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Tobias Schüttler ([email protected])
Do It Yourself: Optische Umweltfernerkundung1
Do It Yourself: Optische UmweltfernerkundungTobias Schüttler ([email protected])Physikalische GrundlagenDie elektromagnetische Strahlung der Sonne umfasst einen Bereich, welcher von harterRöntgenstrahlung mit Wellenlängen um 0,1 nm bis weit in den langwelligenRadiowellenbereich geht. Ihr Intensitätsmaximum hat die Strahlung bei etwa 500 nm (blau‐grünes Licht). Das menschliche Auge hat sich auf genau diesen Wellenlängenbereichangepasst: Man bezeichnet den nur recht kleinen Bereich von etwa 400 nm (violett) bis 750nm (rot) als (sichtbares) Licht (Englisch: Visible, VIS). Bei kleineren Wellenlängen spricht manvon ultravioletter Strahlung (UV), an welche sich die Röntgenstrahlung anschließt. DieseStrahlungsarten sind durch ihre hohe Photonenenergie gekennzeichnet und könnenmenschliche Zellen beschädigen oder zerstören. Die langwelligere Infrarotstrahlung (IR) wirdgrob in die Bereiche „nahes IR“ (NIR), „mittleres IR“ (MIR) und fernes IR (FIR) untergliedertund geht bei größeren Wellenlängen in die Mikro‐ und Radiowellen über.Abbildung 1: Das kontinuierliche Spektrum der Sonne. Neben sichtbarem Licht (etwa 400 bis 750nm) umfasst es auch für denMenschen unsichtbare kurzwellige und langwellige Strahlung.Für die Satellitenfernerkundung sind neben dem sichtbaren Licht vor allem der NIR‐ undMIR‐ Bereich von großer Bedeutung. Während das nahe Infrarot Aufschlüsse überOberflächen liefert, befindet sich die Wärmestrahlung (auch als thermales IR bezeichnet) imMIR. Die am Erdboden reflektierte Strahlung wird von Satelliten mit speziellen Sensorenerfasst und anschließend ausgewertet. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass dieErdatmosphäre nur einen bestimmten Teil der Sonnenstrahlung hindurchlässt. So wirdbeispielsweise der Großteil der schädlichen UV‐Strahlung aber auch mittlere und ferneInfrarotstrahlung von der Erdatmosphäre absorbiert. Fernerkundung der Erdoberflächefindet daher in Wellenlängenbereichen statt, in welchen die Erdatmosphäre durchlässig ist(atmosphärisches Fenster).2
Abbildung 2: Die Erdatmosphäre ist nur für einen bestimmten Teil der elektromagnetischen Strahlung durchlässig(atmosphärisches Fenster).Mit Spektrometern Licht untersuchenDas für unser Auge weiß erscheinende Sonnenlicht beinhaltet Licht aller Farben. Besondersschön kann man das bei einem Regenbogen beobachten. Dabei wird durch Lichtbrechung anWassertröpfchen das weiße Licht in seine Spektralfarben aufgespalten (siehe ben/ausblick/regenbogen). Künstlich aufspalten lässtsich das Sonnenlicht mit Hilfe eines Glasprismas (vgl. Abbildung 3).Abbildung 3: Aufspaltung (Dispersion) von weißem Licht mit Hilfe eines Prismas. Quelle: WikipediaEine andere Methode zur Aufspaltung von Licht ist die Verwendung eines so genanntenBeugungsgitters (eine etwas anspruchsvollere Betrachtung dazu findet man ��interferenz/gitter). Ein wichtiger Vorteil derGittermethode ist dass die Materialien günstiger sind, dafür ist die Lichtintensität beiBeugungsgittern geringer. Mit einer kostengünstigen Gitterfolie kann man sich leicht /versuche/selbstbau‐spektrometer). Verwendet man als Lichtsensor eineWebcam, so kann man sich das aufgenommene Spektrum direkt auf dem PC ansehen undmit einem Onlinetool untersuchen: https://spectralworkbench.org.3
