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Gerd WaltherModul 1: Gute und andere Aufgaben(Arbeitsversion)1Zur EinstimmungDie folgende Aufgabe ist einem Schulbuch1 für die 4. Klasse entnommen:Beantworten Sie bitte, bevor Sie weiterlesen die folgende Frage: Würden Sie diese Aufgabe als eine gute Aufgabe bezeichnen?Geben Sie bitte Gründe für Ihre Einschätzung an.Eine mögliche Antwort auf die obige Frage könnte schlicht lauten: „Das kommt darauf an.“Stellen Sie sich bitte folgendes Szenario vor: Ein Mathematiklehrer2 lässt seine Viertklässlerdie Aufgabe in der Weise bearbeiten, dass sie nur die jeweiligen Teilergebnisse eines Aufgabenpärchens berechnen und diese addieren – mehr verlangt auch der Aufgabentext nicht. Spätestens nach dem Vergleich der Summen und der Durchführung etwaiger Korrekturen schließter die Bearbeitung der Aufgabe ab.Bei diesem Umgang mit der Aufgabe steht offenbar die Entwicklung bzw. Festigung von mathematischem Grundwissen und mathematischen Fertigkeiten/Verfahren, also sog. Inhaltlichen mathematischen Kompetenzen3 im Vordergrund.Wie Sie in diesem Text noch erfahren werden, würde bei dieser Zielsetzung und der entsprechenden Aufgabenbearbeitung im Unterricht die Aufgabe in dem im Weiteren noch näher zuerläuternden Sinn, d.h. in Bezug auf einen noch festzusetzenden Qualitätsrahmen, nicht als1Wenn im vorliegenden Text Aufgaben aus Schulbüchern genommen sind, so ist dies mit der Angabe der entsprechende Klassenstufe vermerkt. Wir verzichten aber auf die Quellenangabe, damit punktuelle Kritik (oderLob), z.B. an einer Aufgabe des Buchs nicht von Lesern dieses Textes vorschnell und pauschal auf das gesamteSchulbuch (-werk) übertragen wird.2Bei Personenbezeichnungen werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Text keine geschlechtsspezifischen Unterscheidungen vorgenommen. „Lehrer“, „Schüler“ beinhalten sowohl männliche als auch weiblicheVertreter dieser Gruppen.3Vgl. Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Bildungsstandards im Fach Mathematik (Jahrgangsstufe 4).Entwurf (Stand: 23.04.04); im vorliegenden Text kurz Bildungsstandards genannt (vgl. Anhang 1). Die Bildungsstandards sprechen hier von inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen.1

gute Aufgabe sondern, wie wir später sagen werden, als andere Aufgabe eingestuft werden.Im Hinblick auf andere Zielvorstellungen, wenn es etwa primär um die Entwicklung bzw.Festigung inhaltlicher mathematischer Kompetenzen ginge, könnte jedoch die Aufgabe bzw.das, was aus ihr im Unterricht „gemacht“ wird, das Prädikat „gute Aufgabe“ erhalten. Aufgaben, das zeigt diese erste Betrachtung bereits, sind hinsichtlich ihrer Beurteilung unter Qualitätsgesichtspunkten vielfach ambivalent. Diese Ambivalenz sollten Lehrkräfte nicht als Quelle möglicher Irritationen, sondern vielmehr konstruktiv, als Chance zu einem flexiblen Umgang mit Aufgaben verstehen.Unter diesem Aspekt wäre es schade, wenn zum Beispiel die obige Aufgabe nach ihrer erstenEinschätzung als andere Aufgabe „abgehakt“ und ad acta gelegt werden würde. Wie Sie nochsehen werden, steckt in dieser Aufgabe nämlich neben der Möglichkeit zur Entwicklung undFestigung von inhaltlichen Kompetenzen weiteres, in dem eben skizzierten Szenario nichtgenutztes Potential zur Entwicklung und Festigung auch von sog. prozessbezogenen Kompetenzen4.Mathematiklernen in der Grundschule darf nach heutiger Auffassung nicht auf die Aneignungvon inhaltlichen Kompetenzen, also Kenntnisse und Fertigkeiten reduziert werden. In Verbindung mit der Entwicklung und Festigung inhaltlicher Kompetenzen kommt der Entwicklungprozessbezogener Kompetenzen, wie zum Beispiel der Fähigkeit, selbstständig oder gemeinsam mit anderen mathematische Probleme oder außermathematische Probleme mit Hilfe vonMathematik zu lösen, Situationen experimentierend zu erforschen, Beziehungen und Strukturen zu entdecken, Sachverhalte zu beschreiben und zu begründen, eine große Bedeutung zu.Beide Kompetenzbereiche gehören zusammen und sollten im Mathematikunterricht derGrundschule gleichermaßen gefördert werden. Die Fokussierung in diesem Modul auf dieEntwicklung und Festigung prozessbezogener Kompetenzen durch Aufgaben gründet sichdarauf, dass sich in der Vergangenheit der Mathematikunterricht wohl eher auf inhaltlicheKompetenzen konzentriert hat.Sie werden in diesem Text unter anderem am Beispiel der obigen Aufgabe erfahren, wie Sie,vielleicht auch zusammen mit Ihren Schülern, daraus eine gute Aufgabe machen können. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, das in der Aufgabe „steckende“ Potential zur Ent-4Die Bildungsstandards sprechen hier von allgemeinen mathematischen Kompetenzen.2

