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Februar 2018 4. Jahrgang17Leben mit RheumaAktiv mit Rheuma? Bewegung tut gut!ErfahrungsberichteZwei Betroffene erzählen vonihren Erfahrungen mit SportGut zu wissenWissenswertes zum ThemaErnährung

Eine flexible & individuelleEntscheidung r-rheumAlleszum erständlich

editorialinhaltLiebe Leserin,lieber Leser,wenn die Gelenke schmerzen, mag es verführerischsein, seinen Körper zu schonen. Doch Sport undBewegung sind neben der Medikation ein wichtigerBestandteil der täglichen Therapie.Für die aktuelle Ausgabe haben wir darüber mit PD468Dr. Oliver Niggemeyer gesprochen. Dr. Niggemeyerist ein internationaler Experte für Orthopädie undbetreut Menschem mit entzündlich-rheumatischenKrankheiten in der Rheumasprechstunde des Askle-14pios Westklinikum Hamburg.Außerdem lassen wir in diesem Heft eine junge Frauzu Wort kommen, die seit ihrer Kindheit an rheumatoider Arthritis leidet und auf ihrem privaten Blog16davon erzählt, wie wichtig täglich ausgeführte moderate Bewegung für ihren Körper ist. Die Geschichtedes 34-jährigen Thomas Dahmen veranschaulicht,dass auch Hochleistungs-Ausdauersportarten wieMarathon mit Rheuma möglich sind.18Praxis PortraitIhre rheumatologische Praxis stellt sich vorNews und TermineTitelthema: Sport„Bewegung ist ein wichtiger Bestandteil derRheumatherapie“, sagt der Hamburger Rheumatologe Dr. Oliver NiggemeyerErfahrungsberichtNatascha Knopf leidet seit ihrer Kindheit unterrheumatoider Arthritis. Tägliches Walken,Schwimmen oder Dehnen, gehört für sie zumAlltagErfahrungsberichtThomas Dahmen läuft Marathon –trotz Morbus BechterewGut zu wissenTipps, Infos, Wissenswertes rund umdie RheumatologieWir hoffen, Sie mit dieser Ausgabe wieder umfassend und unterhaltsam zu informieren und freuenuns auf Ihre Rückmeldung - egal ob es sich bei IhremFeedback um Themenwünsche handelt, allgemeineFragen oder eigene Erfahrungen, die Sie mit anderenBetroffenen teilen möchten. Ihre Fragen und Anregungen sind jederzeit willkommen.IhrDr. K. Ahmadi-Simab Redaktion RHEUMAVISIONIMPRESSUMVerlag: Florian Schmitz Kommunikation GmbHHerausgeber: Florian Schmitz (V.i.S.d.P.)Redaktion: Dr. Keihan Ahmadi-Simab,Tanja Fuchs, Carola HoffmeisterGestaltung/Layout: Peter SchumacherRedaktionsanschrift:Florian Schmitz Kommunikation Tanja FuchsWichmannstrasse 4 / Haus 12, 22607 Hamburg Titelfoto: iStockphoto.com/Ridofranz3

klinikportraitIhre Gesundheit ist unser Ziel:Klinikum Stephansplatz Hamburg - Zentrum fürInterdisziplinäre Medizin und AutoimmunkrankheitenGesundheit und Wohlbefinden verbunden mit höchster medizinischer Kompetenz,modernster Medizintechnik und einer innovativen Organisationsform – daserwartet den Patienten im Klinikum Stephansplatz.Medizinische VielfaltDiagnostikDas Zentrum für Interdisziplinäre Medizin verfügt überein Ambulatorium, eine Tagesklinik und eine stationäreEinheit. Erfahrene und renommierte Ärzte aus über 15 verschiedenen Fachgebieten arbeiten hier interdisziplinär zusammen. Dieses breite fachärztliche Spektrum in Kombination mit umfangreichen diagnostischen Möglichkeiten,garantiert eine kompetente Betreuung und ermöglicht dieunmittelbare Einleitung einer individualisierten Therapie. Gelenk-, Sehnen- und Weichteilultraschall Ultraschallgesteuerte Gelenkpunktion Blut-/Urinuntersuchunginkl. Bestimmung genetischer Marker Kapillarmikroskopie Röntgen-Untersuchungen Computertomographie (CT) Magnetresonanztomographie (MRT) Organscreening bei Autoimmunkrankheiten Knochendichtemessung (DXA) Endoskopie (Magen-, Darm-, Lungenspigelung) Diagnostische Organpunktion beiAutoimmukrankheiten Gastroenterologische FunktionsdiagnostikDer Patient im MittelpunktDie medizinische Versorgung, das seelische Wohlergehenund die individuellen Bedürfnisse der Patienten stehen imZentrum unserer Bemühungen. Ärzte und Mitarbeiter, diesich Zeit nehmen, sind ebenso selbstverständlich, wie einegut organisierte Terminvergabe und kurze Wartezeiten.Rheumatologie, Klinische ImmunologieErfahrene Rheumatologen sind in der Lage, durch einespezifische Anamnese und genaue zielorientierte körperliche Untersuchungen, eine erste Diagnose zu erstellen,die dann durch weitere bildgebende Verfahren und Laboruntersuchungen bestätigt oder ausgeschlossen werdenkann. Dies ermöglicht eine rasche Orientierung und entsprechende Beratung.Therapeutische Leistungen Aufstellen und Anpassen eines Therapieplans Infiltrationstherapie Ultraschallgesteuerte Gelenkpunktion zurMedikamentenapplikation Infusionstherapie Spezifische Schmerztherapie Physiotherapie in Kooperation Biologika-Therapie Fotos: Klinikum Stephansplatz HamburgIm eindrucksvollenGebäude der altenOberpostdirektionfindet sich eineVielfalt von akademisch ausgerichteten Zentren fürGesundheit, LifeSciences, Medizinund naturwissenschaftliche Forschung.4

