churer Singschule. «Mei-ne ersten Konzertbesuche in der St. Martins - kirche haben mir gewaltig Eindruck gemacht. In dieser Zeit habe ich auch mit dem Cello-spiel begonnen, zunächst ohne viel Begeis-terung. Mit dem Eint