wicklung und Festigung von prozessbezogenen Kompetenzen zu erkennen und für das Lernender Schüler nutzbar zu machen.Aktivität 1. Wie würden Sie die obige Aufgabe „verbessern“?Halten wir fürs erste fest:Aufgaben an sich sind nicht in einem absoluten Sinn gut; um von guten Aufgaben redenzu können bedarf es eines Qualitätsmaßstabes,der Qualitätsmaßstab wird sich an Kompetenzen orientieren, welche bei den Schülernentwickelt bzw. gefestigt werden sollen,die Qualität einer Aufgabe ist in der Regel nicht bereits durch ihren Aufgabentext festgelegt, sondern wird durch den Umgang des Lehrers und der Schüler mit der Aufgabemit bestimmt.2Funktionen von AufgabenDer berufliche Alltag von Mathematiklehrern und der Lern-Alltag von Schülern wird wesentlich durch den Umgang mit Aufgaben geprägt. Aufgaben werden präsentiertin schriftlicher Form (z. B. durch Texte, Bilder, Diagramme in Schulbüchern, Arbeitsblättern, auf dem Bildschirm),in mündlicher Form (z. B. während des Unterrichtsgesprächs).Mündlich gestellte Aufgaben können explizit im üblichen, d. h. auch in der schriftlichen Formverwendeten Aufgabenformat formuliert werden, z. B. beim Kopfrechnen oder der Kopfgeometrie. Häufig sind mündliche Aufgabenstellungen in ein Unterrichtsgespräch in Verbindungmit der gemeinsamen Bearbeitung einer Aufgabe eingebettet: Susi stellt an der Tafel ihreAufgabenlösung vor und gerät ins Stocken. Mit der Frage der Lehrerin „Wer hilft weiter?“wird den anderen Kindern implizit die Aufgabe gestellt, Susis Lösungsansatz aufzugreifenggf. zu korrigieren und zu Ende zu bringen. Das Angebot eines Schülers „Ich hab das andersgerechnet“ dürfte in diesem Kontext wohl kaum zum Zuge kommen.Aufgaben sind sowohl aus Lehrer - als auch Schülerperspektive mit vielfältigen Tätigkeitenund Bezügen verbunden.3

Lehrerwählen Aufgaben für den Unterricht aus,bereiten Aufgaben vor,stellen didaktisches Material für die Aufgabenbearbeitung bereit,stellen - vielfach spontan - Aufgaben in mündlicher Form,beraten Schüler bei der Bearbeitung von Aufgaben,überprüfen und werten mündliche oder schriftliche Lösungen und Lösungswege,führen verschiedene Lösungsfragmente von Schülern zusammen,bewerten Aufgabenlösungen von Schülern, usw.Schülerversuchen, Aufgaben zu lösen,versuchen, Lösungen anderer Schüler zu verstehen (oder „einfach“ zu übernehmen),schätzen Aufgaben nach ihrer Lösungschance ein,bearbeiten allein oder gemeinsam mit anderen (im Unterricht oder zu Hause) Aufgaben,bitten um Unterstützung bei der Aufgabenbearbeitung,stellen emotionale Bezüge zu Aufgaben und zur Aufgabenbearbeitung her (z. B.:„interessant/langweilig“, „mache ich gern/ungern“), usw.Es wird sich zeigen, dass der prozessbezogene Umgang mit Aufgaben, um den es in diesemText geht, Bezüge zu fast allen dieser Punkte aufweist.Wenn wir im Folgenden von „Aufgaben“ sprechen, so sind damit fachbezogene Anforderungen an Schüler im Kontext von Fachunterricht, hier: Mathematikunterricht, gemeint mit derIntention, Lernprozesse in Gang zu setzen oder Lernergebnisse zu überprüfen. In diesem Sinne zählen dann auch mathematische Anforderungen, die in „Hausaufgaben“ gestellt werdenzu dem hier verwendeten Konzept von Aufgabe, nicht aber z. B. die „Aufgabe“ an einenSchüler, in der nächsten Woche den Tafeldienst zu übernehmen.4