klinikportraitKLINIKUM STEPHANSPLATZ HAMBURGStephansplatz 3 I 20354 HamburgFax: 040 320 88 splatz.deTERMINVERGABE:040 320 88 31-0ieÄrzte, Fachgebiete und SpezialsprechstundenDr. med. K. Ahmadi-Simab Ärztlicher Direktor Facharzt fürInnere Medizin, Rheumatologie, Klinische Immunologie,GastroenterologieDr. med. Angela von Elling Oberärztin Fachärztin fürInnere Medizin, Rheumatologie und NephrologieDr. med. Margarete Kern Oberärztin Fachärztin fürInnere Medizin, Rheumatologie, Klinische ImmunologieDr. med. Joachim Ebel Facharzt fürInnere Medizin, RheumatologieProf. Dr. F. Ulrich Beil Facharzt fürInnere Medizin und EndokrinologieProf. Dr. Fritz Jänicke Facharzt für GynäkologieDr. med. Claudia Lerche Fachärztin für Gynäkologie undzertifizierte Präventionsmedizinerin dfgDr. med. Julia Tralles Fachärztin für Gynäkologie undGeburtshilfe, Naturheilverfahren und AllgemeinmedizinProf. Dr. med. Helgo Magnussen Facharzt fürInnere Medizin, Pneumologie , Allergologie,SchlafmedizinDr. med. Vinzenz Graf von KageneckFacharzt für Innere Medizin und KardiologieDr. med. Barbara Eifrig Fachärztin fürInnere Medizin – Zusatzbezeichnung HämostaseologieDr. med. Eckhard Stein Facharzt für Innere MedizinProf. Dr. med. Norbert SchmitzFacharzt für Innere Medizin und HämatologieDr. med. Jörn Klasen Facharzt für Innere Medizin, Anthroposophische Medizin, Naturheilverfahren, Dipl. HeilpädagogeDr. med. Stephanie Thiel Fachärztin für Allgemeinmedizin, hausärztliche Versorgung, AkupunkturMSc. oec. troph. Sylvana Prokop ÖkotrophologinDr. med. Sabine Timmermann Fachärztin für InnereMedizin, Pneumologie, Allergologie, SchlafmedizinDr. med. Gerald Müller Facharzt für Allgemeinmedizin,Naturheilverfahren, AkupunkturDr. med. Sebastian Kemper Facharzt für Urologie,Andrologie und medikamentöse TumortherapieDr. med. Ursula Strate Fachärztin fürChirurgie und Viszeralchirurgie, Schwerpunkt EndoskopieDr. med. Michael BegemannFacharzt für Innere Medizin und HämatologieProf. Dr. med. Volker Wening Facharzt fürOrthopädie, spezielle Unfallchirurgie, Sporttraumatologie und ChirurgieDr. med. Gerold Schwartz Facharzt für OrthopädieProf. Dr. med. Josef Aldenhoff Facharzt fürPsychiatrie und PsychotherapieWeitere Fachgebiete und Spezialsprechstunden: Interdisziplinäres Zentrum für AutoimmunkrankheitenInterdisziplinäre Sprechstunde für LungenhochdruckInterdisziplinäre Sprechstunde für OsteoporosePräventivmedizin, Vorsorge und Check-upRadiologieLabormedizinKooperation mit Dermatologen, Augen- und HNO-ÄrztenProf. Dr. med. Matthias R. Lemke Facharzt fürPsychiatrie und Psychotherapie, Suchtmedizin5