Solche einfachen Spektrometer sind leider nicht sonderlich lichtempfindlich. Sie könnendaher nur die Emissionsspektren aktiver Lichtquellen, wie der Sonne aufnehmen. Für dieAufnahme von Reflexionsspektren von beleuchteten Oberflächen werden sehr teure undaufwändige Präzisionsmessgeräte verwendet. Diese geben dafür sehr interessante undaufschlussreiche Einblicke in das Reflexionsverhalten bestimmter Untergründe. Dabei stelltman fest, dass alle Oberflächen ein ganz spezielles, individuelles Reflexionsverhalten haben –gewissermaßen einen spektralen Fingerabdruck. Abbildung 4 zeigt die Reflexion vongesunder Vegetation. Es fällt auf, dass diese vor allem Strahlung im nahen Infraroten sehrstark reflektiert. Auch das relative Maximum um 500 nm (grün!) fällt auf. Dieses ist aber vielschwächer, als die Infrarotreflexion. Wenn wir mit unseren Augen in diesemWellenlängenbereich sehen könnten, würden wir Pflanzen demnach nicht als grün sondernals „infrarot“ wahrnehmen (wie auch immer das dann aussähe).Abbildung 4: Reflektanz einer gesunden Pflanze: Während sichtbares Licht von den Zellen absorbiert wird, reflektiert diePflanze den NIR‐Anteil stark (hohe Reflektanz).Fernerkundung von VegetationDa Pflanzen die Grundlage allen Lebens sind, ist es besonders wichtig, über den Zustand derVegetation auf der Erde genauestens Bescheid zu wissen. Man macht sich hierzu eine ganzbesondere Eigenschaft von gesunden Pflanzen zunutze: Während deren Blätter das sichtbareLicht, vor allem rotes und blaues, bei der Photosynthese stark absorbieren, reflektieren sienahe Infrarotstrahlung fast vollständig. In diesem Zusammenhang spricht man auch von derReflektanz ρ einer Oberfläche, welche angibt, wie stark sie Strahlung einer bestimmtenWellenlänge reflektiert. GenauerDabei ist P die reflektierte Leistung und P die einfallende Leistung. Im NIR reflektierengesunde Pflanzen stark, was mit einer hohen Reflektanz einhergeht. Im sichtbaren –insbesondere bei rotem Licht – ist die Reflektanz hingegen gering.4
Um die Vitalität von Vegetation großräumig zu erfassen, kann das charakteristischeReflexionsverhalten genutzt werden. Im so genannten normalisierten differenziertenVegetationsindex NDVI wird der Unterschied zwischen den Reflektanzen im NIR ρund imals Maß für die Vitalität der Vegetation herangezogen:sichtbaren roten Bereich ρDie Differenz der Reflektanzen wird zur Normierung auf ein Intervall von ‐1 bis 1 durchderen Summe geteilt. Daraus folgt für gesunde Vegetation ein hoher NDVI nahe 1. In derTabelle sind einige typische NDVI‐Werte aufgelistet:NDVI0OberflächeNDVI0Wasser, Schnee, WolkenNDVI0ErdbodenNDVINDVI0,50,7nicht vitale Vegetationvitale VegetationFernerkundungssatelliten nehmen Daten in verschiedenen Spektralkanälen auf. Nebensichtbarem Licht in den Kanälen Rot, Grün und Blau, wird auch Infrarotstrahlung gemessen.Um die Komplexität der Bilder zu vermindern und um quantitative Aussagen über dieVegetation zu treffen, wird mit speziellen Computerprogrammen an jedem Bildpunkt (Pixel)der NDVI berechnet. Die Werte bekommen eine Farbzuweisung wie in der Tabelle, alsomeist Grüntöne für hohen NDVI, Braun für Werte um Null und weiß für negativen NDVI.Diese Falschfarbenbilder erlauben eine einfache Analyse der Daten nach dem konkretenMerkmal „Vegetation“. Für andere Oberflächen, wie beispielsweise Schnee oder Wasseraber auf für spezielle Mineralien, existieren viele weitere Indizes, welche auf anderenSpektralkanälen basieren.Abbildung 5: Satellitenaufnahmen des Fünf‐Seen‐Landes südwestlich von München als RGB‐Echtfarbenbild (links) und alsNDVI‐Falschfarbenbild (rechts).5