Mit Blick auf die Schüler erfüllen Aufgaben im Mathematikunterricht somit zwei grundlegende didaktische Funktionen:1. Durch die individuelle oder gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben sollen bei denSchülern Lernprozesse zur Entwicklung und Konsolidierung von Kompetenzen angestoßen werden.2. Mit Aufgaben soll der Leistungsstand der Schüler, d. h. ihre durch Lernen erreichtenKompetenzen festgestellt werden.Mit Blick auf den Mathematikunterricht erhofft man sich von Aufgaben noch weitere Funktionen:3. Gute Aufgaben können als Instrument der Qualitätsentwicklung von Mathematikunterricht dienen5. Insbesondere kann über das Vehikel „Aufgaben“ das kollegiale Gespräch über Mathematikunterricht (Konzeption, Qualität etc.) zwischen Lehrern inGang gesetzt werden.4. In der aktuellen Diskussion über Bildungsstandards dienen Aufgabenbeispiele alsnormatives Instrument der Qualitätssicherung dazu, das Wesentliche dieser Bildungsstandards an Aufgaben exemplarisch zu verdeutlichen. Gleichzeitig sollen Lehrer dafür sensibilisiert werden zu erkennen, dass in Aufgaben „dieses Typs“ das Potenzialzur Entwicklung von Kompetenzen steckt, wie sie die Bildungsstandards fordern.Gerade die beiden letzten Punkte bilden gewissermaßen das Rückgrat dieses Moduls. Allgemeines Ziel des Projekts SINUS-Transfer Grundschule ist letzten Endes die weitere Qualitätsentwicklung von Mathematikunterricht. Aufgaben sind ein Instrument in diesem Prozess.Aufgaben, die sich hierfür in besonderer Weise eignen, nennen wir „gute“ Aufgaben. Um einenähere inhaltliche Vorstellung von solchen Aufgaben zu bekommen, muss etwas über Qualitätsentwicklung von Mathematikunterricht in der Grundschule gesagt werden. Hierzu gibt esin der Literatur vielfältige Vorstellungen. Wir werden uns hier auf einen, durchaus traditionellen Bereich beschränken, nämlich Qualitätsentwicklung von Mathematikunterricht im Sinne5Vgl. hierzu Leuders, T.: Qualität im Mathematikunterricht der Sekundarstufe I und II. Cornelsen Verlag, Berlin2001. Manches von dem, was Leuders über Aufgaben allgemein und Aufgaben als Instrument der Qualitätssicherung ausführt, lässt sich auch auf die Grundschule übertragen.5

einer bewussteren Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen bei Schülern im Unterricht.Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass der Blick auf Aufgaben unter dem Gesichtspunkteiner Entwicklung von prozessbezogenen Kompetenzen im Unterricht nur eine unter einerVielzahl von Möglichkeiten ist6.Lehrer, so hatten wir festgestellt, gehen tagtäglich in ihrem Mathematikunterricht mit Aufgaben um. Sie sind gewissermaßen Experten für Aufgaben. Daher kann es nur Ziel dieses Basisbeitrages zum Modul „Gute Aufgaben“ sein, vor dem Hintergrund der reichhaltigen Erfahrungen, die Lehrer zum Thema Aufgaben besitzen, die Aufmerksamkeit auf einige wichtige,mit der Entwicklung von prozessbezogenen Kompetenzen verknüpften Aspekte beim Umgang mit Aufgaben zu lenken.Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik Aufgaben und prozessbezogeneKompetenzen mit dem Ziel, Ihren eigenen Mathematikunterricht davon profitieren zu lassen,ist es unerlässlich, selbst aktiv zu werden. Als Anregung hierzu sind die in den Text eingestreuten Aktivitäten, also Aufgaben für Sie, gedacht. Diese Aktivitäten sollen überdies als Anlässe für Diskussion, Ideen- und Materialentwicklung mit Kollegen dienen.3Prozessbezogene Kompetenzen als Perspektive von QualitätsentwicklungRichten wir zur Einordnung dieses Gedankens zunächst den Blick zurück. Mit seinem grundlegenden Aufsatz zu einem Sammelband „Beiträge zum Lernzielproblem“ hat Heinrich Winter vor gut 30 Jahren den entscheidenden Impuls für eine zeitgemäße, breite und nachhaltigeDiskussion über Allgemeine Ziele des Mathematikunterrichts gegeben7. Obwohl sich Wintersdamalige Überlegungen auf die Sekundarstufe I beziehen, hat sich sehr schnell ihre Fruchtbarkeit auch für die anderen Schulstufen, insbesondere die Grundschule, erwiesen. Unter „allgemeinen Lernzielen“ versteht Winter „Lernziele mittlerer Hierarchie, nämlich solche, diezwar spezifisch sind (.) für den Mathematikunterricht als Ganzes, die aber andererseits nicht6Vgl. das anregende Buch von Ruwisch, S. und Peter-Koop, A.: Gute Aufgaben im Mathematikunterricht derGrundschule. Mildenberger Verlag, Offenburg 2003.7Winter, H.: Vorstellungen zur Entwicklung von Curricula für den Mathematikunterricht in der Gesamtschule.In: Beiträge zum Lernzielproblem. Eine Schriftenreihe des Kultusministers NRW, Henn Verlag, Ratingen 1972,S. 67 – 95.6