newsVeranstaltungen Rheuma-LigaFunktionstraining Plus:Darf’s etwas mehr sein? Foto: iStockphoto.com/IaremenkoAufgrund vielfacher Nachfragenhaben wir ein auf 45 Minuten verlängertes Bewegungsangebot speziell fürMenschen mit Rheuma neu mit insAngebot genommen. Wir verbindenhier die bewährte Trockengymnastikdes Funktionstrainings mit modernen und attraktiven Elementen ausden Bereichen Faszien, Yoga, Pilates,Entspannung, Atmung, Fitness undWirbelsäulengymnastik miteinander.Mit einer Verordnung für Funktionstraining (gibt es für Rheumatiker inder Regel ohne Probleme) und einermonatlichen Zuzahlung von unterzehn Euro, können Sie dieses Angebotab sofort nutzen. Wir starten mit demFunktionstraining „PLUS“ in Langenhorn (U-Bahn Ochsenzoll) und inFarmsen (U-Bahn Farmsen).Qigong:Ostasiatische BewegungskunstSelbstmanagementkurs:Selbst wieder ans Steuer!Körperliche Aktivität muss nicht immermit Kraft und erschöpfendem Trainingeinhergehen. Lernen Sie in unseremQigong-Kurs die ostasiatische Kunstder fließenden und sanften Bewegungen für sich zu nutzen.Den Umgang mit der rheumatischenErkrankung neu zu lernen – mit demZiel, das eigene Leben wieder selbststeuern zu können – das ist der Kerndieses Kurses. Angeleitet und unterstützt werden die Teilnehmer durch diezwei speziell ausgebildeten und selbstbetroffenen Kursleiterinnen.Wann:8 Termine immer dienstagsvon 18:00 - 19:15 Uhr am27.2., 6.3., 13.3., 20.3., 27.3. 2018Wo:Doormannsweg 12, 20259 Hamburg3 Samstage: 27.10. / 3.11. / 10.11.2018von 11:00 - 17:00 Uhr (mit ausreichendPausen)Kosten:Für Mitglieder der Rheuma-Liga 80,- und für Nicht-Mitglieder 100,- Wo:Dehnhaide 120, 22081 Hamburg(Schön Klinik Hamburg Eilbek)Yoga:Kosten:45 für Mitglieder, 90 für Nichtmitglieder (vorab zu überweisen)Ab sofort werden zwei Yoga-Kurse(Hatha) angeboten.Wann:Mittwochs von 17:10 - 18:10 Uhr sowievon 18:15 - 19:15 UhrWo:Goldbekhaus WinterhudeKosten:32,50 pro MonatWeitere Infos und Beratungen zu allen Veranstaltungen:Telefon 040 6690765-0. Team Funktionstraining: Telefon 6690765-15 / 16www.rheuma-liga-hamburg.de6Wann:Gut, gesund, leckerErnährung bei RheumaFrau Mouni Meyer, Köchin und Fachfraufür BioGourmet Ernährung IHK, hält einen interessanten Vortrag zum Thema.Wann:Donnerstag, 26. April 2018von 18:30 bis 20:30 UhrWo:Dehnhaide 120, 22081 HamburgSchön Klinik Hamburg Eilbek,Auditorium, Haus 7, 4. EtageAnmeldung über Rheuma-Liga erbeten