Darstellung der Erdoberfläche mit FalschfarbenbildernUm die Vegetation der Erde großräumig zu untersuchen, werden von Satelliten ausAufnahmen in unterschiedlichen Spektralkanälen gemacht. Neben dem sichtbaren blauen,grünen und roten Kanal sind dies auch verschiedene Infrarotkanäle vom NIR bis ins thermaleMIR und darüber hinaus. Die Daten kann man bei den europäischen Sentinel‐ und den US‐amerikanischen Landsat Satelliten kostenlos im Internet downloaden.Zur Bearbeitung der Daten empfehlen wir das Programm LEOWorks von der EuropäischenWeltraumagentur (ESA, Download unter: http://leoworks.terrasigna.com/leoworks). Diekostenlose Software wurde speziell für Schüler weiterführender Schulen entwickelt undermöglicht dieselbstständigeBearbeitung vonSatellitenbildern.Durch einfacheBearbeitungstools werden u.a. eine Bildschirmdarstellung, einfache Analysen, dieBearbeitung oder die Auswertung von Satellitenaufnahmen ermöglicht. In unserem TutorialGetting Started with LEOWorks sind die grundlegenden Funktionen und Analysetools derSoftware näher erläutert.Download von SatellitendatenDie Satelliten Landsat‐7 und Sentinel‐2 liefern in regelmäßigen Abständen Aufnahmenunserer Erdoberfläche, welche zur Oberflächenklassifizierung genutzt werden können.Während Sentinel‐2 ein Satellitensystem der ESA ist (Download der Daten über die SentinelScientific Data Hub: https://scihub.copernicus.eu/) erfolgt die Datenbereitstellung derLandsat Satelliten über das amerikanische USGS (U.S. Geological Survey). Die Plattform EarthExplorer (https://earthexplorer.usgs.gov/) ermöglicht beispielsweise nach Registrierung denDownload verschiedener Landsat‐Produkte.Über eine browserbasierte Benutzeroberfläche kann in der gewünschten Region zwischenallen zeitlich verfügbaren Daten ausgewählt werden. Nach erfolgreichem Download müssendie Daten entpackt werden und können anschließend in LEOWorks dargestellt werden. DieDaten des Satelliten Sentinel‐2 müssen vor der Auswertung aufbereitet werden, da diesenicht in einem von LEOWorks lesbaren Format vorliegen. Die Aufbereitung wird in einemTutorial genauer ial/inhalte sattec lfbs/umwandlung von rohdaten.pdf)6
Erstellen von NDVI‐Bildern mit LEOWorksDie Software LEOWorks bietet ein großes Set anTools,mitHilfedererverschiedeneBildauswertungen durchgeführt werden können.Das Tool Compute a NDVI erlaubt die eineeinfache Erstellung von NDVI‐Falschfarbenbildern.Nach Anklicken des Tools können im hieraufgeöffneten Fenster die Kanäle (enlg. „Bands“),welche zur Berechnung des NDVIs benötigtAbbildung 6: Auswahl der zur Berechnung des NDVIsbenötigten Kanäle eines Satellitenbildes von Landsat7. Für den roten Wellenlängenbereich muss der dritteKanal und für das NIR der vierte Kanal gewähltwerden.werden, gewählt werden. Bei Landsat 7 muss fürden roten Wellenlängenbereich der dritte und fürdas NIR der vierte Kanal verwendet werden (vgl.Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.). Die Berechnung erfolgtautomatisch und gautomatisch eine voreingestellte Farbzuweisung,sodass die verschiedenen NDVIs des Outputbildesmittels einer Pseudofarbdarstellung visuell gutunterscheidbar sind. Die hinterlegte Farbpalettezeigt negative Werte in Weiß und solche nahe Nullin Brauntönen, während hohe rgestelltwerden (vgl. Fehler! Verweisquelle konnte nichtgefunden werden.). Die einzelnen Pixelwertekönnen über das Tool Pixel Info durch Klick auf einAbbildung 7: Pixelbasiert berechnete NDVIs,dargestellt mit der in LEOWorks automatischhinterlegten Farbzuweisung.beliebiges Pixel abgerufen werden.Die Wertebereiche und dementsprechend auch die farbliche Darstellung können individuelldurch das Tool Color Manipulation (vgl. Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefundenwerden.) angepasst werden. Hierzu die Slider mit der Maus verschieben, durch Rechtsklicknicht benötigte entfernen oder zusätzliche Wertebereiche hinzufügen. Auch die farblicheZuweisung der Klassen kann individuell angepasst werden.7
Eigene NDVI‐Bilder erstellenAn Stelle der echten Satellitendaten der ESA und NASA kann man mit kostengünstigen,modifizierten so genannten „Mobius ActionCams“ selbst NDVI‐Bilder erstellen. Dies istmöglich, da diese Kameras, wie die meisten Digitalkameras, auch für NIR empfindlich sind.DIY: Eine NDVI‐Kamera im EigenbauUm eine normale Digitalkamera zur NDVI‐Kamera umzubauen, muss zuerst der eingebauteInfrarot‐Sperrfilter entfernt werden. Hierzu wird das Kameragehäuse mit einem kleinenKreuzschraubendreher geöffnet und anschließend das Objektiv herausgeschraubt. Der IR‐Sperrfilter (kleines Glasplättchen) kann nun mit einem keinen Schlitzschraubendrehervorsichtig herausgebrochen werden (Abbildung 8).Abbildung 8: Umbau einer einfachen Digitalkamera zur NDVI‐Kamera. Zuerst wird der eingebaute IR‐Sperrfilter entfernt.Der IR‐Sperrfilter wird nun durch ein passen zugeschnittenes Stück roter Filterfolie ersetzt.Dieses erhält man entweder im Spezialhandel, im Internet oder direkt beim SatTec‐Projektteam (Email). Am einfachsten ist es, wenn die Filterfolie mit ganz wenigSekundenkleber an die Stelle des IR‐Sperrfilters geklebt wird. Beim Umgang mit demKlebstoff muss man sehr vorsichtig sein, damit nichts davon auf die Linsen des Objektivsfließt. Das so umgebaute Objektiv wird nun wieder eingeschraubt. Da die Filterfolie dünnerist als der IR‐Sperrfilter ändern sich die optischen Eigenschaften der Kamera etwas. Esempfiehlt sich daher, die Kamera nach dem Zusammenbau des Objektivs als Webcam an8
einen Computer anzuschließen und die Bildschärfe durch Drehen des Objektivs zuoptimieren. Anschließend wird alles wieder zusammengebaut.Abbildung 9: Der IR‐Sperrfilter wird durch ein Stück roter Filterfolie ersetzt.Funktionsweise der NDVI‐KameraBei einer Digitalkamera entsteht ein Farbbild durch einen speziellen Farbfilter, den Bayer‐Filter. Dieser liegt als Mosaik mit den Grundfarben Rot, Grün und Blau über einemLichtsensor (CMOS‐ oder CCD‐Chip). Vom sichtbaren Licht lassen rote Filterbereiche nurrotes Licht, grüne grünes und blaue blaues Licht auf den Lichtsensor hindurch. AndereFarben entstehen durch Mischung der Grundfarben. Im unsichtbaren nahen Infrarot (NIR, abEmpfindlichkeit Eetwa 750 nm) ist Bildsensor aber ebenfalls empfindlich (Abbildung 00800900100011001200Wellenlänge λ [nm]Abbildung 10: Empfindlichkeit eines typischen Bildsensors einer Digitalkamera. Auch im NIR, bei Wellenlängen über 750 nmist der Sensor empfindlich.Um mit der Kamera Bilder zu erhalten, welche dem Eindruck des menschlichen Augesentsprechen, werden bei fast allen Digitalkameras Infrarotsperrfilter zwischen demKameraobjektiv und dem Bildsensor angebracht. Diese lassen sichtbares Licht hindurch aber9