an Einzelinhalte gebunden sind .“. Das Ziel, dass „Der Schüler soll natürliche Zahlen mit derRundungsregel runden können“ ist ein Beispiel für ein an Einzelinhalte gebundenes Ziel.Winter schlägt in diesem Beitrag die folgenden grundlegenden allgemeinen Ziele, als beiSchülern „anzustrebende Verhaltensweisen“ vor:Fähigkeit zum Mathematisieren, d.h. die Fähigkeit, eine inner- oder außermathematische Situation mit mathematischen Mitteln zu ordnen,Kreativität, sowieArgumentationsfähigkeit.Statt von „anzustrebenden Haltungen“ bei den allgemeinen Lernzielen oder, diese in spezifischer Weise ergänzend, von „anzustrebenden intellektuellen Grundfertigkeiten“ (z.B. Klassifizieren, Ordnen, Formalisieren) zu sprechen, verwenden verschiedene Autoren heute Bezeichnungen, die deutlicher die Lernerseite betonen: kognitive Strategien8 bzw. prozessbezogene Kompetenzen9 (in Anhang 1 sind aus den Bildungsstandards für die Grundschule derdort benutzte Katalog prozessbezogener Kompetenzen wiedergegeben). Auch die Bezeichnung Allgemeine Lernziele ist noch in Gebrauch10.Gewiss wird eine Reihe von Lesern bereits über mehr oder weniger differenzierte Vorstellungen zu den drei genannten prozessbezogenen Kompetenzen verfügen. Um aber eine gemeinsame, inhaltlich ausdifferenzierte Verständigungs- und Arbeitsgrundlage herzustellen, gebeich im Folgenden (leicht verändert) die von Wittmann (vgl. Fußnote 8) vorgenommene Aufschlüsselung der oben genannten drei grundlegenden Kompetenzen (bzw. Kompetenzfelder)in prozessbezogene (Teil-) Kompetenzen wieder. Diese Aufgliederung zeigt zudem, dass diedrei Kompetenzfelder Überschneidungen aufweisen.Kompetenzen beschreiben das, was ein Lernender schließlich kann oder können sollte. DieEntwicklung und Festigung von Kompetenzen erfolgt über bestimmte Aktivitäten/Tätigkeitendes Lernenden. Die aufgeführten Unterpunkte können in diesem Sinne auch als Beschreibung8Wittmann, E. Ch.: Grundfragen des Mathematikunterrichts. Vieweg Verlag, Braunschweig 1981. In diesemBuch werden neben anderen Systemen von allgemeinen Lernzielen auch die Winterschen Vorschläge zu allgemeinen Lernzielen ausführlich erörtert.9Vgl. die Bildungsstandards im Fach Mathematik (Jahrgangsstufe 4).10Krauthausen, G.: Allgemeine Lernziele im Mathematikunterricht der Grundschule. In: Die Grundschulzeitschrift 119/1998, S. 54 – 61.7