newsUrsache:Manchmal ist eineInfektion schuldOsteoarthritis:OP mit HochfrequenzmethodeVersorgungsatlas:Mehr RA-Patientenals gedachtWenn das Knie dick wird und zuschmerzen beginnt, vermutet derRheumatiker einen Krankheitsschub.Hinter einem künstlichen Gelenk, indessen Umfeld es schmerzt, kannnach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie aberauch eine Infektion stecken. Häufigwerde diese Möglichkeit übersehen,und tatsächlich sei es nicht leicht,zwischen dem Rheumageschehen,normalem Verschleiß und einer Infektion zu unterscheiden. Mit einembestimmten Test können Rheumatologen mittlerweile allerdings erkennen, ob das Immunsystem gegeneinen Erreger ankämpft. Wird dieInfektion rechtzeitig bemerkt, kannder Arzt das künstliche Gelenk durcheine Operation meist retten, erklärtdie Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. (Quelle: DGRh, https://tinyurl.Patienten, die an einer schmerzhaften Osteoarthritis des Knies leiden,könnte die gekühlte operative Abtragung mit Hochfrequenzmethode(CRFA) helfen. In einer prospektiven,multizentrischen Studie führte diesezu einer stärkeren und länger anhaltenden Verbesserung, als die intraartikuläre Steroidinjektion (IAS).Die Zahl der Patienten, die inDeutschland von einer rheumatoiden Arthritis (RA) betroffen sind, istlaut einer Auswertung des Versorgungsatlas’ der KassenärztlichenVereinigungen (KV) höher, als bisherangenommen. Ältere Schätzungengingen von einer Erkrankungshäufigkeit von etwa 0,8 bzw. 0,9 Prozent derBevölkerung aus, tatsächlich lag dieZahl dem aktuellen Versorgungsatlaszufolge im Jahr 2014 bundesweit beietwa 1,2 Prozent. Außerdem nehmen immer mehr RA-Patienten dievertragsärztliche Versorgung in Anspruch. Der Anteil der RA-Patientenist in den jeweiligen Bereichen derKassenärztlichen Vereinigungen unterschiedlich hoch. Im Süden liegt dieErkrankungshäufigkeit etwas niedriger als im Norden, allerdings weisen die Stadtstaaten Hamburg undBremen wiederum etwas geringereErkrankungszahlen als die umliegenden Flächenländer auf. Ähnlich siehtes bei den jährlichen Neuerkrankungen aus. Die geringste Neuerkrankungsrate weist der KV-Bereich Nordrhein auf, Mecklenburg-Vorpommernsteht an der Spitze. Die Gründe fürdiese regionalen Unterschiede sindunbekannt. (Quelle: univadis.de)Vor dem Hintergrund desdemografischen Wandelsund einer älter werdendenBevölkerung, ist mit einerstetigen Zunahme anRheuma-Patienten zurechnen. Foto: iStockphoto.com/Rawpixelcom/yd4xaqx2)(Quelle: univadis.de)7

rheuma und sportSport & Bewegung bei RheumaBewegungstherapie ist ein wichtiger Teil bei der Behandlungentzündlichen Rheumas. Ziel ist es, die Funktion von Gelenken,Muskeln und Bändern und damit die Mobilität zu erhalten.OText von Carola Hoffmeisterliver Niggemeyerarbeitet als Chefarztder Orthopädie undUnfallchirurgie amAsklepios Westklinikum im HamburgerBezirk Altona und bietet jede Wocheeine Rheumasprechstunde an. In diese Sprechstunde kommen Menschenmit entzündlich-veränderten Gelenksituationen für eine Erstdiagnoseund solche, die bereits medikamentösgut einstellt sind. „Wenn die Grundsituation stabil ist, möchten vielePatienten wissen, ob sie den Sport,den sie vor der Erkrankung ausgeübthaben, fortsetzen dürfen“, sagt derpromovierte Mediziner, der sich nachdem Studium in Mainz, Dijon und Johannesburg auf orthopädische Rheumatologie spezialisiert hat. „Genausowenden sich diejenigen an mich, diebislang sportlich nicht aktiv waren.Ich berate sie dann im Hinblick aufein Bewegungsprogramm für denAlltag.“8Sport ist Teil der TherapieMit rheumatoider Arthritis, MorbusBechterew, Gicht, Fibromyalgie undvielen anderen umfasst der rheumatische Formenkreis mehr als 400Krankheitsbilder. So unterschiedlichdie einzelnen Ausprägungen auchsein mögen – neben der Basismedikation gehört fast immer die Bewegung zur Therapie. Im besten Fallkann sie Schmerzen lindern, Gelenkegeschmeidig halten und einem raschen Verschleiß vorbeugen. Bleibtdie Bewegung aus, werden die Gelenke im Umkehrschluss immer steifer,die Muskulatur verkümmert, undder Krankheitsprozess kann sich beschleunigt ausbreiten.„Dass Bewegung gut tut, spüren vieleRheumatiker von selbst“, sagt OliverNiggemeyer. „Sie erleben beispielsweise, dass die sogenannte Morgensteifigkeit verfliegt, wenn man sichkurz nach dem Aufstehen erst einmaleingelaufen hat oder noch im Bett liegend Bewegungsübungen ausführt.Auch in anderen Situationen verhilftregelmäßige Bewegung zu einemgesteigerten Wohlbefinden.“Im Gespräch mit medikamentösgut eingestellten Patienten erkundigt sich Chefarzt Niggemeyer inder Rheumasprechstunde zunächstnach den persönlichen Vorlieben desjeweils Betroffenen. Wenn jemandbislang keinen Sport getrieben hat,schlägt er klassische Ausdauersportarten wie Radfahren, Schwimmenoder Walken vor. Sie gelten als besonders gelenkschonend und vermeidenSprung- und Stauchbelastungen. „Hatjemand daran keine Freude, rege ichBewegungsangebote im Fitnessstudio oder in Sportvereinen an. Dortkann man unter der Anleitung eines erfahrenen PhysiotherapeutenÜbungen einstudieren, bevor mansich alleine daran wagt.“ Besonderssinnvoll seien die Angebote der Rheu-