keine Infrarotstrahlung. So kommt auf dem Sensor nur Licht an, welches wir mit unserenAugen auch sehen können (Abbildung 11).Abbildung 11: Normale Digitalkamera: Zwischen Objektiv undBildsensor befindet sich ein IR‐Sperrfilter.Modifizierte Digitalkamera ohne IR‐Sperrfilter: Nun kannauch NIR‐Strahlung empfangen werden.Für den NDVI benötigt man Aufnahmen im rotenLicht und im unsichtbaren nahen Infrarot (NIR).Dies erhält man, wenn man anstelle des IR‐Sperrfilters eine rote Filterfolie einbaut. Diese istfürblauesundgrünesLichtnahezuundurchlässig, während sie jedoch rotes Lichtund NIR hindurch lässt. Auf dem roten BildkanalEmpfindlichkeit EAbbildung 12: Aufbau des modifizierten Bildsensors derNDVI‐Kamera. Anstelle des IR‐Sperrfilters befindet sichdie rote Filterfolie. So kommt nur rotes Licht und NIR1,00,90,80,70,60,50,40,30,20,10,0kommt somit rotes Licht (und etwas NIR) an, aufdem blauen und grünen Kanal nur noch NIR.REDrosco fire enlänge λ [nm]Abbildung 13: Überlagerte Empfindlichkeit mit rotem Filter. Auf dem blauen Bildkanal kommt jetzt nur nochInfrarotstrahlung an.101200
Auf den Bildern der NDVI‐Kamera zeichnet sich gesunde Vegetation durch eine blaue Farbeaus. Dies liegt daran, dass Pflanzen stark im NIR reflektieren. Diese Strahlung wird nun abergerade auf dem blauen Bildkanal gemessen. Man nennt den blauen Kanal der NDVI‐Kameradaher manchmal auch „infrablue“.Abbildung 14: Aufnahme der Alpen und des Voralpenlandes mit einer Mobius‐NDVI Kamera vom Wetterballon aus.Vegetation erscheint bläulich auf Grund der hohen Infrarotreflektanz.Wie Abbildung 13 zeigt, wird auf dem roten Bildkanal der NDVI‐Kamera nun auch etwasInfrarot gemessen, was die NDVI‐Werte verfälscht. Im Ergebnis führt das dazu, dass dieWerte gegenüber echten Satellitendaten zu niedrig sind. Etwas Abhilfe kann man schaffen,wenn man den Weißabgleich der Kamera etwas verstellt und dadurch die t man das Freeware ProgrammmSetup(Abbildung15).Beiden„Advanced Image Settings“ stellt manhier den Reiter bei „White Balance“ auf„Custom 1“ und stellt für den Kanal Redden Wert 290, für Green 500 und fürBlue 700 ein. Diese Werte wurdendurch Ausprobieren ermittelt – imale Ergebnisse zu erhalten.eigeneumAbbildung 15: Programm mSetup. Der voreingestellte Weißabgleichsollte für die NDVI‐Kamera etwas modifiziert werden.11
Mit Infrarotkameras Rehkitze retten und andere nützliche AnwendungenJedes Jahr werden in Deutschland bei der Frühjahrsmahd über 100.000 Rehkitze durchMähmaschinen getötet. Da die Jungtiere keinen Fluchtreflex haben sondern sich beidrohender Gefahr im hohen Gras verstecken, sind sie für die Landwirte praktisch unsichtbar.Bisher konnten die Wiesen zum Schutz der Tiere vor der Mahd nur durch sehr aufwändigeBegehungen auf versteckte Rehkitze hin untersucht werden. Eine neue, viel praktischere undweniger aufwändige Lösung bietet das Überfliegen der Wiesen mit einem System ausWärmebild‐ und normaler Digitalkamera (Abbildung 16).Abbildung 16: Rehkitz im sichtbaren und im thermalen Infrarot. Die Wärmestrahlung des mittleren Infrarot kann auchhöheres Gras gut durchdringen. Dadurch kann man das Kitz auch aus größerer Höhe erkennen.Auf den Wärmebildern einer Thermalkamera werden wärmere Bereiche meist mit roten bisgelben Farben, kältere Bereiche durch dunkles Blau gekennzeichnet. Dies ist jedoch nur einemögliche Darstellungsform, da Infrarotstrahlung keine Farbe im engeren Sinne hat. Währenddie Strahlung Materialien wie dünnen Kunststoff, beispielsweise von Verpackungen odereines Luftballons fast ungehindert durchdringt, wird sie von Fensterglas reflektiert. Mankann beobachten, dass die Durchlässigkeit für Strahlung stark von der jeweiligen Wellenlägeabhängt. Dies nutzt man auch bei der Erfassung von Waldbränden vom Satelliten aus. ImGegensatz zum sichtbaren Licht kann die thermale Infrarotstrahlung den beim Brandentstehenden Rauch durchdringen, wodurch Brandherde sichtbar werden.Abbildung 17: Waldbrände vom Satelliten aus gesehen. Quelle: DLR12