von sog. prozessbezogenen Aktivitäten aufgefasst werden, welche die Entwicklung und Festigung entsprechender Kompetenzen unterstützen.I. MathematisierenDer Schüler soll lernen, Situationen (mathematischer und besonders auch real-umweltlicherArt) zu mathematisieren, das bedeutet:1Situation mit mathematischen Mitteln erfassen und darstellen2Daten gewinnen (Experimentieren, Zählen, Messen, Schätzen)3Strukturelle Zusammenhänge aufdecken und formulieren (m.a.W. Bildung einermathematischen Struktur bzw. – im Fall einer Realsituation – eines mathematischenModells4Sachrelevante Problemstellungen aufgreifen bzw. selbst finden5Daten im Hinblick auf Lösung der Probleme verarbeiten6Lösungen und Lösungswege situationsadäquat interpretieren, diskutieren und darstellenII. KreativitätDer Schüler soll lernen, sich forschend-entdeckend und konstruktiv zu betätigen, also:1Vermutungen (z.B. über Beziehungen, Muster, Strukturen, . ) aufstellen2Lösungs- und Begründungsideen entwickeln, Lösungswege planen3Komplexe Handlungsabläufe sachadäquat in Teilschritte gliedern4Über die gegebene Information hinausgehen5Eine Situation bzw. Aufgabenstellung variieren, fortsetzen, übertragen6Verallgemeinerungen erkennen und formulieren7Probleme konstruierenIII. ArgumentierenDer Schüler soll lernen zu argumentieren, nämlich:1Sich an Vereinbarungen (Regeln, Definitionen) halten2Allgemeine Aussagen an Spezialfällen testen (Beispiele – Gegenbeispiele)3Begründen, Folgern, Beweisen4Begründungen auf Stichhaltigkeit prüfen, Scheinargumente aufdecken5Mathematische Überlegungen bezüglich ihrer Verständlichkeit, Prägnanz, Bedeutung diskutieren und bewerten8

Mathematikunterricht, der in Verbindung mit der Entwicklung und Festigung von inhaltlichenKompetenzen auch die Entwicklung und Festigung von prozessbezogenen Kompetenzen anstrebt, vermittelt ein an der Wissenschaft Mathematik orientiertes Bild von Mathematik, dasgleichermaßen Mathematik als fertigen, abrufbaren und anwendbaren Bestand an begrifflichem Wissen und Verfahrenswissen, aber auch als ein durch Tätigkeit im Werden Befindliches einschließt. Mit dieser Zielsetzung harmoniert sehr gut eine Auffassung von Mathematikals Wissenschaft von den Mustern11. Wie Winter dargelegt hat, korrespondieren diese prozessbezogenen Kompetenzen zudem mit grundlegenden Wesenszügen des Menschen (anthropologischer Bezug) und Zielsetzungen der allgemeinbildenden Schule12, woraus sie u.a. ihreRechtfertigung13 erfahren.Inzwischen liegen in neueren Rahmenplänen für die Grundschule, in den „Bildungsstandardsfür die Grundschule“ und in anderen Veröffentlichungen14 unterschiedlich detaillierte unddifferenzierte Kataloge prozessbezogener Kompetenzen vor, deren Kern unverkennbar vonden Winterschen Zielvorstellungen geprägt ist.Wie oben bereits erwähnt, können prozessbezogene Kompetenzen nur in Verbindung mit mathematischen Inhalten entwickelt werden. Winter bringt dies in seinem Beitrag von 1972 soauf den Punkt: Es gibt kein Stricken ohne Wolle. Auch über die in der Grundschule zu vermittelnden grundlegenden mathematischen Begriffe und Verfahren, also die inhaltsbezogenenKompetenzen, wie z.B. zu Zahlen, Zahlenmustern, Zahloperationen, Größen, geometrischenFiguren und Mustern besteht in Rahmenplänen und in den Bildungsstandards15 für die Grundschule trotz mancher terminologischer Unterschiede breite Übereinstimmung.Es liegt im übrigen auf der Hand, dass das Ziel der Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen in einem sehr engen Zusammenhang mit der Thematik der beiden anderen Basismodule16 steht. Kreativität, Ideenreichtum, Ideenflüssigkeit und die Fähigkeit Situationen „mathematisch“ zu sehen, sind wichtige Bedingungen für entdeckendes, erforschendes Lernen im11Dieser Aspekt wird ausführlich erläutert in Steinweg, A. S.: Zur Entwicklung des Zahlenmusterverständnissesbei Kindern. LIT, Münster 2001.12Winter, H.: Allgemeine Lernziele für den Mathematikunterricht? In: Zentralblatt für Didaktik der Mathematik7 (1975), S. 106 – 116.13Vgl. hierzu auch Wittmann, E. Ch.: Grundfragendes des Mathematikunterrichts. Vieweg Verlag, Braunschweig 1981, S. 54f .14Z.B. in dem vom Grundschulverband vertretenen „Leitkonzept zeitgemäßer Grundschularbeit“, insbesonderein den Ausführungen zum Fach Mathematik.15Vgl. die inhaltlichen mathematischen Kompetenzen in den Bildungsstandards.9