rheuma und sport Foto: Dr. Oliver NiggemeyerIn der Rheumasprechstunde amAsklepios Westklinikum in Hamburg nimmt sichChefarzt Oliver Niggemeyer viel Zeit für seinePatienten - sowohl für die Diagnose, als auch fürFragen, die sich im Anschluss daran ergeben.9

rheuma und sport Foto: Dr. Oliver NiggemeyerDurch klinische Untersuchungen – insbesondere Röntgenuntersuchungen – kann Arthrose im Hüftgelenk sicher diagnostiziert werden.Oliver Niggemeyer ist hier Experte. Er legt seit Jahren den Fokus seinerArbeit auf den Bereich der Hüfte.ma-Liga. Die Selbsthilfeorganisationhat für Rheumatiker ein speziellesFunktionstraining entwickelt, dasin verschiedenen Städten ein- biszweimal in der Woche im Wasseroder im Gymnastikraum stattfindet.Nach ärztlicher Verordnung übernehmen die Krankenkassen hierfür dieKosten (Informationen unter www.rheuma-liga.de oder telefonisch unter01804 - 60 00 00). „Der Austausch mitGleichgesinnten ist oftmals hilfreichund motivierend – ganz besondersfür diejenigen Patienten, die wenigErfahrung mit Sport haben“, weißNiggemeyer.10Auch Risikosportarten sindmöglichVon Risikosportarten wie Joggen oderSchlittschuhlaufen haben Medizinerbis vor wenigen Jahren noch abgeraten. Die Belastungen und die damitverbundene Verletzungsgefahr seienzu hoch, nahm man an. Inzwischenjedoch hat ein Umdenken stattgefunden. „Man muss den Patienten alsGanzes begreifen“, sagt Niggemeyer,der selbst begeisterter Radfahrer istund einmal im Jahr in den Alpen überschmale Bergkämme radelt und dafürin Hamburg sechs bis acht Stundenin der Woche trainiert. „Wenn jemandnach einer frischen Diagnose auchnoch eine lieb gewonnene Sportartaufgeben muss, kann das gesundheitliche Rückschritte zur Folge haben. Istein Patient also in der Vergangenheitmit Hingabe gerudert, Marathon oderSchlittschuh gelaufen, sollte er dasauch ruhig weiterhin tun.“Bei Risikosportarten sollte sich derPatient allerdings sehr genau selbstbeobachten und sich insbesondeream Anfang mit seinem behandelnden Rheumatologen oder dem Physiotherapeuten abstimmen. „Hat ein

rheuma und sportwissenSport bei Arthrose:Schlittschuhläufer fünfmal in derWoche seine Runden auf dem Eis gedreht, würde ich empfehlen, dies weiter zu tun, jedoch früher als gewohntPausen einzulegen. Beispielsweisenach 20 Minuten anstatt nach einerStunde. In dieser Pause empfiehlt essich, einmal in sich hineinzuhorchenund zu gucken, wie es dem Körpergeht. Ist alles in Ordnung, kann manweitermachen.“ Wichtig sei auch dieLangzeitbeobachtung. „Meiner Erfahrung nach haben die meisten Patienten ein gutes Körpergefühl und überlasten sich nicht“, so Niggemeyer.Auf der Unfallchirurgie behandelt erso gut wie nie Rheumatiker, die sichbeim Sport eine Verletzung zugezogen haben.Sport bei rheumatoider ArthritisDie rheumatoide Arthritis gilt als häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung, oft sind die Finger, Handgelenke und Füßebetroffen, manchmal aber auch große Gelenke wie die Knie,Hüften oder Schultern. Eine europaweite Befragung von über5000 RA-Patienten in zwanzig Ländern ergab, dass 71 Prozentder Patienten sich überhaupt nicht sportlich betätigen. Nur15 Prozent treiben mindestens ein- bis zweimal wöchentlichmindestens eine halbe Stunde lang Sport. Weitere 14 Prozenttun dies dreimal in der Woche oder häufiger. Dabei kann Sportgerade bei RA-Patienten vielfältige positive Effekte haben. So seibelegt, dass Sport die Bildung entzündungsfördernder Zytokinewie TNFα oder Interleukin-6 hemmen kann. Weil RA-Patientenauch Risikopatienten für Myokardinfarkte und Schlaganfällesind, dürften sie – ähnlich wie Gesunde – von körperlicher Bewegung auch kardiovaskulär profitieren. Foto: iStockphoto.com/freie-kreationSchlittschuhlaufen gilt als Risikosportart für Rheumatiker. Inzwischen ratenÄrzte jedoch davon nicht mehr generell ab. Wichtig seien Vorerfahrungenund die die individuelle Konstitution.Um möglichst wenig Schmerzen zu haben, schonen viele Betroffene ihre Gelenke, sitzen und liegen viel, anstatt sich zubewegen. Doch genau das ist schlecht: Je weniger die Gelenkebewegt werden, desto schneller verschwindet der Knorpel. Regelmäßiges Training hingegen kräftigt die Muskeln, erhält dieBeweglichkeit und hilft so dabei, den Krankheitsverlauf positivzu beeinflussen. Auch wem es schwer fällt, sich mit Schmerzenzu bewegen, raten Experten dazu, sich aufzuraffen. Als idealgelten Radfahren, Schwimmen und Gymnastik, denn dieseSportarten schonen die Gelenke. Mit Bewegung lassen sichGelenkschmerzen lindern. Zu diesem Ergebnis kommt auch eineamerikanische Studie von der Northwestern University in Chicago. Die Forscher untersuchten 1000 Patienten, die unter derGelenkentzündung Arthritis litten. Mithilfe eines Bewegungsmessers wurde erfasst, wieviel sich die Probanden in einer Woche bewegten: 40 Prozent der Männer und 56 Prozent der Frauen trieben weniger als zehn Minuten Sport. Die Empfehlung derMediziner aber lautet: 150 Minuten Sport wöchentlich.Ein Großteil der Patienten fragt aktivnach Bewegung. Natürlich gibt esimmer auch Betroffene, die aufgrundder schmerzenden Gelenke nicht gut11