Do it yourself: Infrarotmessungen selbst durchführenNicht nur Satelliten können Temperaturen über größereDistanzen berührungslos messen. Mit einem so genanntenPyrometer (Abbildung 18 – auch Infrarotthermometer genannt)kann man ohne direkten Kontakt die Temperatur vonunterschiedlichen Körpern bestimmen. Dabei macht man sichzunutze, dass jeder Körper mit einer Temperatur über demabsoluten Nullpunkt (ca. ‐273 C) (Wärme‐) Strahlung abgibt.Abbildung 18: Einfaches,kostengünstiges Pyrometer.Quelle: Wikipedia, Hedwig StorchNach dem Stefan‐Boltzmann‐Gesetz ist die Strahlungsleistung abhängig von der OberflächeA des Strahlers und dessen absoluter Temperatur T (in Kelvin gemessen): Dabei ist5,6704 10 die Stefan‐Boltzmann‐Konstante. Die obige Formel besagt,dass ein Körper umso mehr Strahlungsleistung abgibt, je größer und je heißer er ist. Wennman beispielsweise die Temperatur eines Glühdrahtes von 300 K (Zimmertemperatur) auf600 K (noch nicht sichtbare Infrarotstrahlung) verdoppelt so versechzehnfacht sich dieabgegebene Strahlungsleistung (216).Dieser Zusammenhang wird bei Pyrometern zur berührungslosen Temperaturmessunggenutzt. Mit entsprechenden Sensoren wird die Strahlungsleistung gemessen und daraus dieTemperatur abgeleitet. Wer’s ganz genau wissen möchte findet eine ausführliche bildkamera.pdf.EinfachePyrometer gibt es bereits für etwa 10 im Internetversand, so dass diese Technik immerstärker Einzug in unseren Alltag findet.Zur Erstellung eigener Infrarotbilder kann man entweder spezielle Kameras, wie die relativkostengünstige FLIR ONE fürs Smartphone verwenden oder man baut selbst eineDigitalkamera um. Hierzu muss zuerst der IR‐Sperrfilter entnommen werden. Um die IR‐Empfindlichkeit zu erhöhen, muss das sichtbare Licht mit einem entsprechenden Filterherausgefiltert werden. Hierzu eignet sich beispielsweise ein belichteter, entwickelterFotofilm oder das so genannte LUXACRYL (https://www.go‐ttv.de/luxacryl‐ir).13
Abbildung 19: Umbau einer Mobius Action Cam zur NIR‐Kamera. Der IR‐Sperrfilter wird ersetzt durch Material, welches keinsichtbares Licht aber Infrarotstrahlung hindurchlässt.Mit solchen Kameras sieht man beispielsweise eine heißeHerdplatte oder einen Haartrockner im Infraroten leuchten.Allerdings nur, wenn diese bereits recht heiß sind. Interessantsind auch Aufnahmen vom menschlichen Körper. Besondersschön sind aber Naturaufnahmen: Wegen ihrer starkenInfrarotreflektanz scheinen Pflanzen auf Infrarotbildern hellzu leuchten, wodurch ein geradezu mystischer bildung 20: Pflanzen leuchten hellim nahen Infrarot. Quelle: Wikipediainteressant sondern in ihrer Ästhetik auch sehr ansprechendund faszinierend.Das Projekt SatTec, zu dem die vorliegende Arbeit zuzuordnen ist, wird mit Mitteln desBundes‐Ministeriums für Wirtschaft und Energie durch das Deutsche Zentrum für Luft‐ undRaumfahrt e.V. (DLR) unter dem Föderkennzeichen 50RO1601 gefördert.14
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Um die Komplexität der Bilder zu vermindern und um quantitative Aussagen über die Vegetation zu treffen, wird mit speziellen Computerprogrammen an jedem Bildpunkt (Pixel) der NDVI berechnet. Die Werte bekommen ein