Mathematikunterricht (vgl. Modul 2). Vorgehensweisen bei der inhaltlichen oder prozessbezogenen Öffnung von Mathematikunterricht (vgl. Modul 3) vermögen ein förderliches Klimafür die Bearbeitung guter Aufgaben zu schaffen.Aktivität 2. Vergleichen Sie die ausdifferenzierten Winterschen Lernziele mit den allgemeinen mathematische Kompetenzen der Bildungsstandards (Anhang 1)4Qualität von AufgabenKommen wir zur Frage der Qualität von Aufgaben zurück. Vor dem skizzierten Hintergrundzu prozessbezogenen Kompetenzen legen wir fest:Gute Aufgaben sind Aufgaben, welche bei Schülern in Verbindung mit grundlegendenmathematischen Begriffen und Verfahren die Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen unterstützen.Mit dieser zunächst etwas formal wirkenden Festsetzung soll deutlich gemacht werden, dassdie Bewertung von Aufgaben mit dem Prädikat gut immer nur auf der Folie eines expliziertenQualitätsrahmens sinnvoll ist. Dadurch wirdder Qualitätsrahmen transparent, diskutierbar und kritisierbar,und es kann zudem die Qualitätsbewertung von Aufgaben argumentativ vertreten werden.Vor diesem Hintergrund vermeiden wir es auch von schlechten Aufgaben zu sprechen. Aufgaben, die im obigen Sinne nicht das Prädikat gut erhalten, können durchaus andere wichtigeZiele, wie z.B. die Routinisierung des Kleinen Einmaleins oder das gezielte Üben andererKenntnisse und Fertigkeiten verfolgen. Zur Abgrenzung von guten Aufgaben sprechen wir indiesen Fällen von anderen Aufgaben. Damit wird also zum Ausdruck gebracht, dass solcheAufgaben primär nicht die Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen, sondern andereZielsetzungen verfolgen.16Modul 2: Mehr als Kenntnisse und Fertigkeiten. Entdecken, erforschen und erklären im Mathematikunterrichtder Grundschule. Modul 3: Mathematikunterricht zwischen Offenheit und Zielorientierung.10

5Beispiele für gute und andere Aufgaben: AufgabenanalyseIn diesem Abschnitt stellen wir einige Aufgabenbeispiele17 vor, von denen wir zeigen werden,dass es sich dabei im Sinne des obigen Kriteriums um gute Aufgaben handelt. Das grundlegende Instrument das dazu eingesetzt wird ist die Aufgabenanalyse. Wir führen an Hand derdrei Aufgabenbeispiele exemplarisch das Instrument der Aufgabenanalyse ein. Die Analysevon Aufgaben hat insbesondere in den USA eine lange Tradition und kann unter den verschiedensten Zielsetzungen durchgeführt werden18. In diesem Kapitel soll Aufgabenanalysedem folgenden Ziel dienen:Mit der Analyse von Aufgaben soll ihr Potential ausgelotet werden, die Entwicklung bzw. Festigung von prozessbezogenen Kompetenzen zu unterstützen.Zwei der Beispiele stammen aus Schulbüchern, das dritte wurde im Rahmen einer Unterrichtsstunde „geboren“. In den drei Beispielen aus der Arithmetik geht es um grundlegendeInhalte, nämlich die vier Grundrechenarten. Damit ist eine der oben genannten Bedingungenfür gute Aufgaben erfüllt.Aktivität 3. Analysieren Sie bitte alle im Text vorgestellten Aufgaben bezüglich ihrer spezifischen mathematischen Anforderungen an die Schüler. Dazu können Sie etwa den für Sie „zuständigen“ Grundschul-Rahmenplan oder die in den Bildungsstandards ausgewiesenen inhaltlichen mathematischen Kompetenzen heranziehen.Zur zweiten Bedingung. Welche prozessbezogenen Kompetenzen können durch die Aufgabenunterstützt werden?Zur exemplarischen Illustration der Aufgabenanalyse beziehen wir uns auf die o.g. prozessbezogenen Kompetenzen Mathematisieren, Kreativität und Argumentationsfähigkeit und derenAusdifferenzierung in der Tabelle in Abschnitt 3. Wir werden bei den Beispielen zur Aufgabenanalyse die in der Tabelle genannten Punkte nicht „bürokratisch“ abarbeiten, sondern ver17Gerne greifen wir bei den Aufgabenbeispielen in diesem und den folgenden Abschnitten auf Schulbücherzurück um zu zeigen, dass sich die vorgeschlagenen Ideen im alltäglichen Mathematikunterricht realisieren lassen.11