rheuma und sportin die Bewegung kommen. DieseMenschen sollte man ermutigen,ihre Rheumamedikation zu verändern und die Schmerzen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. „Dennvon der Basistherapie her sollte jederPatient in der Lage sein, ein gewissesMaß an Bewegung ausführen zukönnen. Ist das nicht der Fall, reichendie verschriebenen Medikamentenicht aus.“ Für manche mag mitunter die Versuchung groß sein, bei körperlicher Aktivität auf Schmerzmittel wie Ibuprofen zurückzugreifen.Davon rät der Arzt dringend ab. „WerSchmerzmittel aus der Gruppe derNichtopioid-Analgetika einnimmt,um seinem Sport nachgehen zu können, schadet sich unter Umständenganz erheblich - und nicht nur, wasdie Gelenke angeht.“ Denn durchdas Schwitzen und den dadurch ver-änderten Elektrolythaushalt konzentrieren sich die Schmerzmittelhäufig in der Niere, im schlimmstenFall droht ein Nierenversagen. Besonders gefährlich sei die Einnahmevon Schmerzmitteln in Zusammenhang mit Sport bei Menschen mitrheumatoider Arthritis. So geht dieErkrankung häufig mit Gefäßveränderungen einher, und Schmerzmittel können die Herzkranzgefäßeschädigen. „Die Risiken für Herz undNiere sind unter diesen Medikamenten deutlich erhöht,“ warnt Niggemeyer. Im aktuten Schub gilt es, dasTraining grundsätzlich auszusetzen.Ist die Phase überstanden und derPatient schmerzfrei, kann zunächstmit Krankengymnastik und Ergotherapie begonnen werden, um späterdann wieder regelrecht trainieren zukönnen.vorgestelltOliver Niggemeyer wurde 1968 inWiesbaden geboren und promovierte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz an derMedizinischen Klinik in derKardiologie. Nach Stationen inFrankreich und Südafrika bildeteer sich an den Universitätskliniken Düsseldorf und HamburgEppendorf zum Facharzt fürOrthopädie und Unfallchirurgieweiter. Seine intensive Beschäftigung mit der Rheumaorthopädieführte ihn ab 2005 an das Klinikum Bad Bramstedt und dortin die Klinik für Orthopädie undOrthopädische Rheumatologie,wo er seit 2010 als ständigerChefarztvertreter und leitenderOberarzt beschäftigt war. 2012übernahm er die Leitung der neuentstehenden Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Asklepios Westklinikum. Foto: Dr. Oliver NiggemeyerOlivier Niggemeyer und sein Mitarbeiter- und Ärzte-Team führen pro Jahr 700Endoprothesenoperationen an Hüfte undKnie sowie über 100 rheumaorthopädischeOperationen erfolgreich durch. Alle Behandlungen folgen modernsten, anerkanntenMethoden und erfüllen höchste Standards.12

rheuma und sportfInterviewmit PD Dr. Oliver Niggemeyer,Facharzt für Orthopädie undUnfallchirurgieWenn ein Gelenk mit einer schwachen Muskulatur zu viel Spiel und zuviel lockere Führung hat, wirkt sichdas auch im gesunden Körper nachteilig auf die Gelenke aus. Kommtdann noch eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung hinzu, potenziert sich die Situation. EinSportler mit Rheuma verbessert dieGrundkonstitution seines Körpers.Durch eine körperlich kräftigereMuskulatur entlastet er seine Gelenke. Außerdem schafft er die Möglichkeit, sich mit Stressfaktoren leichterauseinanderzusetzen, die bei Autoimmunerkrankungen immer eineRolle spielen. Zudem wird das Risikofür Folgeerkrankungen wie Typ2-Diabetes oder Herzkreislauferkrankungen minimiert. Bewegung istallgemein dem Immunsystem undder Infektabwehr zuträglich.Leichte BewegungsübungenWährend eines Schubs gilt Sportzunächst als nicht empfehlenswert. Dennoch sollten Sie IhreGelenke auch nicht komplett ruhighalten. Leichte Bewegungsübungen – ausgeübt ohne Kraft und Belastung auf den Gelenken – könnendabei helfen, Entzündungsstoffeab- und Nährstoffe hinzutransportieren. Hier kann der Physiotherapeut geeignete Übungen zeigen.Kann exzessiver Sport auch Schübeverursachen?Würden Sie Rheumatikern auchHochleistungs-Ausdauersportenwie Marathon oder Thriatlonempfehlen?Ich erlebe durchaus einige Patienten,die sich intensiv und exzessiv inden Sport stürzen, weil sie dadurchihrem Körper Gutes tun. Auch beider Teilnahme an Marathon- oderTriathlon-Wettkämpfen habe ichgrundsätzlich keine Bedenken. Diemeisten Rheumatiker können überdie Trainingseinheiten ihren Körperbesser einschätzen, als wenn siekeinen Sport treiben würden. FürMenschen mit Altersrheuma ist einMarathon aber sicherlich nicht derrichtige Weg, sich dem Thema Bewegung anzunähern.Wenn man Rheumatiker nach denAuslösern eines Schubes fragt, stelltman in der Auswertung der Antworten fest, dass ein Infekt genausowie Stress ein möglicher Auslösersein kann. Marathon ist im weitesten Sinne ein Wettkampf, und neunvon zehn Menschen würden sichdavon vermutlich überfordert fühlen. Aber wenn jemand für sich dieSituation gut nutzt und sich in Trainingseinheiten sukzessive steigert,ist es durchaus möglich, dass er dieAufregung in sogenannten Eustressumwandelt – in positiven Stress –und entsprechend Wohlbefindendaraus generiert. Das wiederum vermag Schübe möglicherweise sogarzu verhindern. Dieses Gleichgewichtist aber sicherlich fragil, und es isteine Herausforderung, es in Balancezu halten.Herr Dr. Niggemeyer, vielen Dankfür das Gespräch.13 Foto: iStockphoto.com/pic studioHerr Dr. Niggemeyer, wie lassensich die positiven Effekte des Sportsauf den Körper bei einer entzündlich-rheumatischen Erkrankungzusammenfassen?info