suchen, an einigen Punkten das Wesentliche der Aufgabenanalyse zu illustrieren, um ein „Gefühl“ für dieses Instrument zu vermitteln. Selbstverständlich sind Sie gern eingeladen, die hiervorgestellten Aufgabenanalysen noch weiter zu detaillieren, oder zur Aufgabenanalyse auchandere Kataloge von prozessbezogenen Kompetenzen, etwa aus den Bildungsstandards, heranzuziehen.Die Beispiele, an denen wir im Folgenden das Instrument der Aufgabenanalyse illustrieren,sind dem Bereich Arithmetik entnommen. Aufgaben aus der Geometrie, die Sie selbstständiganalysieren können, finden Sie in Abschnitt 6 und in Anhang 2. Bei diesen Beispielen beziehtsich die prozessbezogene Kompetenz des Mathematisierens schwerpunktmäßig auf innermathematische Situationen. Das Mathematisieren außermathematischer Situationen, traditionelleDomäne des Sachrechnens, bleibt zunächst ausgeklammert. Auf diesen wichtigen Bereichgehen wir im Rahmen eines etwas umfangreicheren Beispiels am Ende von Abschnitt 6 ein.Beispiel 1: Aus einem Schulbuch für die 2. KlasseAnalyse zu Beispiel 1Mathematisieren. In den Teilen a) bis d) müssen die Schüler in den gegebenen Aufgabenpäckchen mit mathematischen Mitteln eine Regelmäßigkeit, ein Muster bzw. strukturelle Beziehungen zwischen den Aufgaben jedes Päckchens herausfinden19. Bei a) kann die zweiteAufgabe als Tauschaufgabe der ersten, aber auch anders gedeutet werden (s.u.). Die dritteAufgabe hängt mit der ersten bzw. der zweiten zusammen. Der erste Summand der drittenAufgabe ist um 4 kleiner als der erste Summand der ersten Aufgabe; der zweite Summand derdritten Aufgabe ist um 4 größer als der zweite Summand der ersten Aufgabe usw. Bei denPäckchen c) und d) wächst der erste Summand von Aufgabe zu Aufgabe um 1 bzw. 10, derzweite Summand nimmt jeweils um die gleiche Zahl gegensinnig ab. In jedem Fall soll also18Z.B. Welche Wissensvoraussetzungen oder Grundvorstellungen sind für eine Aufgabenbearbeitung erforderlich? Wie lösen Schüler tatsächlich eine Aufgabe (Empirische Aufgabenanalyse)?19Vgl. in Modul 2 den Abschnitt „Schöne Päckchen“.12

eine innermathematische Situation, nämlich jeweils ein Päckchen mit drei Aufgaben mit mathematischen Mitteln geordnet werden.Kreativität. Wenn sich die Schüler mit den Teilen a) bis d) beschäftigen, werden sie zunächstVermutungen über ein Muster, eine Regelmäßigkeit in den Aufgaben, oder Beziehungen zwischen den Aufgaben aufstellen. Auf der Grundlage der entdeckten Regelmäßigkeiten in denAufgaben sollen die Schüler durch Verallgemeinerung selbstständig Aufgaben entwickeln,die zu dem jeweiligen Muster passen. Nun müssen die Schüler Lösungswege planen, welchesder Muster den Ausgangspunkt für die Verallgemeinerung(en) abgeben soll.Der Spielraum für die weitere Arbeit der Schüler ist beträchtlich: sie können in den einzelnenAufgabenpäckchen, im Set der Päckchen, oder in beiden verallgemeinern und weitere Aufgaben mit gleichem Ergebnis konstruieren. Zudem können die Schüler in den beiden erstenPäckchen für ihre weiteren Konstruktionen (zumindest punktuell) den Aspekt Aufgabe –Tauschaufgabe berücksichtigen, oder als die dominierende Beziehung zwischen den Aufgaben das „Gesetz von der Konstanz der Summe bei gegensinniger Veränderung der Summanden um den gleichen Betrag“ nutzen.Natürlich könnten die Schüler auch nach eigenen Regeln Aufgaben mit gleichem Ergebniskonstruieren.Beispiele für Verallgemeinerungen von Päckchen a); der Summenwert 51 wurde weggelassen:25 2625 2625 2626 2526 2526 2521 3021 3021 3030 2122 2935 1617 3417 3418 3334 1718 3313