rheuma und sportErfahrungsbericht„Immer in Bewegung!“Natascha Knopf, 32 Jahre alt, leidet seit ihrer Geburt anrheumatoider Arthritis. Auf ihrem Blog rheumatopiaschreibt sie über ihren Alltag mit Rheuma – und darüber,wie wichtig Bewegung für die Gelenke ist.A Foto: Natascha Knopfls Kind war der Fall klar:Ich ging einmal in der Woche zur Krankengymnastik und musste die Übungen, die ich dort gelernt habe, auchzu Hause praktizieren – zum Beispielauf dem Rücken liegen und Fahrradfahren. Dazu hatte ich zwar nichtimmer Lust, aber meine Eltern habenauf Regelmäßigkeit geachtet. Wir waren außerdeam täglich im Wald undungefähr einmal die Woche im Thermalbad. Das Schwimmen im warmenWasser ermöglichte Schmerzfreiheit– wie wunderbar!Als ich von zu Hause ausgezogen bin,habe ich weiterhin auf Bewegung geachtet, auch wenn ich mich teilweiseschwer damit tat, mich zu disziplinieren. Besonders seit ich durch dasHome Office keinen Arbeitsweg mehrhabe. Aber mir ist klar: Je länger dasRheuma und ich in einem Körper zusammen leben, umso wichtiger wirdausreichend Bewegung für mich.Schleichend, nahezu unbemerkt,werde ich sonst von Tag zu Tag ungelenkiger. 2009 konnte ich wegeneines kaputten Sprunggelenks einJahr lang kaum noch laufen, nichteinmal Schwimmen war aufgrund14der Schmerzen möglich. Ich erhieltdann eine Prothese, mit der ich wieder schmerzfrei auftreten konnte.Aber durch die Schonung nach derOperation habe ich viel Muskelmasseverloren – und die wieder aufzubauenfiel mir sehr schwer, zumal ich nichtgerne ins Fitnessstudio gehe.Ähnlich ist es nach einem Schub.Auch wenn er überwunden ist, kannes sein, dass die Schmerzen zurückkommen, einfach weil die Bewegung fehlt. Oder wenn die Gelenkeund Muskeln bereits steif sind, ist esschwierig, ihnen erneut zu Geschmeidigkeit zu verhelfen. Es ist manchmalein Teufelskreis! Ich versuche ihn zudurchbrechen, indem ich mich täglichnach Bedarf bewege – das ist effektiver, als nur einmal in der Woche füreine Stunde intensiv Sport zu treiben.So bewege ich mich amliebsten:Spazierengehen.Das geht so gut wie immer (heftigeSchübe ausgenommen) und machtkaum Umstände. Ich habe es mir angewöhnt, die anderthalb Kilometerzur Ergotherapie bei jedem Wetterhin- und zurück zu laufen. Nur, wennes gar nicht mehr geht, nehme ich denBus. Im Grunde kann man sich selbstganz leicht überlisten und viele kleineSpaziergänge in den Alltag einbauen,beispielsweise indem man zum Einkaufen läuft anstatt das Auto zu nehmen. Wenn man die Besorgungen aufmehrere Tage verteilt, entsteht auchkein ungesundes Geschleppe.Gymnastik, Dehnübungenund PilatesIch übernehme grundlegend dieÜbungen aus der klassischen Krankengymnastik wie Radfahren aufdem Rücken, Rumpfdrehen oder dieBeinmuskulatur solange dehnen, bisman mit den Fingern die Zehen berühren kann. Ich habe vieles ausprobiert und auch schon mit Qi Gong undYoga geliebäugelt, bin jedoch immerwieder bei meinen zehn Lieblingsübungen hängen geblieben. Um eingewisses Maß an Beweglichkeit aufrecht zu erhalten, reichen mir zwei bisdrei mal 20 Minuten pro Woche. Amliebsten abends auf einer Isomatte

rheuma und sportvor dem Fernseher. So habe ich etwasAblenkung, wenn es weh tut.Nordic WalkingIch bin ein Fan, seit mein Mann undich beim Wellness-Urlaub im Bayerischen Wald einen Grundkurs mitgemacht haben. Zunächst kam ich mirseltsam vor, mit Stöcken durch die Gegend zu staksen. Was im Wald nochunbeobachtet vonstatten geht, ist inder Stadt schon noch eine Spur ungewohnter. Aber Hauptsache, es tutgut und macht Spaß - lasst die Leute gucken! Zugegeben, im Winter istNordic Walking nichts für mich. Abervon Frühjahr bis Herbst bin ich gerne zweimal in der Woche in leichter,bequemer Kleidung und mit Fingerhandschuhen für eine halbe Stundean der Donau unterwegs. Das passtperfekt in die Mittagspause.SchwimmenDas habe ich schon immer geliebt– nur in Naturgewässern halte ichmich nicht so gerne auf. Ich mussFliesen oder Metall unter mir sehen,dann bin ich in meinem Elementund kann beim Bahnenziehen vollkommen abschalten. Brustschwimmen war eine Zeitlang ein heiklesThema, da hinterher die Schmerzenin meiner Halswirbelsäule schlimmwaren. Inzwischen geht es aber, undich freue mich, dass es die Schmer-dfafdasdfhjblogwww.rheumatopia.deNatascha Knopf blogt über Rheuma, Ernährung und einen nachhaltigen Lebensstil. Sie ist ehrenamtlich in der Rheuma-Liga aktivund betreut die Gesprächsgruppefür Jungrheumatiker in Ulm.zen und vor allem die Steifheit inden Wirbeln vertreibt. Schwimmengehen ist natürlich schon mit einemgewissen Aufwand verbunden: ersteinmal zum Schwimmbad kommen,das lästige Umziehen im feuchtwarmen Milieu der Umkleideka

trotz Morbus Bechterew m Gut zu wissen Tipps, Infos, Wissenswertes rund um die Rheumatologie 4 6 8 14 16 18 Liebe Leserin, lieber Leser, wenn die Gelenke schmerzen, mag es verführerisch sein, seinen Körper zu schonen. Doch Sport und Bewegung sind neben der Med