Argumentationsfähigkeit. In Teil e) von Beispiel 1 sollen die Schüler begründen, warum dieErgebnisse in einem Päckchen immer gleich sind. Solche Begründungen müssen sich selbstverständlich auf die Regeln stützen, die dem Muster der Aufgaben zugrunde liegen, sowie aufeinschlägige arithmetische Regeln (z.B. Vertauschungsgesetz oder das Gesetz von der Konstanz der Summe bei gegensinniger Veränderung der Summanden um den gleichen Betrag).Aus Berichten von Lehrern ist bekannt, dass von manchen Schülern in einer Situation, in derdie Ergebnisse in einem Päckchen vorgegeben gleich sind oder in den selbst konstruiertenAufgaben gleich sind, keine Begründungsnotwendigkeit gesehen wird: „Die Ergebnisse sinddoch gleich“. Hier könnte man z.B. ein „neues“ Päckchen nehmen, das noch nicht ausgerechnet wurde und dann die entsprechenden Schüler nach einer Begründung suchen lassen. Ansonsten werden sich die Argumente für die Gleichheit der Ergebnisse im Wesentlichen auf dieoben herausgefundenen Regelmäßigkeiten stützen.Wir halten außerdem fest, dass dieses Aufgabenbeispiel im Text explizite Aufforderungenenthält, die „in die Richtung“ von prozessbezogenen Kompetenzen gehen.Wie aber die Aufgabe letztlich im Unterricht bearbeitet wird, ob also die Anregungen in Richtung prozessbezogener Kompetenzen im Unterricht umgesetzt werden, ist durch die äußerenAufgabenmerkmale, z.B. den Aufgabentext oder zugehörige Bilder, selbstverständlich nochnicht bestimmt.Man stelle sich folgendes Szenario vor: Ein Lehrer begnügt sich damit, dass die Schüler etwazwei weitere Aufgaben mit dem gleichen Ergebnis angeben; der Zusammenhang mit den anderen Aufgaben, der Aspekt des Musters, der Struktur in den Aufgaben, also das, worauf esbei dem von uns eingenommenen Standpunkt schließlich ankommt, wird jedoch nicht weiterthematisiert. Damit würde das in der Aufgabe steckende Potential zur Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen nicht genutzt werden.Beispiel 2: Aus einem Schulbuch für die 4. KlasseAnalyse zu Beispiel 2Hier gibt der Aufgabentext keinen Hinweis aufprozessbezogene Kompetenzen. Nachdem dieSchüler jeweils die Ergebnisse für ein Aufgabenpaar ausgerechnet und addiert, und bei den vierPaaren jeweils 900 erhalten haben, ist die explizite Aufgabenstellung bearbeitet.14

Jetzt liegt es wesentlich am Lehrer, ob er das in der Aufgabe steckende Potenzial zur Förderung prozessbezogener Kompetenzen erkennt und im Unterricht nutzt, um aus der Aufgabeeine gute Aufgaben entstehen zu lassen. Bildlich kann man in diesem Zusammenhang durchaus von einem Öffnen20 von Aufgaben sprechen, um dieses Potenzial für die Schüler fruchtbarwerden zu lassen.Ein Ansatzpunkt ist doch die erstaunliche Tatsache, dass sich bei der Addition derErgebnisse in jedem Paar stets die gleiche Zahl ergibt, nämlich 900.Wieder stellt sich bei der mathematischen Betrachtung, also beim Mathematisieren, die Fragenach dem strukturell Gemeinsamen, dem Muster, das die Aufgaben verbindet. In jeder Aufgabe kommt die Zahl 450 vor. In jedem Paar wird zu 450 die gleiche Zahl addiert bzw. von450 subtrahiert. Wie hängt die Zahl 900 mit Zahlen zusammen, die in den Aufgaben vorkommen?Die Kreativität der Schüler kann gefordert werden, wenn eigene Aufgabenpaare konstruiertwerden sollen. Dabei wird zunächst wohl die Zahl 450 die Hauptrolle spielen. Vielleicht verallgemeinern Schüler aber schon, indem sie statt 450 andere Zahlen wählen und dabei entdecken, dass sie nach Addition ebenfalls das Doppelte der jeweiligen Zahl als Ergebnis erhalten.Ein neues Problem wir konstruiert, w

2. Mit Aufgaben soll der Leistungsstand der Schüler, d. h. ihre durch Lernen erreichten Kompetenzen festgestellt werden. Mit Blick auf den Mathematikunterricht erhofft man sich von Aufgaben noch weitere Funkti-onen: 3. Gute Aufgaben können als Instrument der Qualitätsentwicklung von Math